Süddeutsche Zeitung

Schweinegrippe in Bayern:"Die Deutschen machen Panik"

In München ist der erste Direktflug aus Mexiko seit Ausbruch der Schweinegrippe gelandet. Die Passagiere bleiben gelassen, die Verantwortlichen weniger.

Lisa Sonnabend

Es war, als seien sie nicht aus der Gefahr in Sicherheit gebracht worden, sondern - eben noch im Urlaubsparadies - nun direkt in der Hölle gelandet. Statt 40 Grad Celsius und Sonne sahen sich die 275 Passagiere, die aus Cancún in München ankamen, mit Nieselregen und nur einem Thema konfrontiert: der Schweinegrippe.

"In Mexiko haben wir kaum etwas von der Krankheit mitbekommen", sagt Eva Steiner, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter zwei Wochen Badeurlaub machte. "Wir haben über die Fernsehnachrichten davon erfahren, in unserem Hotel hat uns jedoch niemand darauf hingewiesen." Und dann sagt sie einen Satz, den viele Passagiere hier auf dem Münchner Flughafen sagen: "Die Deutschen machen sicher unnötig Panik."

Auf dem Münchner Flughafen ist an diesem Mittwochvormittag in der Tat Unruhe zu spüren. Am Morgen hat Bayerns Umweltminister Markus Söder bekanntgegeben, dass es in Bayern nun zwei Schweinegrippe-Fälle gibt. Zwei Frauen, die über Madrid aus Mexiko ankamen, hatten sich am Morgen beim Medizinischen Dienst auf dem Flughafen gemeldet. Sie spürten ein Kratzen im Hals. Doch nach einer Untersuchung war klar: keine Anzeichen für Schweinegrippe.

Und nun beantworten eine Sprecherin des Flughafens und Wolfgang Hierl, Abteilungsleiter Gesundheitswesen des Landratsamtes Erding, Fragen der Journalisten, die auf die Ankunft des ersten Direktfluges aus Mexiko seit Ausbruch der Schweinegrippe in München warten.

Um zwölf Uhr landet die Maschine aus Cancún pünktlich. Schon um elf Uhr erreichte die Verantwortlichen am Flughafen der Funkspruch des Pilotes: Es habe an Bord bislang keinen Verdachtsfall gegeben. Um zwölf Uhr betreten nun Hans Hammel und ein weiterer Arzt des Medizinischen Dienstes am Flughafen den Airbus A330. Sie sprechen mit jedem Passagier, schauen ihn an - und geben Entwarnung. "Nur eine Frau musste behandelt werden", sagt Hammel später. "Sie litt allerdings nicht an Schweinegrippe, sondern ganz eindeutig an Montezumas Rache."

Im Falle eines Verdachtsfalls wäre das Flugzeug auf eine isolierte Abstellposition gebracht worden. Die Passagiere wären untersucht worden und die Betroffenen in die Isolierstation des Schwabinger Krankenhauses gebracht worden. Würde ein Verdacht bereits während des Fluges auftreten, würde der Passagier auf einen Sitz gebracht, der zwei Meter Abstand von anderen Passagieren hat.

Doch nun bekommen die Fluggäste nur ein Merkblatt in die Hand gedrückt, auf dem steht, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie Fieber bekommen, Schüttelfrost, Schnupfen oder Durchfall. Alle Passagiere müssen zudem Papiere mit ihrer Erreichbarkeit ausfüllen, damit sie informiert werden können, falls sich nachträglich noch Verdachtsfälle oder Erkrankungen ergeben sollten.

In T-Shirt und kurzen Hosen kommen die meisten Cancún-Urlauber in den Ankunftsbereich des Flughafen-Gebäudes. Sie haben Sombreros mitgebracht und eine dunkle Bräune. Einer dreht den Spieß um und filmt grinsend die lauernden Journalisten mit seiner Digitalkamera. Keiner der Passagiere trägt Mundschutz.

Heinrich Kaiser umarmt den Sohn seiner Freundin überschwänglich zur Begrüßung. Schließlich lägen Mexico City und Cancún weit auseinander, sagt er. "Ein wenig Angst vor der Grippe habe ich allerdings trotzdem. Ich komme aus der Nähe von Mallersdorf, wo der erste Verdachtsfall in Bayern sich bestätigt hat."

Franz Auer aus Matrei sagt, dass er während des Fluges keine Angst gehabt habe. "Es war ein Flug wie jeder andere." Und eine Passagierin berichtet vom Flug. "Klar hat mal einer geniest, aber das ist ja ganz normal, wenn man von 40 Grad zurück in die Kälte kommt."

Mediziner Hammel sagt: "Noch ist die Lage nicht so dramatisch." Nervös, wie viele Politiker, sei er noch nicht. Am Flughafen seien sie ja nicht erst seit gestern mit Viren beschäftigt, sondern schon seit Jahren.

Die Vorwürfe der Passagiere, sie würden mit den Vorsichtsmaßnahmen übertreiben, kann der Mediziner nicht verstehen. Hammel sagt: "Viele Urlauber bekommen vom Land nichts mit, weil sie nur eines tun: baden." Es klingt ein wenig wütend und vor allem eines: bedrohlich. So als würden die Passagiere nicht ahnen, dass das Schlimmste noch bevorsteht.

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