Süddeutsche Zeitung

Kurse im Bierbrauen:Es gärt im Keller

Helmut Rank macht sein Bier seit 40 Jahren zu Hause selbst - und weiht inzwischen als Lehrer auch andere in die Geheimnisse des Brauens ein.

Von Günther Knoll

Manche tun es in der Garage, manche in der Küche oder im Geräteschuppen - Helmut Rank hat sich dafür im Keller seines Hauses in Großhelfendorf sein eigenes kleines Reich eingerichtet. "Das ist wie eine elektrische Eisenbahn", erklärt er dem Gast, als der beim Eintreten auf die Anordnung von Edelstahl-Bottichen und Pumpen blickt. Beim Bau des Hauses sei ihm klar gewesen, "dass da Brauerei und Bräustüberl hinmüssen", sagt der rüstige Mittsechziger und beginnt sogleich von seiner Leidenschaft zu erzählen, zwei Stunden lang ebenso flüssig und würzig, wie es die Kostproben sind, die es zwischendurch gibt.

Helmut Rank ist passionierter Hobbybrauer und das seit ungefähr vierzig Jahren. Ans genaue Datum seines ersten Suds kann er sich gar nicht mehr erinnern. Aber dass es damals ein "sehr hopfiges Weißbier" war, das weiß er noch ganz genau. Irgendwann bei einer Mass im Biergarten habe er sich damals überlegt, wie das eigentlich zustande komme, was er da trinke. Und dann habe er begonnen, die damals noch recht spärliche Literatur zu studieren, bei Brauereiführungen ganz genau hinzusehen und die Schritte des Brauprozesses einzeln auszuprobieren.

Erst dann hat er zu brauen begonnen, "aber nur ganz selten", denn als Mitarbeiter der Stadt München habe er mit dem Kinderferienprogramm genug zu tun gehabt. Inzwischen ist Rank Pensionist und als Brauer so versiert, dass er sein Wissen und Können in Volkshochschulkursen bereitwillig weitergibt. Sogar eine Webcam hat er im Keller montiert, damit ihm jeder beim Brauen zusehen kann. Betriebsgeheimnisse gibt es bei ihm nicht. "Was ist, wenn ich da draußen zusammengefahren werde?", fragt er.

Interessenten in Sachen Braukunst gibt es genug. Seit ungefähr 15 Jahren, so hat Rank beobachtet, bilde sich auch in Bayern eine wachsende Szene aus Hobbybrauern. Das sei kein Wunder, "denn da hat jeder seinen Spaß dran". In Bergkirchen bei Dachau hat Rank immer besonders starken Zulauf, wenn er Kurse hält. "Da wird wohl inzwischen in jedem Haus gebraut", vermutet er schmunzelnd. Bei den Münchner Hausbrauern haben sich längst mehr als hundert Mitglieder registriert. Und selbst in dem kleinen Haarer Ortsteil Ottendichl wohnen drei Hobbybrauer so eng beieinander, dass sie die entsprechende Stichstraße gleich in "Braugasse" umbenannt haben. Brauen darf jeder für den eigenen Bedarf, er muss es aber beim Zoll anmelden. 200 Liter jährlich sind steuerfrei, danach wird nach Menge und Stammwürze Steuer erhoben. Der Papierkrieg kommt bei kleinen Mengen teurer als der Beitrag für den Fiskus. Rank etwa zahlt für einen 50 Liter-Sud nicht einmal fünf Euro.

So viel Geld muss man auch für so manche Flasche Spezial-Gebräu hinlegen, die etwa über das Biervana Craftbeer House in Schwabing in den Handel gelangt. Denn Biere Marke Hausmacher sind gefragt und - im wahrsten Sinn des Wortes - hoffähig geworden: Die amtierende Bayerische Bierkönigin Marlene Speck aus Starnberg stammt nicht etwa wie früher für dieses Amt üblich aus einer Brauerdynastie oder der Gastronomie. Sie studiert in Köln Interkulturelle Kommunikation und hat ihre Wahl nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass sie bekennende Hobbybrauerin ist. Auf den Geschmack kam sie nach eigenen Aussagen bei einem Kanada-Aufenthalt nach dem Abitur. Die sogenannten Craft-Biere aus den vielen kleinen Garagenbrauereien dort hatten es ihr so angetan, dass sie, zurück zu Hause, sich selbst eine kleine Anlage zulegte. Für gut 500 Euro sind die Bottiche samt Zubehör inzwischen zu haben.

Spannend wird es mit den Zutaten, da sind sich die Bierkönigin und Rank einig, auch wenn man sich streng an das bayerische Reinheitsgebot für Bier hält, das nur Hopfen, Wasser und Gerste, die zu Malz wird, zulässt. Denn da gibt es die unterschiedlichsten Sorten, die man immer wieder neu variieren kann, um so unterschiedliche Geschmacksrichtungen zu erreichen. Für Weißbier, das bei Hobbybrauern besonders gefragt, ist, kommt auch Weizen dazu, der dem Getränk seinen eigentlichen Namen gibt.

Wenn seine Kursteilnehmer bei allem Spaß sehen, wie sauber, genau und intensiv gearbeitet werden muss, damit ein Sud gelingt, "dann trinken sie bei der anschließenden Kostprobe immer ganz andächtig", hat Rank beobachtet. Still und konzentriert wirkt auch der Meister selbst, als er das gerade erst angesetzte obergärige Helle probiert. "Wichtig ist die Sauberkeit, "dann wird immer ein Bier draus", doziert er und hebt ganz vorsichtig den Deckel vom Gärbottich ab, um dann ebenso vorsichtig mit einem Schöpflöffel ein wenig goldbraune Flüssigkeit zu entnehmen. Der Sud hat erst zu gären begonnen, aber schon "einen schönen Schaum", wie Rank selbst lobt. Und den typischen Biergeschmack, wie sich beim ersten Schluck herausstellt. Mit Hopfen und Malz zu experimentieren, das macht für viele das Selbstbrauen so spannend. Große Brauereien könnten sich das gar nicht leisten, die müssten sich nach dem Massengeschmack richten, sagt Rank. Er braue sogar für das Hopfenversuchsgut in Hüll in der Hallertau, wenn dort wieder einmal eine Neuzüchtung getestet werden soll.

Inzwischen steht Weißbier im kleinen Probierglas auf dem Tisch. Es gehe darum, "mit dem Bier die Zunge zu verführen, und überhaupt nicht um den Rausch", erklärt Rank und hält das Glas gegen das Fenster, um Farbe und Schaum zu begutachten. Draußen stehen tatsächlich ein paar Hopfenstangen, zwischen denen sich grüne Pflanzen emporranken. Rank hat seinen eigenen Hopfengarten, in den er alljährlich die Nachbarn zum Zupfen einlädt. Die Dolden reichten höchstens für fünf Liter Bier, "getrunken werden mindestens zehn". Hopfen baute er schon in seinem Schrebergarten an, als er noch in München wohnte. Und weil der Garten an der Theresienstraße lag, kam es auch zu dem Namen "Theresienbrauerei". Auf den ist "Bräu" Rank besonders stolz, er hat ihn patentieren lassen, "auch wenn mich das ganz schön Geld kostet". Der Schriftzug und das Gelb-Rot-Grün sind Ranks Markenzeichen, sie zieren selbst entworfene Etiketten, Bierdeckel und auch die Homepage.

Abgefüllt und etikettiert wird bei den kleinen Mengen natürlich per Hand. Die Bügelflaschen der Theresienbrauerei sind Unikate, die Rank verschenkt oder zu Feiern und ähnlichen Gelegenheiten mitbringt. Manchmal auch zur Einkehr bei der benachbarten Ayinger Brauerei, denn dort müsse er dem Braumeister schon zeigen, "was ein Bier ist". Begehrt ist offensichtlich nicht nur das Bier der Theresienbrauerei, Sammler sind auch scharf auf die Bierdeckel: Auf einem Flohmarkt hat Rank selbst einen entdeckt, der dort für 17 Euro angeboten wurde. Manche machten auf dem Weg in den Süden extra einen Umweg über Großhelfendorf, um ein "Fuizl" zu bekommen, doch Rank will damit nichts verdienen. Ihm geht es beim Brauen "ums Tüfteln" ,wie er sagt, am liebsten "zu zweit mit einem Freund, denn dann ist es lustiger".

Manchmal braut er auch für einen Hopfenbauern in der Hallertau mit dessen eigenen Dolden, das sei für den dann "ein besonderes Erlebnis". Langweilig wird es dem Hobbybrauer auch in Zukunft nicht, denn es gebe so viele Hopfensorten, "da kann man ewig rumprobieren". Das tun auch die anderen Hobby- und Kleinbrauer, längst werden die Biere nach Fruchtaromen charakterisiert wie Wein. Und Rank prophezeit: "Jetzt kommt bald ein dunkles Pils". Das ist aber noch lange kein Grund, für das Hobbybrauen schwarzzusehen.

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SZ vom 24.07.2015/infu
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