Süddeutsche Zeitung

Scooter in München:Klassentreffen am Ballermann

Aus dem Gitarrenhals schießt ein Feuerwerk und die Zuschauer brüllen Urlaute: Das Konzert von Scooter in München ist einfach - nun ja - Wahnsinn.

Lisa Sonnabend

Plötzlich macht es ganz laut "Plopp" und alle jubeln. Die Flammenwerfer ballern, was das Zeug hält, H.P. Baxxter hüpft auf die Bühne, als wäre er ein Känguruh, das sich vor dem ganzen Lärm erschreckt hat. Bereits der Auftakt zum Konzert von Scooter am Donnerstagabend im Münchner Zenith, ist - nun ja, wie soll man sagen - Wahnsinn.

Scooter sind die einzige Techno-Truppe der neunziger Jahre, die es geschafft haben, das 21. Jahrhundert zu erreichen, - und heute gar als eine der erfolgreichsten Bands des Landes gelten.

Mit dem Song "Stuck on replay" haben Scooter erst kürzlich den Song für die WM 2010 geschrieben - allerdings Eishockey, nicht Fußball natürlich. Und der ist eine ziemlich "geile Nummer", findet zumindest der wasserstoffblonde Sänger H.P. Baxxter. Lasziv stemmt der 44-Jährige seine eine Hand in die Hüfte und reckt die andere in die Luft, bis der Beat so richtig loshämmert.

Die Fans in München haben neongrün leuchtende Armbänder oder leuchtende Halsketten umgebunden. Manche haben sogar leuchtende Sonnenbrillen auf. Andere wiederum tragen gelbe Westen und sind kaum noch von den Security-Ordnern zu unterscheiden. Und der Typ nebenan macht eifrig von seiner Trillerpfeife Gebrauch.

Auf der Damentoilette brüllen sich währenddessen zwei Frauen an. Die eine: "Ich höre mich selber nicht mehr reden - kennst du das?" Die andere: "Waaas? Ich verstehe kein Wort!"

Woran liegt es, dass ein Konzert von Scooter 16 Jahre nach ihrem Hit "Hyper Hyper" zwar nicht ausverkauft, aber gut gefüllt ist? Warum bekommt der Mann mit Schnurrbart plötzlich einen ganz verklärten Blick? Warum achten die Frauen in Minirock nicht mehr auf die Blicke der anderen? Und warum schauen die unter Drogeneinfluss stehenden Menschen an diesem Abend plötzlich wieder geradewegs nach vorne - zumindest nach vorne zur Bühne?

Das ist einfach Wahnsinn. Denn an der blassen Stimme von H.P. Baxxter kann es nicht liegen. An der immer gleich hämmernden Musik auch nicht. Ebenso wenig an den Texten, "The question is what is the question" ist noch eine der tiefsinnigsten Passagen.

H.P. Baxxter, der eigentlich Hans Peter Geerdes heißt und sich den Fans als "H.P. Fucking Baxxter" vorstellt, redet meistens nur Englisch mit seinem Publikum: "Are you ready for some techno music?" oder "I can't hear you, Munich!" Und das antwortet hörig mit "Yeeeeah!", "Oi oi oi!" oder einem anderen Urlaut.

Wenig später kommt H.P. Baxxter mit einem Instrument auf die Bühne. Ein leichtgläubiger Zuschauer meint noch zu seiner Begleiterin: "Oh, schau mal, der kann ja auch Gitarre spielen." Währenddessen brüllen die Abgeklärten bereits: "Fire! Fire!" Und schon schießt ein Feuerwerk aus dem Gitarrenhals.

"Hölle Hölle" statt "Hyper Hyper"

Der Abend ist eine Art Klassentreffen am Ballermann, eine richtige Sause mit Bekannten, mit denen einen früher einmal etwas Tiefes verbunden hat und mit denen man auch heute noch ab und an einen lustigen Abend verbringen kann.

Vor wenigen Monaten sind Scooter schon einmal in München gewesen. Auf dem Oktoberfest feierten sie den Release ihres Albums "Under the Radar Over the Top". In einem Interview mit der Berliner Zeitung erklärte H.P. Baxxter, die Wiesn gefalle ihm, weil sie wie "ein gesitteter Rave" sei. "Du triffst Leute wie Florian Silbereisen und merkst, dass die ganz anders sind, als du dachtest. Ganz locker eben."

Der Nicht-Scooter-Fan wähnt sich an diesem Abend jedoch nicht in Gesellschaft von Florian Silbereisen, sondern in der von Wolfgang Petry. "Denn das ist Wahnsinn. Warum schickst du mich in die Hölle?"

Als Zugabe gibt es noch den Song "Maria, I like it loud", der noch deutlich mehr nach Scooter klingt als die Lieder zuvor. Das Publikum reckt die Hände in Luft und brüllt: "Döööp döp döp döp döööp döp döp döp".

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