Schwere Zeiten für Kajakfahrer:Wenn die Wellen fehlen

Während den Surfern im Englischen Garten die Sympathien entgegenfliegen, fehlen den Münchner Kajakfahrer die Trainingsmöglichkeiten. Wohin sie auch kommen: Die Surfer sind schon da. Aber da gibt es noch ein weiteres Problem.

Thomas Moßburger

Die Surfer an der großen Eisbachwelle sind für viele München-Touristen fester Bestandteil einer Sightseeing-Tour. Zugleich taugen die jungen, hippen Szene-Menschen, die dort auf ihren Brettern waghalsige Manöver zeigen, als gute Werbefiguren für die Stadt. Als der zuständige Freistaat Bayern vor einigen Jahren das Surfen auf der Eisbachwelle verbieten wollte, überraschte es nicht, dass mehrere Tausend Sympathisanten mit den Surfern protestierten.

Schwere Zeiten für Kajakfahrer: Den Kajakfahrern in München gehen zusehends die Plätze verloren, an denen sie ihren Sport ausüben können.

Den Kajakfahrern in München gehen zusehends die Plätze verloren, an denen sie ihren Sport ausüben können.

(Foto: lok)

Die Stadt München beschloss, das Eisbachsurfen durch einen Grundstückstausch mit dem Freistaat zu legalisieren. Mittlerweile wird eine zweite Eisbachwelle im Englischen Garten zunehmend von Surfern genutzt, auch wenn ihr Sport dort eigentlich nicht erlaubt ist. Doch bei dieser für die Münchner Surfszene insgesamt durchaus erfreulichen Entwicklung gibt es auch eine Kehrseite der Medaille.

Die Prominenz der Surfer führt dazu, dass Kanuten, vor allem die sogenannten "Freestyle"-Paddler, in München kaum noch einen geeigneten Platz zum Trainieren finden. Das sagt jedenfalls Rolf Renner, Referent für Umwelt und Gewässer beim Bayerischen Kanu-Verband. Im Freestyle geht es darum, mit dem Kajak auf einer Welle verschiedene Figuren wie Saltos, Rollen oder Sprünge zu zeigen. Dazu brauchen die Sportler eine so genannte stehende Welle, wie sie der Eisbach bietet.

Die Freestyle-Szene in München ist laut Renners Einschätzung zwar nicht riesig, sie hat jedoch durchaus einige Spitzensportler und WM-Teilnehmer. Der aktuelle deutsche Freestyle-Meister Simon Strohmeier tritt für den Kanu-Club TG München an. Auch er hat Probleme, Übungsstecken in München zu finden. Zum Trainieren zieht es ihn und seinen Bruder Peppi, der ebenfalls Kajak fährt, zu Wellen nach Plattling oder Augsburg.

Auf der Eisbachwelle am Haus der Kunst ist das Kajakfahren, trotz der offiziellen Freigabe für geübte Surfer, aus Sicherheitsgründen verboten, wie die Stadt München auf Anfrage mitteilt. Die zweite, kleinere Welle, auf die viele Kajakfahrer ausgewichen waren, ist laut Umweltreferent Renner wegen der steigenden Zahl an Surfern für Kajaks kaum noch nutzbar. Dass das Verhältnis zwischen den Surfern und Paddlern am Eisbach ohnehin nicht immer von Harmonie geprägt ist, zeigt ein Blick ins Internet, wo in Kanuforen und -blogs zu lesen ist, dass bereits vor dem Kajak-Verbot vereinzelt Surfer den Kanuten den Weg zur Welle verwehrt hätten.

In den vergangenen Jahren hat sich laut Renner die Kajak-Trainingssituation im gesamten Münchner Raum merklich verschlechtert. Vor allem der Renaturierung der Isar seien wichtige Trainingsplätze für den Kajaksport zum Opfer gefallen. So hatten sich früher bei gewissen Pegelständen beispielsweise an der Wittelsbacher Brücke gut befahrbare Wellen und Strömungen gebildet, die es nun nicht mehr gibt.

So bleibt den Paddlern Renner zufolge im Stadtgebiet nur die Floßlände in Thalkirchen, wo die Kanuten nach dem Ende der Floßfahrten im Herbst ihren Sport offiziell ausüben dürfen. Dort funktioniert auch das friedliche Zusammenleben mit den Surfern, was sowohl Renner als auch Petra Offermanns von der Surfer-Initiative "Aktion zur Rettung der Eisbachwelle" bestätigen. Das Verhältnis zwischen Surfern und Kajakfahrern sei respektvoll und freundschaftlich, man kämpfe gemeinsam für Wellen in München - und habe zusammen auch Unterschriften für den Erhalt der Eisbachwelle gesammelt.

Die Isar als Lösung?

Die Floßlände steht prinzipiell dem Wassersport zu Verfügung. Gäbe es nicht anhaltende Probleme mit zu geringen Wassermengen, die oft keine stehende Welle ermöglichen. Surfen und Freestyle-Kajakfahren sind dort deshalb nur zu bestimmten Uhrzeiten möglich. Für eine Freestyle-Kajakmeisterschaft im Herbst muss beispielsweise Wasser künstlich zurückgehalten werden, damit die Strömung beim Wettbewerb selbst ausreichend ist.

Um die Lage in Thalkirchen zu verbessern, hat die Interessengemeinschaft Surfen in München (IGSM) vor wenigen Wochen eine neue Unterschriften-Aktion gestartet. Die IGSM strebt eine ständig befahrbare Welle an der Floßlände an.

Auch der Bayerische Kanu-Verband und die Münchner Kajakvereine versuchen, die Situation für ihre Sportler zu verbessern. Eine Arbeitsgruppe der Klubs hat verschiedene Entwürfe erarbeitet, mit denen an der Wittelsbacher Brücke durch kleine Baumaßnahmen ein guter und sicherer Trainingsabschnitt mit entsprechenden Wellen entstehen soll.

Die sportliche Nutzung der Flussschwelle an der Wittelsbacher Brücke wurde so vergangenen März Thema einer Bauausschuss-Sitzung der Stadt, eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben. Sie soll klären, wie auch bei niedrigen Pegelständen eine Welle für das Kajakfahren und Surfen ermöglicht werden kann. Eine Sanierung der Schwelle ist ohnehin geplant. Mit einer endgültigen Stadtratsentscheidung wird laut Sitzungsprotokoll allerdings erst im Herbst 2015 gerechnet. Und selbst dann können Surfer und Kajakfahrer noch nicht aufs Wasser.

Denn zusätzlich muss die Bade- und Bootsverordnung der Stadt München geändert werden. Zurzeit ist das Befahren des Isarabschnitts um die Wittelsbacher Brücke herum schlicht verboten. Katrin Zettler, Sprecherin des Referats für Gesundheit und Umwelt, verweist darauf, dass im Moment an einer Novellierung der Verordnung aus dem Jahr 1976 gearbeitet wird. Das Amt hofft, die Novellierung noch 2012 in den Stadtrat bringen zu können - wenn denn die Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsuntersuchung erfolgreich verläuft.

Rolf Renners Wunsch jedenfalls ist, dass bald möglichst große Teile der Münchner Isar legal befahrbar werden. Eine schnelle Lösung scheint dennoch zumindest in näherer Zukunft nicht in Sicht zu sein. Spitzen-Kajakfahrer wie die Strohmeier-Brüder werden daher wohl auch weiterhin ins Umland ausweichen müssen, um sich auf ihre Wettkämpfe vorzubereiten. Und die öffentliche Aufmerksamkeit in München dürfte künftig wie gehabt eher den Tricks der Brett-Artisten gehören als den Saltos, Rollen und Sprüngen der Kajakfahrer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: