Schweinegrippe-Patient:Berühmtheit wider Willen

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Plötzlich mit Foto in der Zeitung: Bayerns erster Schweinegrippe-Patient ist unfreiwillig in die Öffentlichkeit gezerrt worden. Nun bekommt er Schmerzengsgeld.

E. Müller-Jentsch

Auf ihn hatten die Reporter schon seit Tagen gewartet. Sie wussten weder, wo und wann er auftaucht, noch wer es sein wird. Doch plötzlich war er da: Der erste Bayer mit Schweinegrippe. Im Rückblick mag es lächerlich klingen, aber vor gut einem Jahr sah die Bevölkerung diesem Ereignis mit sorgenvoller Ungewissheit entgegen.

Geheimnisvolle Infektion: Die Reporter stürzten sich auf den ersten Schweinegrippe-Infizierten in Bayern. (Foto: Foto: dpa)

Zeitungen wollten den Patienten Nummer 1 mit der geheimnisvollen Infektion natürlich ihren Lesern vorstellen, seine Geschichte erzählen und auch sein Bild zeigen. Weil der Kranke von seinem unerwarteten Ruhm aber nichts wissen wollte und alle Interview-Anfragen ablehnte, kupferte eine Münchner Boulevardzeitung sein Porträt kurzerhand aus den Internetseiten zweier Vereine ab, in denen er Mitglied ist.

Nun verlangte der Betroffene 10.000 Euro Schmerzensgeld dafür, so unfreiwillig in die Öffentlichkeit gezerrt worden zu sein.

Der Mann, dessen Namen hier natürlich nicht genannt werden soll, war damals mit Freunden aus Mexiko zurückgekehrt. Das amerikanische Land hatte zu diesem Zeitpunkt mit einer H1N1-Epidemie zu kämpfen, die dort schon viele Menschenleben gekostet hatte.

Nach seiner Rückkehr, so schrieb das Blatt, habe der Mann noch eine Veranstaltung besucht und bei dieser Gelegenheit Sozialstaatssekretär Markus Sackmann die Hand geschüttelt. Kurz darauf sei es ihm schlecht gegangen - und im zuständigen Kreiskrankenhaus wurde bald darauf die H1N1-Infektion offiziell diagnostiziert.

Die Münchner Zeitung habe sein Gesicht auf dem Foto von einer Vereins-Homepage ohne Erlaubnis "heruntergezogen" und das Porträt dann auf die Titelseite gestellt. "Mein Gesicht war so schwach gepixelt, dass mich in meinem Umfeld jeder erkennen konnte", beklagte der Betroffene am Mittwoch der Pressekammer beim Landgericht München I.

Selbst auf der Straße habe man ihn angesprochen

Und bald darauf sei ein weiteres Foto von ihm erschienen, das von einer anderen Internetseite genommen und mit einem kleinen schwarzen Balken versehen worden war. "Ich stand bald darauf - wo auch immer ich hinkam - im Mittelpunkt", sagte der Mann nun vor Gericht.

Selbst auf der Straße habe man ihn angesprochen. "Mein Mandant ist vom Opfer zum Täter gemacht worden", kritisierte Rechtsanwalt Klaus Rehbock, die Berichterstattung: "Es ist nämlich falsch, dass er auch noch eine Krankenschwester und einen anderen Patienten angesteckt hat."

3000 Euro hatte die Zeitung freiwillig zur Wiedergutmachung bezahlt, das genügte dem Betroffenen aber nicht: Er wollte weitere 7000 Euro.

Doch das Gericht stellte nun fest, dass diese Berichterstattung ärgerlich, jedoch nicht ehrverletzend sei. Deshalb sei er mit den bereits bezahlten 3000 Euro gut bedient und bekomme keinen Nachschlag (Az.:9O24989/09).

Der Mann überlegt nun, Berufung einzulegen.

© SZ vom 06.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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