Semesterbeginn in München:Willkommen auf der Baustelle

An den Universitäten beginnt das Wintersemester: Die Umgestaltung der Hochschulen geht weiter, die Studenten erleben die Reform der Bologna-Reform.

Martin Thurau

Die Hochschulen sind im Umbruch, das haben die fast 85.000 Studenten, für die an den drei großen Münchner Hochschulen jetzt ein neues Semester beginnt, längst erfahren. Die einen gehören zu den letzten, die noch mit einem Diplom oder Magister abschließen, die anderen zu den ersten Jahrgängen, die in neu konzipierten Studiengängen den Bachelor und später womöglich den Master machen.

Semesterbeginn München

Rund 20.000 Erstsemester beginnen ihr Studium in München.

(Foto: Foto: ales)

Auch die gut 20.000, die an Universität (LMU) und Technischer Universität (TU) heute, an der Hochschule München schon seit Monatsanfang, erstmals in den Hörsälen und Seminarräumen sitzen, kann man oft getrost noch zu den Bachelor-Neulingen rechnen. Der große Block der Geisteswissenschaften an der LMU beispielsweise beginnt erst mit diesem Wintersemester mit den neuen und verkürzten Studiengängen.

Und selbst wenn diese sogenannte Bologna-Reform als nahezu abgeschlossen gilt, wird etwas von einem Baustellen-Charakter in der Lehre den Unis und ihren Studenten bis auf Weiteres erhalten bleiben. Denn in der vergangenen Woche gab die Kultusministerkonferenz (KMK) den Startschuss für die Reform der Reform, die Mängel des von der Politik verordneten Studiensystems beseitigen soll.

Im vergangenen Semester noch waren die Studenten auch in München auf die Straße gegangen, unter anderem um gegen vollgepackte und verschulte Studiengänge, Prüfungs-Overkill und strengen Formalismus zu protestieren. Jetzt sollen die Länder beispielsweise für den Abschied vom allzu kleinteiligen Prüfungswesen sorgen, den Bachelor in nur sechs Semestern - eine bundesdeutsche Besonderheit - als Zwangsvorgabe kippen und es den Hochschulen freistellen, ein oder gar zwei Semester an die Ausbildung dranzuhängen.

Organisatorisch sei eine solche Verlängerung kein großes Problem, sagt Oliver Jahraus, Bologna-Beauftragter der LMU. Den Fächern die Wahlmöglichkeit zu schaffen sei sinnvoll - und schon länger in der Diskussion. "Das nehmen wir gerne auf", sagt der Germanistik-Professor. Ob aber auch Studenten, die jetzt beginnen, schon in der Genuss eines entzerrten Studiums kommen, sei eine juristische Frage. Dafür müsse die Fakultät die jeweilige Studienordnung neu fassen, die Änderungen gälten dann erst für künftige Studentengenerationen. Womöglich aber, stellt Jahraus in Aussicht, ließen sich Übergangsregelungen finden.

Die TU München startet in diesem Semester bei den Architekten ein achtsemestriges Bachelorstudium mit einem obligatorischen Auslandsjahr. Eine solche Ausbildungskonzeption sei in dem Fach weltweit Standard, sagt TU-Sprecher Ulrich Marsch. Auch für die Natur- und Lebenswissenschaften plant die Hochschule eine faktische Verlängerung des Studiums, und zwar mit einem einjährigen Propädeutikum, das den Anfängern naturwissenschaftliche Grundlagen vermitteln soll.

Das Ziel der KMK, mit der neuerlichen Reform potentiellen Arbeitgebern den Bachelor schmackhaft zu machen, sei gut und schön, an der TU aber solle der Master der Regelabschluss sein. Für den, der den Bachelor besteht, gebe es in der Regel dafür auch einen Platz.

Das bayerische Wissenschaftsministerium, das die KMK-Beschlüsse laut Minister Wolfgang Heubisch "voll mitträgt", verweist auf den bayerischen Sonderweg, den Bachelor an allen Fachhochschulen auf sieben Semester inklusive eines Praxishalbjahres anzulegen. Sven Winterhalder, der an der Hochschule München die Abteilung Hochschulentwicklung leitet, könnte sich in Zukunft in einigen Fächern aber auch ein achtsemestriges Studium vorstellen.

Insgesamt, sagt Jahraus, sei das Papier der KMK für ihn als Planer nicht "überraschend" oder gar "beunruhigend". Viele der geforderten Nachbesserungen deckten sich mit den Lockerungen, die auch die LMU verfolge. Jahraus hatte bereits vor ein paar Monaten den "Bachelor 2.0, die Reform der Reform" angekündigt, mit der die Überregulierung zurückgenommen und mehr Wahlfreiheit eingeführt werden soll.

Unterdessen ist die Nachfrage an den Münchner Hochschulen weiter gestiegen. Bei der Zahl der Neueinschreibungen legen LMU und TU den noch vorläufigen Daten zufolge im Vergleich zum Vorjahr um etwa sechs Prozent zu, die Hochschule München um mindestens ebensoviel. Die beliebtesten Fächer an der LMU sind Medizin, Jura, Betriebswirtschaftslehre und das Lehramtsstudium.

Die TU verzeichnet deutliche Zuwächse bei BWL, Forstwissenschaft und beim Lehramtsstudium, für das die TU eine eigene Fakultät, die "School of Education", gegründet hat, die mit diesem Semester ihren Betrieb aufnimmt. Insgesamt gibt es an der LMU jetzt gut 45.000, an der TU 24.500 und an der Hochschule 14.600 Studierende.

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