Migranten in München (2): Studie des Sub:Doppelt diskriminiert

Eine Studie offenbart erstmals Erkenntnisse über das Leben von schwulen Migranten in München. Manche Ergebnisse widerlegen Klischees, andere zeigen Erschreckendes auf.

Lisa Sonnabend

Der Mann, der in der schwulen Community Münchens eine Debatte über Integration, ganz anders als die von Thilo Sarrazin, ausgelöst hat, sitzt in seinem kleinen Büro der Beratungsstelle des schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum (Sub) in der Pestalozzistraße. Eine Tasse Espresso steht vor ihm, auf dem Computerbildschirm ist ein Balkendiagramm zu sehen. Sascha Hübner, ein 39-Jähriger Diplom-Psychologe, hat eine Umfrage organisiert, die erstmals die Lebenssituation schwuler Migranten in München erforscht. Nicht wenige der Ergebnisse überraschen.

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Die Studie des Sub zeigt Erschreckendes: Schwule mit Migrationshintergrund werden oft doppelt diskriminiert - wegen ihrer Herkunft und wegen ihrer sexuellen Identität.

(Foto: iStockphoto)

Mehr als 100 Migranten aus der Stadt haben an der Umfrage des Sub teilgenommen. Sie kommen aus 43 verschiedenen Herkunftskulturen, Kamerun, Serbien, Thailand, Polen oder Brasilien. Repräsentativ sind die meisten Ergebnisse zwar nicht, doch sie geben interessante Einblicke in das Leben der schwulen Migranten. "Und sie widerlegen so manches Klischee", sagt Hübner und klickt eine Grafik auf der Powerpoint-Präsentation an.

Die Studie zeigt: Schwule Migranten trauen sich sehr wohl, offen homosexuell zu leben; sie haben keine größere Angst vor dem Outing als Deutsche. Mehr als 80 Prozent der Befragten hat sich im Freundeskreis geoutet, mehr als 65 Prozent bei der Mutter und immerhin 50 Prozent beim Vater. Die Zahlen sind vergleichbar zu denen von homosexuellen Deutschen. Hübner sagt: "Einem Mann aus einer erzkonservativen Altöttinger Familie fällt das Outing schließlich auch nicht leicht."

Die Studie bringt auch Erschreckendes zu Tage: "Mehr als die Hälfte der Befragten ist schon einmal Opfer verbaler oder körperlicher Übergriffe geworden", sagt Hübner. Schwule mit Migrationshintergrund werden oft doppelt diskriminiert - wegen ihrer Herkunft und wegen ihrer sexuellen Identität. Und das sowohl von Hetero- wie Homosexuellen. Denn die schwule Szene ist der Umfrage zufolge zwar toleranter gegenüber der Herkunft einer Person als die Gesamtbevölkerung - aber nicht sehr stark.

Das Münchner schwule Kommunikations- und Kulturzentrum nimmt seit 2008 an dem städtischen Projekt Interkulturelle Qualitätsentwicklung (IQE) teil. Das Ziel: Das Kulturzentrum und die Beratungsangebote attraktiver für Schwule aus anderen Ländern zu machen. Die ersten Maßnahmen wurden inzwischen umgesetzt: Die Webseite des Sub und Flyer sind auf verschiedene Sprachen übersetzt worden, Berater wurden in Asyl- und Zuwanderungsrecht geschult, die Zusammenarbeit mit Migrationseinrichtungen wie Refugio und dem Bayerischer Flüchtlingsrat wird intensiviert. Und nun ist die Umfrage des Sub veröffentlicht worden.

Die Umfrage offenbart auch für das Sub interessante Erkenntnisse: Denn zu wenige Migranten kennen das Beratungsangebot des Vereins. Dies kann fatal sein, denn eine Beratungsstelle kann für Opfer von Diskriminierung als letzter Anker dienen. In Flüchtlingsunterkünften, so erzählt Hübner, würden Schwule manchmal regelecht gemobbt. "Sie werden beschimpft, verfolgt und ihre Wohnungstüren eingetreten." Oft bleibe ihnen nur die Flucht. Aber auch bei der alltäglicheren Frage, wie ein schwules Leben zwischen verschiedenen Welten gelingen kann, ist die Beratungsstelle des Sub zuständig.

Auch Verbesserungsvorschläge für das schwule Kommunikations- und Kulturzentrum sind in der Umfrage erhoben worden. So wünschen sich die Migranten ein Angebot mit Deutschkursen, internationalen Filmabenden oder Bewerbungstraining. "Wir arbeiten nun an der Umsetzung", sagt Hübner.

Auf eines haben die homosexuellen Migranten laut Studie jedoch gar keine Lust: Kochabende. Da dürfte was dran sein. Denn vor einiger Zeit lud das Sub zu einem internationalen Kochabend. Es erschien kaum jemand.

Am Donnerstag, den 25. November stellt Sascha Hübner die Ergebnisse seiner Studie im Sub vor, Müllerstraße 43, 1. Stock. Beginn ist um 19:30 Uhr, der Eintritt ist frei.

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