Selbstjustiz:Eine Watschn und ihre Folgen

Ohrfeige führt zu Anzeigen und kostet Wachmänner den Job.

Von Christian Rost

Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein konnten Lehrer ihrer Wut ungestraft freien Lauf lassen und Schüler durch Handanlegung erziehen. An-den-Ohren-ziehen war da ein probates Mittel, mitunter kassierte mancher auch eine Ohrfeige, was in Bayern fast zärtlich Watschn heißt, trotzdem aber gemein weh tun kann.

Diese Zeiten sind vorbei, zumindest an den Schulen, bei der Deutschen Bahn aber greift man mitunter noch durch. Jedenfalls hat kürzlich ein Fahrdienstleiter "im Affekt" einem Elfjährigen eine geschallert - und damit gleich eine ganze Lawine von Straftaten losgetreten.

Die Geschichte beginnt damit, dass Ende August mehrere Kinder am Stellwerk in Milbertshofen spielten und dabei Dämmplatten am Bahngebäude beschädigten. Der 47-jährige Fahrdienstleiter sah das, stellte einen Buben und knallte ihm eine. Der Schüler berichtete freilich zu Hause davon - und brachte damit seinen Stiefvater auf die Palme.

Ein paar Tage später erschien der 29-jährige Mitarbeiter eines Wachdienstes bei der Bahn und handelte nach dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er schlug den Fahrdienstleiter kurzerhand krankenhausreif. Mit gebrochenen Nase und Schädelprellung kam dieser in die Klinik. Nun begann der Bundesgrenzschutz (BGS) zu ermitteln.

Der Sicherheitsmann konnte bald als mutmaßlicher Schläger ausgemacht werden, er setzte aber alles dran, seinen Ausraster nicht verantworten zu müssen. Vor einer Gegenüberstellung beim BGS rasierte er sich gründlich und änderte auch sonst allerlei an seiner Optik, um nicht wiedererkannt zu werden. Der Fahrdienstleiter blieb aber dabei und meinte: Der war's.

Geht gar nicht, hielt der Wachmann entgegen, er sei zur Tatzeit arbeiten gewesen. Sein Dienstplan und seine Kollegen würden dies bestätigen. Beides traf auch zu, doch nach längerem Bohren fand der BGS heraus, dass der Dienstplan gefälscht worden war und die Kollegen dem Stiefvater ein falsches Alibi verschafft hatten.

Aus der Ohrfeige wurde damit: eine Anzeige gegen den 29-Jährigen wegen Körperverletzung und gegen seine Kollegen wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung. Zusätzlich droht allen Beteiligten der Rausschmiss aus der Sicherheitsfirma. Wegen einer Watschn.

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