Selbstversuch: Wellenreiten am Flughafen:Die erste Welle

München gilt als Riversurf-Paradies. Profis kommen aus aller Welt zum Eisbach, für Anfänger ist da kein Platz. Anders in diesen Tagen am Münchner Flughafen. Unser Autor hat sich zum ersten Mal auf ein Brett gewagt.

Benjamin Krischke

Die Mission führt mich an den Münchner Flughafen. Barfuß. Ich stecke in einem schwarzen Neoprenanzug, der eng anliegt, verdammt eng. Der Auftrag lautet: die stehende Welle im MAC-Forum des Flughafens selbst einmal zu testen und so bereite mich darauf vor, zum ersten Mal in meinem Leben auf ein Brett zu steigen.

Selbstversuch: Wellenreiten am Flughafen: sueddeutsche.de-Mitarbeiter Benjamin Krischke - wenige Minuten, bevor er das erste Mal in seinem Leben auf einem Surfbrett steht.

sueddeutsche.de-Mitarbeiter Benjamin Krischke - wenige Minuten, bevor er das erste Mal in seinem Leben auf einem Surfbrett steht.

(Foto: Kristina Milz)

München hat sich den Ruf erarbeitet, eine der Surfhauptstädte der Welt zu sein - wegen der River Surfer am Eisbach. Profis kommen aus aller Welt in die bayerische Landeshauptstadt, um fern vom Meer die Welle am Haus der Kunst zu reiten. Für Anfänger ist da kein Platz. Anders in diesen Tagen am Münchner Flughafen. Beim Festival Surf & Style kann jeder einmal ausprobieren, wie es ist, auf einem Brett zu stehen.

Am Montagnachmittag, so möchte man meinen, könne man das relativ intim tun. Weit gefehlt, denn "The Wave", wie die künstliche Welle offiziell heißt, lockt auch an diesem Tag eine Schar von Besuchern an. Während es sich also zahlreiche Menschen in den Liegestühlen, oder auf den Treppenabsätzen bequem machen, stehe ich am Rand und lausche den ersten Instruktionen einer jungen, blonden Surferin.

Zunächst geht es um Grundsätzliches. Mein starkes Bein ist das rechte, also fahre ich "Regular". Das bedeutet: Das rechte Bein ist hinten. Wie beim Snowboarden oder Skateboarden. Die künstliche, stehende Welle sei von den Bewegungsabläufen her viel sensibler als eine natürliche. Mit dem kleinsten Dreh nach außen kann man sich fortbewegen. Und immer daran denken, Blick nach vorne, nicht nach unten, wie beim Autofahren. Autofahren? Gut, dass ich keinen Führerschein habe.

Zum Glück bin ich nicht der Einzige, der an diesem Tag das erste Mal auf einer stehenden Welle reiten will. Vor mir steht ein Mann um die vierzig, hinter mir ein kleiner Junge, schätzungsweise zehn Jahre alt, mit rotem Helm und bunter Badehose.

Ein paar Minuten später: Ein Crewmitglied im gelben "Staff"-Shirt erklärt mir, was ich jetzt zu tun habe. Zunächst auf den Rand setzen, das Brett schon einmal mit dem rechten Fuß hinunter drücken und kurz den Druck der Welle und die Bewegungen meines Surfbretts auf mich wirken lassen. "Ja, gut so! Auf geht's!". Zumindest wird man hier angefeuert. Jetzt vorsichtig den linken Fuß aufs Brett setzen, noch ein bisschen weiter vor - und aufrichten!

Das Gute: Dies geht ziemlich einfach. Denn es gibt eine Stange, die man extra für Anfänger wie mich installiert hat. Da stehe ich also, klammere mich an die Stange im Wasser, geschätzte 300 Augenpaare sind auf mich gerichtet.

Zwei Sekunden Glück

Und nun - wie der Mitarbeiter gesagt hat - langsam die Schulter nach rechts drehen, so " als würde man jemandem etwas anbieten". Und tatsächlich, das Brett bewegt sich nach rechts. Ich triumphiere! Ich habe die Naturgewalt bezwungen - auch wenn ich nicht im Meer oder auf dem Eisbach stehe, sondern in einem künstlich angelegten Wasserbecken.

Ich stehe, immer noch an der Stange geklammert, drei Sekunden lang. Dann begräbt mich das Wasser unter sich und spült mich an den Rand - so weit, so furchtbar unprofessionell.

Doch schämen kann ich mich auch später noch, also schnell ein zweiter Anlauf. Der funktioniert schon etwas besser und bringt eine Konsequenz mit sich: dezente Überheblichkeit beim Anfänger. Als ich versuche freihändig zu surfen werde ich sofort wieder weggespült.

Also noch ein drittes Mal auf das Brett! Wieder hinein ins Wasser, zuerst den rechten Fuß auf das hintere Ende drücken, dann den linken nach vorne schieben, und aufrichten. Dieses Mal will ich wenigstens einmal kurz freihändig surfen, nur einmal, bitte liebes Universum!

Unter den Anfeuerungsrufen des Crewmitglieds am Rand, stehe ich wieder auf dem Brett, während ich nach kurzer Zeit bemerke, welcher Kraftanstrengung es eigentlich bedarf, den Druck auf das Brett aufrecht halten. Ein Mitarbeiter hatte sogar gewarnt, dass Krämpfe im hinteren Bein auftreten können. So weit kommt es nicht, aber ich merke schnell, wie meine Kraft schwindet.

Alles oder nichts! Da nicht nur mein rechtes Bein, sondern auch mein rechter Arm stärker ist als sein Pendant auf der anderen Seite, öffne ich zuerst meine linke Hand und lasse los. Ich spüre den Gegendruck der Welle, fast so, als wolle sie mich vom Brett schmeißen. Dann konzentriere ich mich, öffne meine rechte Faust und lasse los.

Da stehe ich also, klammere mich nicht mehr an die Stange und habe das Gefühl, dass gar keine Augenpaare mehr auf mich gerichtet sind. Es mag seltsam klingen, aber für diesen kleinen Moment kann ich spüren, wie mein Körper und seine leichten Bewegungen auf dem Wasser eins werden mit der Welle. Zwei, drei oder vielleicht sogar vier Sekunden lang ist die Welle meine Welle. Dann reißt der Druck mich vom Brett.

Als ich aus dem Becken steige, atme ich schwer, bin aber ziemlich glücklich. Zumindest solange, bis ich mich in der kleinen Kabine mit dem Strohdach umziehen muss. Wie unbequem so ein Neoprenanzug ist, wie schwierig es ist, sich aus ihm zu schälen! Ob ich jemals wieder auf ein Brett steige?

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