Münchner Innenstadt:Verfassungsschutz warnt vor Scientology-„Tarnorganisation“

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Scientology bestätigt in einer Presseerklärung vom vergangenen Wochenende den Zusammenhang der Aktion mit der Fußball-EM (Symbolbild). (Foto: IMAGO/xlucidwatersx/IMAGO/Pond5 Images)

Ein von Scientologen gegründeter Münchner Verein versucht, mit einer Anti-Drogen-Kampagne junge Menschen anzusprechen. Auch gezielt während der Fußball-EM.

Von Martin Bernstein

Ein Münchner Verein, der enge Beziehungen zur Scientology-Organisation (SO) unterhält, betreibt derzeit mit Ständen in deutschen Innenstädten eine Anti-Drogen-Kampagne. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) sieht einen Zusammenhang mit der am Sonntag zu Ende gehenden Fußball-Europameisterschaft und spricht von einer Scientology-„Tarnorgarnisation“.

Verfassungsschützer sehen die „vermeintliche Drogenprävention als Trojanisches Pferd“: Dabei solle „unter dem Vorwand der Drogenprävention eine großangelegte Kampagne zur Ansprache neuer Zielgruppen“ stattfinden, wie es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des Landesamts heißt.

Der Verein „Sag Nein zu Drogen - Sag Ja zum Leben“ wurde „in Deutschland im Jahr 2003 von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet“, heißt es im Impressum. Vereinssitz ist in einem Mehrparteienhaus an der Waldfriedhofstraße im Münchner Südwesten. An der Haustüre findet man dort neben den Namen des Vereins und seines Vorsitzenden sowie einer Mobiltelefonnummer den Hinweis „Ohne Klingel“. Wer etwas abzugeben habe, möge das im Geschäft nebenan tun.

Die Süddeutsche Zeitung hat dem Verein einen umfangreichen Fragenkatalog zukommen lassen. Am Freitagvormittag meldete sich unter der Mailadresse des Vereinsvorsitzenden Jürgen Heise seine Stellvertreterin Laura Kochsiek zu Wort und warf dem BayLfV „Propaganda“ und „Unterstellungen“ vor.

Die konkreten Fragen zum Verhältnis zwischen dem Münchner Verein und der SO beantwortet Kochsiek nur zum Teil. Sie bestätigt, dass sie Scientologin sei. Die verteilten Materialien seien jedoch „weltanschaulich in jeder Hinsicht neutral“ – der Verein werde allerdings „von Scientologen ehrenamtlich durch ihr Mitwirken gefördert“. Eine Frage, die von der SZ gar nicht gestellt wurde, beantwortet die Scientologin gleich mit: „Keine Scientology Kirche erhält die Kontaktdaten der Personen, die sich bei uns nach Aufklärungsmaterialien erkundigen.“

Als Sitz sowohl der „Scientology Kirche Deutschland“ als auch der „Scientology Kirche Bayern“ ist München ein Zentrum der SO in Deutschland. In Bayern soll Scientology nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes rund 1300 Mitglieder haben. Die SO baue auf „ein totalitäres Herrschaftssystem, das Gewalt und Willkürherrschaft einschließt“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

Im Zusammenhang mit der Kampagne des Münchner Vereins spricht der Verfassungsschutz von „einer offenbar konzertierten, sehr wahrscheinlich längerfristig geplanten Aktion“. An Infoständen – auch in München – werde dabei auch auf eine weitere Scientology-nahe Organisation verwiesen. Deren mehrsprachige Webseite täusche durch ein Logo eine vermeintliche Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei vor.

Der Münchner Verein wird im aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht als Tarnorganisation der SO eingestuft. Scientology wolle damit auch Personen erreichen, die ihr zunächst ablehnend gegenüberstünden. „Hauptmotiv der aktuellen Kampagne dürfte es sein, vor dem Hintergrund der jüngsten Cannabis-Legalisierung in der Bundesrepublik, über ein anschlussfähiges Thema insbesondere junge Menschen anzusprechen“, analysiert der Verfassungsschutz. Mit der Verteilaktion während der Fußball-Europameisterschaft an Spielorten solle „ein möglichst breites, auch internationales Publikum“ erreicht werden.

Außer an Infoständen und durch Direktansprachen von Passanten auf der Straße versuche der Scientology-nahe Verein, seine Materialien auch in großer Zahl in stark frequentierten Ladengeschäften, im Lebensmittelstraßenverkauf, in der Gastronomie, an Tankstellen und in Apotheken in der Münchner Innenstadt auszulegen und so in Umlauf zu bringen.

Scientology bestätigt in einer Presseerklärung vom vergangenen Wochenende den Zusammenhang der Aktion mit der Fußball-EM. 135 000 „Aufklärungshefte“ seien durch „Mitglieder und Förderer“ des Vereins „Sag Nein zu Drogen“ in den ersten drei Wochen bereits verteilt worden. Was an den Infoständen passiert, beschreibt Scientology selbst so: „Viele bekräftigen mit ihrer Unterschrift auf einer großen Tafel, dass sie ein drogenfreies Leben führen werden.“

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