Schwimmunterricht:München hat viel zu wenig Schulbäder

Schwimmkurs für Kinder in München

Auch Schwimmen will gelernt sein: Immer mehr Schüler in München können es aber nicht richtig.

(Foto: Catherina Hess/Catherina Hess)
  • Nach Angaben der Stadt kann die Hälfte der Münchner Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren keine 25 Meter weit schwimmen.
  • Es gibt weder genügend Sportlehrer noch ausreichend Hallenbäder.
  • Vorschriften zufolge wären 90 Becken nötig, zur Verfügung standen im vergangenen Schuljahr aber nur 28.

Von Jakob Wetzel

Es hat noch nicht einmal für die Grundversorgung ausgereicht. In München gibt es 260 allgemeinbildende Schulen. An 30 von ihnen aber gab es im vergangenen Schuljahr laut Bildungsreferat gar keinen oder zu wenig Schwimmunterricht. Dabei steht Schwimmen auf dem Lehrplan für alle Jahrgangsstufen - und viele Kinder hätten den Unterricht auch bitter nötig. Immer weniger von ihnen können sich halbwegs über Wasser halten; laut einer Umfrage der Stadt von 2016 kann die Hälfte der Münchner Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren keine 25 Meter weit schwimmen. Für einen flächendeckenden Unterricht aber fehlt es überall: Es gibt weder genügend Sportlehrer noch ausreichend Hallenbäder.

Zumindest Letzteres soll sich nun ändern. Die Stadt will in den nächsten Jahren zehn neue Schulschwimmbäder bauen. Das haben der Bildungs- und der Sportausschuss des Stadtrats am Mittwochnachmittag einstimmig beschlossen. Genaue Standorte stehen noch nicht fest, die meisten der neuen Bäder sollen aber in äußeren Stadtbezirken errichtet werden - in der Innenstadt ist kaum noch Platz. Zusätzlich haben die Stadträte ein neues Standard-Raumprogramm verabschiedet, damit die Hallenbäder von Schulklassen wie von Sportvereinen vielseitig genutzt werden können. Es ist zu erwarten, dass die Vollversammlung des Stadtrats zustimmt.

Für die Stadt geht es dabei auch darum, eigene Versäumnisse nachzuholen. Denn zwar ist der Freistaat für die Lehrkräfte zuständig, die Stadt aber muss sich um die Gebäude kümmern. Und dabei hat sie den Schwimmunterricht offensichtlich lange vernachlässigt. In den vergangenen 30 Jahren ist hier nur ein einziges Schulhallenbad neu errichtet worden. Viele der bestehenden Anlagen hingegen sind älter als ein halbes Jahrhundert.

Die Folge ist: Von den aktuell 33 Schulschwimmhallen in München waren im vergangenen Schuljahr wegen Sanierungsarbeiten nur 28 zu benutzen. Um den Bedarf zu decken, mietet die Stadt seit Jahren Becken in Bädern anderer Betreiber. Zuletzt bezahlte sie für acht Hallenbäder der Stadtwerke und für drei private. Doch in den Bädern der Stadtwerke fand parallel der normale Badebetrieb statt, was den Lehrern die Aufsicht erschwerte; und die Miete für die privaten Anlagen ist teuer. Zudem sind die Bäder zum Großteil überlastet: Die zuletzt genutzten Anlagen waren im Schnitt zu knapp 111 Prozent belegt, drei Hallen sogar zu mehr als 200 Prozent. Hier war ein Becken zur gleichen Zeit durchschnittlich für mehr als zwei Sportklassen reserviert.

Kurzfristig ist zumindest etwas Linderung der Bädernot in Sicht: Drei der städtischen Schulschwimmhallen, die zuletzt saniert wurden, sollen in diesem Schuljahr wieder öffnen. Fünf weitere Hallen sind schon geplant, eine davon bereits im Bau. Voraussichtlich in fünf Jahren gäbe es demnach 38 Hallen. Doch auch das ist nicht genug. Nach den Maßstäben der bayerischen Schulbauverordnung müsste die Stadt für ihre aktuell 5434 Sportklassen mindestens 90 Wasserbecken vorhalten. Das aber sei in einer Großstadt nicht umzusetzen, erklärt das Bildungsreferat.

Es reicht nicht für die Grundversorgung

Außerdem reichten hier weniger Bäder, da die Schulen Synergien nutzen und die Stadt fremde Bäder dazumieten könne. Zehn neue Bäder seien vorerst genug. Diese freilich sollen zeitgemäß ausgestattet werden. Das neue Standard-Raumprogramm sieht ein 25-Meter-Becken mit höhenverstellbarem Boden vor, außerdem vier Sammelumkleiden pro Becken, damit sich Mädchen und Buben zweier Klassen jeweils parallel umziehen können, so dass beim Stundenwechsel kein Stau entsteht, sowie unter anderem separate Umkleiden für Lehrer und Besucher-Toiletten.

Und die Stadt hat nicht nur Baupläne. Generell will sie derzeit mit einer großen "Schwimmoffensive" bewirken, dass künftig zumindest 90 Prozent der Kinder nach der vierten Klasse so gut schwimmen können, dass sie das Frühschwimmer-Abzeichens "Seepferdchen" bestehen können. Schon seit 2016 bietet die Stadt daher spezielle Schwimmkurse an. Und seit diesem Jahr haben interessierte Schulen die Möglichkeit, im Juli, wenn viele Hallenbäder leer stehen, binnen einer Woche den Schwimmunterricht des ganzen Schuljahres nachzuholen. Am "Großen Schwimmfinale" haben in diesem Jahr bereits 40 Schulen mit etwa 150 Klassen teilgenommen. "Der Königsweg wird sein, das weiter zu etablieren", sagte Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) am Mittwoch.

Jutta Koller (Grüne) regte im Ausschuss außerdem an, Schwimmschullandheime einzurichten. Viele Kinder führen ja auch ins Skilager, sagte sie. "Kein Mensch, der nicht Skifahren kann, hat ernsthafte Probleme. Aber wer nicht schwimmen kann, der kann ertrinken."

Lehrer müssen sich stärker engagieren

Freilich: Auch wenn die Stadt ihr Ziel erreichen sollte, sicher schwimmen können die Kinder auch dann noch lange nicht. Für das "Seepferdchen" müssen sie sich lediglich 25 Meter weit über Wasser halten und in schultertiefem Wasser nach einem Ring tauchen können. "Das Seepferdchen soll eigentlich nur ein Anreiz für die Kinder sein, sich überhaupt mit dem Schwimmen zu beschäftigen", sagt Michael Förster von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG. "Wir würden uns wünschen, dass die Schüler nach der vierten Klasse das Jugendschwimmabzeichen in Bronze haben, den früheren Freischwimmer." Erst dann könnten Eltern beruhigt sein, wenn Kinder ins Wasser gehen. Doch solche Fortschritte seien womöglich Wunschdenken. Angesichts der Schwimm-Misere sei der Seepferdchen-Plan der Stadt zumindest ein realistischer erster Schritt, sagt Förster.

Für die Zukunft zählt er dann auf die Sportlehrer. Es brauche auch mehr Hallenbäder, die nahe an den Schulen stehen, sagt Förster. Aber am Ende müssten sich auch die Lehrkräfte stärker engagieren. Schwimmen sei kein angenehmes Fach, es sei anstrengend, umständlich und unbequem. Aber es sei lebenswichtig. Und vielleicht helfe ja auch etwas Nachdruck der Grundschul-Rektoren im Lehrerzimmer.

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