Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Schweiß schweißt die Menschen zusammen

Anfangs hat sich Lillian Ikulumet aus Uganda über die hitzegeplagten Münchner amüsiert. Jetzt schwitzt sie wie die Einheimischen selbst mit.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Oh, Sommer: kühles Eis, Freunde, Ferien - und natürlich: Sonnenschein. Schutzcreme war in diesem Sommer mein steter Begleiter. Du bekommst auch einen Sonnenbrand? Diese Frage höre ich immer wieder. Viele denken, dass afrikanische Haut niemals unter Sonnenbrand leiden sollte, weil wir ja an Sonne gewöhnt sind. Falsch gedacht. Irgendwann ist der Punkt erreicht, da tut die Hitze weh. Ich hätte selbst nie geglaubt, dass es einmal so weit kommt.

Typisch deutsch

Ihre Flucht hat drei Journalisten nach München geführt. In der wöchentlichen Kolumne "Typisch deutsch" schreiben sie, welche Eigenarten der neuen Heimat sie mittlerweile übernommen haben. Alle Kolumnen der Serie "Typisch deutsch" finden Sie hier.

Als ich Afrika verlassen habe, begegnete ich den heißen Sommertagen in München äußerst abgebrüht - mit klimatischer Routine, wie sie ein eingeborener Münchner kaum haben kann. Das Sommerwetter hier erinnerte mich gar an ugandische Verhältnisse. Dort ist im Prinzip das ganze Jahr über Sommer, 25 Grad im Süden, 30 Grad im Norden. Ich war Sonne gewöhnt, es gehörte zu meinem Leben wie in Bayern der berühmte (aber wenig beliebte) Schnürlregen. Mittlerweile habe ich viele Jahreszeitenwechsel hier erlebt. Und mein Körper hat das offenbar mitbekommen.

Aus irgendeinem Grund trauen mir meine deutschen Freunde alles zu, außer dass ich mich über Hitze beschwere. "Du kennst das doch nicht anders." Fünf Jahre in München machen aber etwas mit einem Menschen. Anfangs wäre ich hier in Sommern wie diesem mit langen Kleidern durch den Englischen Garten spaziert. Nun ertappe ich mich dabei, dass ich mich an heißen Tagen am liebsten in einen verhangenen Raum begeben würde - betend, dass die Sonne sich verziehen möge.

Das Problem an solchen Methoden: Dauerhaft würde man damit arg in Verzug geraten, in diesem Land, wo gnadenlos weiter gearbeitet und gesportelt wird. Da kann die Sonne glühen, wie sie will. Statt mich zu verkriechen, gehe ich an sonnigen Tage zum Radeln - eine raffinierte Form, die Hitze auszutricksen, weil einem der Fahrtwind den Schweiß von der Stirn weht. Die letzten Augusttage waren jedoch so unerträglich heiß, dass nicht mal mehr Schweiß aus den Poren trat. So, als seien sämtliche Flüssigkeiten des Körpers verdampft.

Es ist erstaunlich, wenn einen die eigene Überheblichkeit überführt: Als ich hier ankam, habe ich mich über die schwitzenden Einheimischen und ihre roten Gesichter amüsiert. Mittlerweile schwitze ich selbst mit, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Ich habe sogar eine Sprühflasche gereinigt, die ich in diesen Tagen als Wasserspritzer benutze. Und ich trage Shorts und Trägertops. Noch vor ein paar Jahren hätte ich das für undenkbar gehalten. Ganz nach dem Credo, dass Sonnenstrahlen von der Haut fern gehalten werden sollten.

In Uganda wird von einer Frau erwartet, dass sie sich stets verdeckt anzieht. In München beginnt nun jene Zeit, in der sich die Menschen ganz freiwillig bedeckt halten werden. Mit der Länge des Jahres werden auch die Hosen länger - und die Pullis dicker. Irgendwann beschweren sich die Leute dann nicht mehr über die Hitze, sondern über die Kälte. Wie auch immer man es halten mag - eines hat das bayerische Wetter mit mir gemacht: Nach einem langen Winter gibt es nichts schöneres, als das Gefühl von Sonnenstrahlen auf der Haut.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2019/zara
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