Semesterstart:So lebt es sich als Student in München

Das schwierigste Problem müssen Studierende oft lösen, bevor sie die Uni zum ersten Mal von innen gesehen haben: eine bezahlbare Unterkunft in München finden.

Von Esther Diestelmann und Jacqueline Lang

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Eine echte Gemeinschaft

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Quelle: Robert Haas

Julika Zimmermann hat von Berlin die Nase voll, als sie beschließt, nach München zu ziehen. Bald lernt die Germanistik-Studentin ihren Freund kennen, der in einer WG in einem Haus in Pasing wohnt. Als dort ein großes Zimmer frei wird, zieht die 26-Jährige zu ihm. "Wir sind keine WG, wir sind eine Gemeinschaft," sagt Zimmermann. Die insgesamt sechs Bewohner sind eine bunt gemischte Truppe zwischen 26 und Ende 30, bestehend aus ehemaligen Studenten, Auszubildenden und einem Geflüchteten aus Eritrea. Alle legen großen Wert auf biologisches, regionales und ökologisches Haushalten. Zu gleichen Teilen legen sie deshalb Geld in einer Haushaltskasse zurück. Essen, Strom und Anschaffungen werden davon bezahlt, dazu kommen für jeden 375 Euro Miete pro Monat.

Damit das Zusammenleben gut klappt, gibt es "Butterbrot und Peitsche" - den monatlichen WG-Abend. Beim Essen und Trinken werden ernsthafte Themen besprochen. "Wenn man keine Zweck-WG sein möchte, dann braucht es solche organisierten Treffen", sagt Zimmermann. Alles, was nicht am Tisch gelöst werden kann, wird auf dem hauseigenen Dancefloor ausgetragen. Jeder WG-Abend endet dort. Dann wird die Musik laut aufgedreht und schon mal mit einer Zahnbürste im Mund getanzt.

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Mediterrane Küche und Longdrinks

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Quelle: Robert Haas

Seit März wohnt Matthias Beuerle mit einem ehemaligen Kommilitonen in Großhadern zur Untermiete. Eineinhalb Jahre kann der 24-Jährige dort bleiben. Die Wohnung gehört eigentlich einem befreundeten Paar, das gerade im Ausland ist. Als Beuerle seinem Freund von der freien Wohnung erzählt, kündigt der sofort, weil er in seiner WG nicht zufrieden war. Für Beuerle liegt die Wohnung perfekt: Der Chemie-Doktorand muss nur aus der Haustür gehen und ist schon am Arbeitsplatz. Außerdem ist er mit dem Rennrad relativ schnell im Grünen und mit den Öffentlichen zügig in der Stadt.

"Wenn man mit einem Kumpel zusammenwohnt, dann braucht man für soziale Kontakte eigentlich kaum noch vor die Tür zu gehen", sagt er. Beide kochen gerne. Am liebsten mediterrane Küche. Beide trinken gerne. Am liebsten Longdrinks. "Mein Mitbewohner macht die besten Drinks. Sein Negroni ist phänomenal", sagt Beuerle. Die beiden kennen sich aus dem Chemie-Studium, gestritten wird eigentlich nie. Vor allem, weil sich sein Mitbewohner ohne Murren um den Haushalt und das Putzen kümmert. Wenn es laut wird, dann weil sie politisch anderer Meinung sind. Der eine eher liberal, der andere eher sozial. "Eine ideale WG", sagt Beuerle - auch wenn er eigentlich lieber alleine wohnt. Die beiden haben viel Platz, für insgesamt 100 Quadratmeter liegt Beuerles Anteil bei 670 Euro.

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Erfolg auf der Spezl-Schiene

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Quelle: Fotos: Robert Haas (5), Stephan Rumpf, Felix Kästle/dpa

Vor zwei Jahren hat Manuel Feneberg sich für eine Ausbildung zum Schauspieler beworben und besucht nun die Neue Münchner Schauspielschule. An eine eigene Wohnung war zunächst nicht zu denken: die Ausbildung an einer privaten Schauspielschule ist teuer, also wohnte er weiter bei seinen Eltern in Trudering. Mit einem Nebenjob konnte er sich dann ein eigenes Zimmer leisten, zunächst in der Dreier-WG eines Freundes in Schwabing. Dann ergab sich etwas Neues: einer seiner besten Freunde suchte eine neue Bleibe und wurde schließlich über eine Hausverwaltung fündig. Eine 2-Zimmer-Wohnung in Untergiesing war frei und ideal für eine WG. "Aktiv gesucht habe ich nicht, aber die neue Wohnung war billiger und deshalb habe ich nicht lange überlegt", sagt der 26-Jährige.

Bei Feneberg hat es zwei Mal über Kontakte geklappt und tatsächlich findet man bezahlbare Wohnungen in München am leichtesten über Freunde und Bekannte. Anfragen auf Online-Portalen bleiben häufig unbeantwortet. Es gibt einfach zu viele Bewerber, oft haben Studenten ohne festes Einkommen schlechte Karten. Die Wohnung in Untergiesing ist für Münchner Verhältnisse ein Glücksgriff: Pro Person zahlen Feneberg und sein Freund je 325 Euro inklusive Nebenkosten, beide wussten von Anfang an, dass sie sich gut verstehen - und im Sommer sind sie in fünf Minuten an der Isar.

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Belohnung für Engagierte

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Quelle: Robert Haas

"Mein Penthouse auf der Leopoldstraße", sagt Johanna Hintermeier über ihre WG. Seit einem Jahr wohnt die Frankfurterin, die im dritten Semester vergleichende Literatur- und Politikwissenschaften studiert, in einer Sechser-WG vom Ordinariat der katholischen Hochschulgemeinde. 250 Euro für 22 Quadratmeter bezahlt sie monatlich. Um dort einziehen zu dürfen, muss man sich bewerben, soziales Engagement und Bedürftigkeit nachweisen - und Glück haben. Die 19-Jährige hat Jugendarbeit gemacht, war für ein freiwilliges soziales Jahr in Brasilien und ist Mitglied in der Hochschulgruppe von Amnesty International. Ihre Belohnung: eine familiäre, günstige WG im Herzen von Schwabing. Ihre Mitbewohner sind sehr unterschiedlich, sie studieren Medizin, Jura, Lehramt. "Aber wir teilen eine Gemüsebox, verbringen faule Sonntage auf dem Sofa und die meisten fühlen sich auch verantwortlich für die vielen Veranstaltungen im Haus."

Bei sechs Leuten sei es immer so, dass sich ein oder zwei Bewohner etwas raushalten. Das könne man aber auch positiv sehen. "In Ruhe Zeitung lesen oder zusammen laute Partys feiern - hier geht beides", sagt sie. So schnell hat sie sich bislang nirgends eingelebt: "Wenn ich aus der Haustür gehe und das Siegestor sehe, dann geht mir das Herz auf."

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Nach dem Studentenheim in die WG

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Quelle: Stephan Rumpf

Sieben Jahre lang hat Greta Weiger, 28, in einem Münchner Studentenwohnheim gewohnt. Weil man dort aber irgendwann den Platz für neue Studenten räumen muss, musste die Geographie-Studentin sich ein neues WG-Zimmer suchen. Fündig wurde sie über die Internetseite WG-Gesucht. Sechs Besichtigungen, zwei Zusagen - Weiger ist selbst überrascht, dass es gar nicht so schwer war. In erster Linie hat sie ihre Vierer-WG nach den Leuten ausgesucht, aber weil sie die Wahl hatte, hat sie sich dann doch für die WG in Haidhausen statt jene in Freimann entschieden. Den genauen Preis wusste sie damals noch gar nicht, weil der neu berechnet wurde.

Mit den 340 Euro warm, die sie jetzt für 12 Quadratmeter zahlen muss, ist sie aber sehr zufrieden. Weiger glaubt, dass ihre Chancen ein Zimmer zu finden, besser als die eines Erstsemester-Studenten sind, weil sie schon älter ist und WG-Erfahrung hat. Ihr WG-Leben ist sehr entspannt. "Oft gibt man sich nur die Klinke in die Hand", sagt Weiger, aber ab und an gibt es einen Tatort-Abend oder alle kochen gemeinsam. Damit alle vier Mitbewohner dabei sind, muss das aber vorab geplant werden. Weigers Namen findet man auf dem Klingelschild trotzdem nicht, denn sie ist nur Untermieterin. Damit die Miete nicht erhöht wird, hat die WG trotz des Auszugs fast aller Bewohner keinen neuen Mietvertrag gemacht - in München keine Seltenheit.

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Siegerin bei der Zimmer-Lotterie

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Quelle: Robert Haas

Irgendwann hat Madeleine Gerstenmeyer, 18, ihre WG-Anfragen nur noch mit Lesebestätigung verschickt, weil sie nur selten Antwort bekam und sie so zumindest die Gewissheit hatte, dass es beim Empfänger angekommen ist. Kurz hat sie sogar mit dem Gedanken gespielt, spätestens für das zweite Semester in eine andere Stadt zu wechseln. "Ich habe überlegt, ob ich irgendwo hinziehen soll, wo die Mieten billiger sind", sagt die angehende Jurastudentin, die aus Nördlingen kommt. Vor zwei Monaten erhielt sie endlich die Nachricht, dass sie bei der Erstsemester-Zimmerverlosung des Studentenwerks München einen der begehrten Plätze gewonnen habe. Nun weiß sie auch, dass sie in die Maxvorstadt in eine Zweier-WG im Studentenwohnheim ziehen wird.

Mit ihrer Mitbewohnerin, die schon seit einem Semester hier studiert, hatte sie zwar nur kurz über Facebook Kontakt, aber sie klinge sehr nett, sagt Gerstenmeyer und außerdem ist sie froh, überhaupt ein Zimmer zu haben. Das kostet warm 320 Euro - Gerstenmeyer weiß, dass sie damit großes Glück hat, denn auf dem freien Markt und selbst in privaten Wohnheimen zahlt man häufig das Zwei- bis Dreifache. Bevor sie es sich jetzt in ihrem neuen Zuhause gemütlich machen kann, will Gerstenmeyer aber erst noch die Wände streichen.

© SZ vom 17.10.2016/vewo
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