Gasteig in Sendling:Das Interimsquartier nimmt Gestalt an

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Die Bauarbeiten schreiten voran: Das Interimsquartier des Gasteigs in Sendling. (Foto: Robert Haas)

In Sendling entsteht gerade das neue Gebäude, das dem Gasteig als Zwischenlösung dient. In gut einem Jahr ist dort Eröffnungskonzert. Ein Besuch der Baustelle.

Von Anna Hoben

Noch herrscht Baustellenlärm, wo in nicht allzu ferner Zukunft Orchesterklänge zu hören sein werden. Noch tragen Arbeiter in gelben Westen Bauteile umher, wo eines Tages Musiker in Anzug und Kleid Celli und Geigen auf die Bühne bringen werden. Noch steht ein riesiger Kran ungefähr dort, wo irgendwann der Dirigent seinen Platz haben wird. Und dort, wo künftig der Backstagebereich sein wird, stehen an diesem Dienstagmittag Tobias Jahn und Andreas Schmidt. Am Boden liegen verbogene Nägel, und der Himmel schickt einen kurzen, kräftigen Regenguss, während Jahn und Schmidt der Fantasie mit ihren Erklärungen auf die Sprünge helfen. Denn etwas Fantasie braucht man bei einem Besuch auf der Baustelle des Gasteig-Interimsquartiers in Sendling - auch wenn es in großen Schritten vorangeht und mittlerweile die Form der neuen Philharmonie zu erahnen ist.

Jahn, 36, ist Architekt und zusammen mit drei Kolleginnen und Kollegen in der Funktion der Bauherrenrolle für die Planung und den Bau des "Gasteig Sendling" zuständig. Schmidt, 54, ist der Bauleiter, er hat die ganze Baustelle im Blick, weiß immer, welcher Trupp gerade wo ist. 50 bis 60 Menschen arbeiten zurzeit auf dem Areal. Ein Teil der Stahlkonstruktion für den neuen Konzertsaal steht schon, daran sieht man, wie hoch das Gebäude am Ende wird: "ungefähr 26,5 Meter", wie Schmidt mitteilt, was nun eher exakt klingt als ungefähr. Der Konzertsaal selbst wird aus massiven Holzwänden bestehen, die dann in die Stahlkonstruktion eingehängt werden, wie Jahn erklärt. Vom Norden her wird das Publikum kommen - 1800 Menschen werden im Konzertsaal Platz finden.

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Von der Südseite aus, wo sich künftig der Künstlereingang und die Stimmräume befinden werden, sieht das Konstrukt viel höher aus. Das liegt daran, dass die Stahlstreben aus dieser Perspektive sehr hübsch den in Wirklichkeit fast sieben Mal so hohen Schornstein des Heizkraftwerks Süd einrahmen. Noch - denn der Turm steht nicht mehr lange, er wird gerade abgerissen. Und so ist hier gerade ein guter Ort, um zu sehen, wie die Stadt sich verändert.

Die Stadt, die sich auch durch die Coronakrise schon sehr verändert hat, wobei es immer noch eine Stadt ist, die sich ein mehr als 100 Millionen Euro teures Zwischenquartier für eine Philharmonie leistet - mehr als die Elbphilharmonie in Hamburg ursprünglich kosten sollte. Auf der Baustelle wiederum hat Corona gar nicht so viel verändert. Sie seien jedenfalls gut im Zeitplan, sagt der Bauleiter, in einem Jahr soll der Bau fertig sein, im Oktober 2021 soll das Eröffnungskonzert gespielt werden. Schmidt schaut sich um, er wiegt den Kopf: "Schon noch ein bisschen was zu tun bis dahin." Er wirkt nicht so, als ob ihn etwas leicht erschüttern könnte. Trotzdem: Ob ihn die Gedanken an das, was noch alles zu tun ist, manchmal nervös machen? "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das nie der Fall ist", sagt Schmidt.

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(Foto: Robert Haas)

Der Architekt Tobias Jahn ( gelber Helm) ist als Vertreter des Bauherren für Planung und Bau des Gasteig Sendling zuständig. Andreas Schmidt (schwarzer Helm) hat als Bauleiter die ganze Baustelle im Blick.

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(Foto: Robert Haas)

Das Foyer des Interims-Gasteigs entsteht in der denkmalgeschützten Halle E.

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(Foto: Robert Haas)

Diese erinnert von innen ein bisschen an eine Kathedrale.

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(Foto: Robert Haas)

Vom Foyer aus werden Besucher in den Konzertsaal gelangen, der daneben entsteht und dessen Formen mittlerweile gut zu erahnen sind.

Die Nervosität werde aber von Bauvorhaben zu Bauvorhaben kleiner, "man lernt, damit umzugehen, sonst könnte man den Job auch nicht machen". Den Job, der ihn schon auf die unterschiedlichsten Baustellen geführt hat: zum Beispiel die der Einkaufspassage Hofstatt und der Siemens-Zentrale. Zuletzt die Baustelle für das Wohngebäude einer Genossenschaft in Fürstenried. Diese Baustelle jedoch, sagt er, und da stimmt Jahn ihm zu, das sei schon eine ganz besondere. Der künstlerische Aspekt, das Miteinander mit so vielen Beteiligten aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Dazu gehören auch die Nachbarn auf dem Areal, ein Reifenhändler, Künstler und Kreative, ein Tanzstudio.

Zwischen fünf und sechs Uhr morgens ist Schmidt meist auf der Baustelle, seine Arbeitstage sind lang. Aber er liebt die Baustelle, mit allem, was dazu gehört. Er liebt zum Beispiel den Geruch von frischem Beton, "vor allem im Herbst". Das erinnere ihn an den Geruch von nassem Stein im Gebirge, und das Gebirge ist ebenfalls ein Ort, wo er sich gern aufhält. Die Baustellenrunde führt nun in die sogenannte Halle E, die ehemalige Trafohalle der Stadtwerke, die im Inneren über und über mit Baugerüsten ausgekleidet ist. "Etwas Kathedralenartiges" habe sie, sagt Bauleiter Schmidt, die Assoziation liegt nahe. Hier wird das Foyer sein, hier werden Besucher einander begegnen, einen Kaffee trinken, sich für einen Kurs der Volkshochschule anmelden können. Denn der Gasteig ist ja noch viel mehr als Konzertsaal. Ein offenes Haus solle es werden, sagt Tobias Jahn, eines, in dem die Konzertbesucher abends jenen begegnen, die sich in der Bibliothek, die dann in den oberen Räumen untergebracht sein wird, noch ein paar Bücher ausleihen.

Er spricht nun beinahe zärtlich über die beiden Häuser, das alte und das neue. Über ihre Charaktereigenschaften, ihre Gegensätze. Die Halle, dieses "Schmuckstück", bei dem man behutsam mit Blick auf Details arbeiten müsse und alles mit dem Denkmalschutz abstimmen. Kein "herausgeputztes Denkmal" solle die Halle werden, sondern es solle sicht- und erlebbar werden, "was sie gesehen hat", welche Nutzungen es schon gab. "Das stolze Alte", sagt Jahn, "und das neue Zurückhaltende", das dennoch Präsenz haben werde. Er ist gespannt, wie sich die beiden Gebäude zueinander verhalten, wenn sie fertig sind. Die beiden Männer stehen jetzt an der Ecke Schäftlarnstraße/Mittlerer Ring. Hier wird einer der Hauptzugänge zu dem Areal sein. Hier will man die Leute aus dem Stadtviertel fischen und zum neuen Gasteig Sendling bringen. Noch sieht der Eingang zum Foyer wie ein Steinbruch aus. In gut einem Jahr sollen die Abendkleider und Anzüge hier durchspazieren. Bis dahin ist noch ein bisschen was zu tun.

© SZ vom 19.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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