Selfstorage in München:Platz ist Geld

Selfstorage in München

Blaue Türen, weißer Beton: Die Orientierung verliert man in den Gängen der Lagerhäuser schnell.

(Foto: Eva Limmer)

Wohnung zu klein, Keller feucht: Weil in München Wohnraum knapp ist, boomen Selfstorage-Häuser. Auf wenigen Quadratmetern lagert persönliche Vergangenheit - und manchmal auch die Zukunft.

Von Eva Limmer

Seine Frau will sich scheiden lassen, deswegen braucht er jetzt Platz. Bei Karin Rück im Empfangsraum steht ein Mann mit zwei Kindern und will sich die Abteile zeigen lassen. Mit holländischem Akzent erklärt er, dass er zwei Kinderbetten und einen Schrank einlagern will. Vor allem schnell soll es gehen. "Ein typischer Kunde", sagt Karin Rück, die Managerin des Selfstorage-Hauses, ein grauer Klotz im Münchner Osten. "Nur wenige lagern ihre Sachen länger als ein halbes Jahr."

Selfstorage bedeutet Selbsteinlagerung. Der Trend kommt aus den USA, wo schon seit den Fünfzigern Garagenzeilen als Lager vermietet werden. In den vergangenen zehn Jahren gibt es auch in Deutschland immer mehr Lagerhäuser. Allein in München mehr als zehn. Der Markführer MyPlace betreibt sechs Häuser in der Stadt. Daneben bietet die Firma Zeitlager Abteile an drei Standorten an. Auch LagerLand und Lager4you vermieten Stellraum. "In München mietet man sich lieber ein Lagerabteil, bevor man auf die Suche nach einer größeren Wohnung geht", sagt Wolfgang Köhnk, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Selfstorage-Unternehmen. Die Probleme seien aber in allen Großstädten ähnlich: Feuchte oder nicht vorhandene Keller, bewohnte Dachböden und teurer Wohnraum.

Selfstorage

Alexander Gruber hofft auf den Vinyl-Trend. Lionel Richie könnte dann noch ein paar Euro bringen.

(Foto: Eva Limmer)

"Aufräumen muss ich demnächst"

Alexander Gruber ist ein Sammler. Sein Keller wurde mit der Zeit zu klein. Auf vier Quadratmetern bewahrt der 59-Jährige nun seinen Trödel auf. Zwischen zerlegten Ikea-Sesseln, Skateboard und zerkratzten Skischuhen ruht auch der Nachlass seiner verstorbenen Cousine in braunen Pappkartons. "Aufräumen muss ich demnächst", meint er betreten und schiebt seinen Hut zurück. Dann macht er einen Schritt in sein Abteil und fängt an zu kramen. Er lugt in eine der Kisten und zerrt fünf alte Schallplatten ins Neonlicht. Fast liebevoll streicht er dem Abbild von Lionel Richie eine Falte aus der Afro-Frisur. "Dafür bekomm ich auf dem Flohmarkt sicher noch ein paar Euro. Vinyl ist ja wieder in", sagt Gruber.

Nächstes Fundstück: ein Pärchen aus Porzellan, das sich anschmachtet. Leider nur eine Replik eines teuren Sammlerstücks. Weggeworfen hat es Gruber trotzdem nicht. "Wer weiß, ob ich sie nicht nochmal wo anbieten kann", sagt er. Seine Augen blitzen, als er eine alte Taschenuhr aus einem grünen Kistchen angelt. Sie glänzt golden und liegt auf einem samtigen Deckchen. Als Gruber das Ziffernblatt anfasst, fällt die Glasscheibe ab. Wertvoll ist kaum etwas in seinem Abteil.

Wer sich in dem Selfstorage-Haus einmietet, bekommt ein Abteil in Wunschgröße zugewiesen - von einem bis etwa fünfzig Quadratmeter, also in der Größe einer Ein-Mann-Heimsauna bis zur kleinen Wohnung. Je größer das Abteil und je länger es gemietet wird, desto günstiger wird es gemesssen am Quadratmeter. Dazu gibt es ein Vorhängeschloss und einen Zugangscode, mit dem man täglich von sechs bis 22 Uhr ins Haus kann. Hohe Zäune und Kameras in fast jeder Ecke sorgen zusätzlich für Sicherheit. Ein Lastenaufzug bringt die Kunden und ihre Fracht von der Parkfläche in die richtige Etage. Ab da wird es schwieriger: Blaue Blechtüren mit silbernen Nummerntafeln reihen sich in Betongängen wie in einem Gefängnis aneinander.

Orientierungslos zwischen blauen Türen

Christine Grüb verirrt sich auf dem Weg zu ihrem Abteil ein paar Mal, bevor sie vor der richtigen Tür steht. Sie zieht die Blechtür auf, die laut quietscht, und gibt den Blick auf einen braunen Kistenstapel frei. Was unscheinbar aussieht, ist Grübs Zukunft. Auf vier Quadratmetern lagern in den Kartons pinke Verpackungen und Beipackzettel für ihre Kosmetikprodukte. Im Februar hat sie sich mit einem Online-Shop selbstständig gemacht. Pro Monat kostet sie das Abteil 165 Euro. Sie zieht einen Plastiksack Federn aus dem obersten Karton. "Ich werde dann täglich hier sitzen, diese Federn beduften und meine Kosmetika verpacken. Wahrscheinlich hier auf dem Gang", sagt sie und zeigt in den Betonflur. Daheim habe sie keinen Platz für das Material. "In München ist Wohnraum eh schon knapp. Da möchte ich mir die Wohnung nicht auch noch vollstellen."

Auf der Parkfläche zerrt gerade ein junger Mann zwei Paletten buntes Vitamin-Wasser mit einem Hubwagen zu einem Lieferauto. Nicht nur Sammler und Nachlassverwalter nutzen die Abteile, auch Firmen, die keine eigenen Lagerhallen haben, bunkern ihre Waren in Selfstorage-Häusern. Der Branchenverband geht davon aus, dass Dreiviertel aller Kunden ihre Lager privat nutzen. "Neben ganzen Wohnungseinrichtungen oder Sportgeräten, lagern bei uns aber auch hunderte Flaschen Wein von Weinhändlern oder Waren verschiedener Online-Shops", sagt Andreas Eichinger, Verantwortlicher für die MyPlace-Häuser im süddeutschen Raum.

Selfstorage-Abteil in Berg am Laim

Das Bild der Großmutter zwischen Türkeil und Handtuch - alles sauber verstaut in einem Selfstorage-Abteil.

(Foto: Eva Limmer)

Mindestens für zwei Wochen muss man im Lagerhaus in Berg am Laim die Abteile mieten. Auch die Kündigungsfrist beträgt 14 Tage. Diese Flexibilität hat ihren Preis: Um die 30 Euro kostet ein Quadratmeter Lagerfläche pro Monat.

Teuer - findet Holger Püttcher. Auf gut eineinhalb Quadratmetern lagert er zwei Hartschalenkoffer und vier weiße Umzugskartons. In ihnen befindet sich der Hausrat seiner verstorbenen Eltern. Hauptsächlich sind es alte Kleidungsstücke, die er der Wohlfahrt spenden will. Darunter aber auch Erinnerungstücke wie eine Porzellandose mit bunten Vögeln drauf. Darin hat seine Mutter ihre Haarnadeln aufbewahrt. Auch ein Bild der Oma findet sich in den Kartons. Sanft lächelt sie aus einem ovalen Goldrahmen ihren Enkel an, als der die oberste Kiste aufmacht. Neben ihr liegen ein verpackter Türkeil und ein rosa Frottee-Handtuch. "Wegwerfen konnte ich das Zeug meiner Eltern nicht so einfach", sagt Püttcher. Bald will er allerdings sein Abteil wieder kündigen.

Der holländische Vater ist noch unentschieden, wie viel Platz er überhaupt braucht. Nach einem Rundgang durchs Lagerhaus, will er erst schauen, ob er die Betten auseinanderbauen kann. Ein Abteil wird er wegen seiner Scheidung aber sicher brauchen. Selbst einziehen darf er hier allerdings nicht - Lebewesen dürfen im Selfstorage-Haus nicht eingelagert werden.

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