Am Großmarkt gärt es. Die Nervosität unter den Händlern, Logistikern und Betreibern ist seit Jahren groß. Seit dem Beschluss, den der Stadtrat kurz vor der Sommerpause fällte, eine neue Großmarkthalle in Sendling zu bauen, dies aber einem Investor zu überlassen, hat die Verunsicherung noch zugenommen. Die Erzeugergemeinschaft der Gärtner, die Blumengroßhändler und Kühlhallenbetreiber fragen sich, ob so ein Beschluss wirklich ihre Zukunft sichern kann oder ob er eher von politischem Kalkül geleitet war. Hans Buchhierl, Geschäftsführer des Umschlagzentrums Großmarkt München und Sprecher der Standortinitiative "Großmarkt in Sendling. Jetzt", vermutet ein "politisches Schachspiel": "Viele Beteiligte haben Zweifel an der Ernsthaftigkeit und der Umsetzbarkeit des Stadtratsbeschlusses."
Die Standortinitiative, die sich im April auf dem Gelände gegründet hat, um sich für einen baldigen Neubau der Großmarkthalle auf ihrem angestammten Areal in Sendling einzusetzen, hat deshalb in den vergangenen Wochen Zuwachs bekommen. Auch der einflussreiche Bayerische Fruchthandelsverband, der im vergangenen Jahr mit Auszugsplänen nach Vaterstätten drohte, hat sich der Initiative angeschlossen und plädiert für ein stärkeres konzertiertes Vorgehen. "Wenn der Großmarkt hier in Sendling bleiben soll, müssen wir alle Kräfte bündeln und aus einem Rohr sprechen", begründete Präsidiumsmitglied Andreas Buchner den Beitritt der Fruchthändler. Die seien enttäuscht von der Politik, sagte Buchner, der selbst auf dem Großmarktareal Geschäftsführer der Hausladen Fruchthandelsgesellschaft ist. Zunächst habe es so ausgesehen, als ob der Stadtrat mit dem Beschluss den Standort Sendling unterstützen würde. Doch sehe man sich den Beschluss genauer an, dränge sich der Verdacht auf, dass das Großmarkt-Projekt weiterhin einfach nur "auf die lange Bank geschoben" werden solle. Der Zeitrahmen, den der Beschluss vorgebe - im nächsten Jahr will der Stadtrat bereits die Pläne vorgelegt bekommen - sei zu ambitioniert. "So schnell hat die Münchner Bürokratie jedenfalls noch nie funktioniert." Und dass die Mühlen langsam mahlen, spüren die Großhandel-Akteure gerade jetzt wieder: Nach dem Stadtratsbeschluss, vor Wochen bereits, hatten der Fruchthandelsverband und auch die Standortinitiative in Schreiben der Stadt ihre Beteiligung und Unterstützung angeboten. "Es tut sich nichts", sagt Buchner. Klar, noch seien Ferien, aber nicht einmal eine Antwort per Abwesenheitsagenten auf E-Mails habe man von der Stadt bekommen.
Laut Initiativen-Sprecher Hans Buchhierl nährt auch dieses Verhalten Misstrauen bei den Menschen, die vom Großmarkt abhängen. Sie fragten sich, ob die Politiker ernsthaft an einem Großmarkt auf Münchner Gebiet interessiert sind. "Sollte die Stadt gewillt sein, den superknappen Zeitrahmen einzuhalten: Wieso hat sie die ersten Wochen verstreichen lassen?"
Die Standortdiskussion werde bald erneut in Gang kommen, befürchtet Oliver Rob, Geschäftsführer der Neon-Consult und ebenfalls Mitglied der Standortinitiative. Ob Absicht oder nicht: Mit dem Investorenmodell sei eine bereits existierende Planung der neuen Großmarkthalle, auf die man aufsetzen konnte, komplett ausgehebelt worden - "zum hohen Preis einer völligen Neuplanung mit ungewissem Ausgang". Und dabei sei nicht einmal geklärt, ob ein Investorenmodell die Hallenmiete so verteuere, dass die Händler sie sich nicht mehr leisten könnten, sagt Hans Buchhierl. Fest stehe: Die Händler hätten keine Planungssicherheit, immer noch nicht - nach neun Jahren.
Der Stadtrat hatte den hochgelobten Architektenentwurf, den das Kommunalreferat in mehr als eineinhalbjähriger Arbeit erstellen ließ, im Juli abgewiesen - "in die Tonne getreten", wie man immer wieder hört. Den Stadträten war die Hallen-Planung, die Baukosten in Höhe von 160 Millionen Euro verschlingen sollte, zu teuer. Ein privater Investor soll die Halle nun konstruieren, bauen und vermieten. Das Kommunalreferat, genauer dessen Eigenbetrieb städtische Markthallen, sollen als Mieter auftreten und wiederum an die Händler vermieten.
Im Moment sei der Großmarkt noch ein "funktionierendes Gebilde", sagt Buchner. Doch angesichts der Stagnation und des Zauderns der Politik wanderten die Händler wohl ab, wenn sich Möglichkeiten böten. Doch blieben sie nicht, "dann wird das nichts mehr mit einem Großmarkt in Sendling". Zum Schaden für die, die dort arbeiten, zum Schaden für das Stadtviertel und für die Münchner, die Obst und Gemüse dann von großen Handelsketten serviert bekämen.