Schwanthalerhöhe:Welle der Solidarität

Bei der Podiumsdiskussion über das "Haus mit der roten Fahne" setzt sich eine Mehrheit vehement für dessen Erhalt als soziales und kulturelles Zentrum ein. Eine Entscheidung fällt an diesem Mittwoch im Stadtrat

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Wäre es keine so frostige Nacht gewesen, hätten sie wohl die Fenster im Erdgeschoss des Griechischen Hauses an der Bergmannstraße weit aufgerissen. Dann hätten auch diejenigen, die keinen Platz mehr in dem brechend vollen Café gefunden haben, wenigstens vom Gehsteig aus mitverfolgen können, wie ein Viertel und seine Bewohner mit Verve und politischem Impetus für den Erhalt einer Einrichtung streiten, die nach Meinung vieler zur Identität des Viertels gehört wie das Ledigenheim für Arbeiter verschiedener Kulturen schräg gegenüber: Die Rede ist vom "Haus mit der roten Fahne" an der Tulbeckstraße 4f, in dem seit knapp 40 Jahren der linke Verlag "Das Freie Buch" samt seiner Druckerei und öffentlicher Bibliothek beheimatet ist, außerdem der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD und der Verein des Arbeiter-Schriftstellers August Kühn. Die Stadt hat den Mietern bereits zum Ende 2016 gekündigt, um in der kleinen Hinterhofnische Wohnraum zu schaffen. Seit Monaten regt sich massiver Protest: In einer Petition sprechen sich mehr als 2000 Menschen für den Erhalt der Einrichtung an dem Standort als soziales und kulturelles Zentrum aus. Unterstützung gibt es von Grünen/Rosa Liste und Linken im Stadtrat sowie vom kompletten Bezirksausschuss (BA) Schwanthalerhöhe. An diesem Mittwoch entscheidet der Stadtrat endgültig über die Zukunft des Hauses.

Mehr als 150 Menschen drängeln und schieben sich regelrecht in die Podiumsdiskussion, die der Bezirksausschuss eilends vor der Stadtratssitzung erwirkt hat. Erwirkt deshalb, weil hier endlich mal alle miteinander reden sollen, die es bislang nicht an einen Tisch schafften. Neben den Vertretern des Verlags und der Vereine, Julian Mühlbauer und Wolfgang Smuda, sitzen Ulrike Klar vom Planungsreferat, Jutta Koller von der Grünen-Stadtratsfraktion und Brigitte Wolf von den Linken. Mit einem Stadtratsantrag stützen die beiden Fraktionen den Verbleib des Verlags an seinem Standort. Gerhard Mayer, SPD-Stadtrat, muss als Janus-Kopf des Abends herhalten. "Ich vertrete heute hier nicht meine persönliche Meinung", gesteht er. Im Stadtrat habe er sich der Fraktionsräson gebeugt und im Dezember in nicht öffentlicher Sitzung für die Kündigung votiert. Das kommt im Publikum nicht gut an.

Podiumsdiskussion im Griechischen Haus, Bergmannstraße 46, im Westend. Es geht um das sogenannte Haus mit der Roten Fahne, in dem seit 40 Jahren ein linker Verlag samt Druckerei angesiedelt ist und den die Stadt dort jetzt raushaben will.

Volle Hütte: Das Gedränge war groß, als es am Montag bei einer Podiumsdiskussion um die Zukunft des "Hauses mit der roten Fahne" ging.

(Foto: Florian Peljak)

Wie auch die Ausführungen der Stadtplanerin Ulrike Klar. Weil bezahlbarer Wohnraum in München dringend nötig sei, wolle man den an der Tulbeckstraße schaffen. Laut Vorbescheid "könnten da sieben Wohnungen reingehen". Klaus Ried, Sohn des Erbauers des Gebäudes, meldet als erster Protest an: "Ich bin unglaublich überrascht über die Zahl, die Frau Klar präsentiert. Das ist vom Format her Stadelheim." Hier ließen sich maximal ein, zwei Lofts realisieren. Das sei keine sozialpolitische Entscheidung, sondern eine ökonomische. "Man versucht eine kulturelle Einrichtung kaputt zu machen, lässt Gras drüber wachsen, und dann wird's an einen Investor verhökert!" Münir Derventli gibt zu bedenken, dass er mit seiner Druckerei genau an die der "roten Fahne" grenze: "Wir wären eine enorme Belastung für die neuen Wohnungsnachbarn!" Linke-Stadträtin Wolf erinnert daran, dass sich die GWG bereits 2013 gegen eine Bebauung der Tulbeckstraße 4f entschieden habe, weil dies unwirtschaftlich sei. Jutta Koller (Grüne) bezweifelt, dass es allein um sieben Wohnungen gehe. Vielmehr sei es von Anfang an darum gegangen, dass man keine Druckerei haben wolle, die "kommunistische Sachen druckt". Sie spielt auf den CSU-Stadtrats-Antrag von 2011 an, mit dem verhindert wurde, dass der Verlag das Haus von der Stadt kauft. Der Vertrag war Verlags-Chef Stephan Eggerdinger zufolge unterschriftsreif. Im CSU-Antrag wurde die Ablehnung auch damit begründet, dass der Verlag sich stark mache für den Wiederaufbau der KPD. Jahrelang hing der Antrag in der Warteschleife, bis der Stadtrat 2015 die Kündigung beschloss, die die GWG im Sommer 2016 aussprach. Kurz vor Weihnachten votierte der Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung für eine einjährige Verlängerung des Mietvertrags, sofern der Mieter innerhalb von zwei Tagen eine "Unterwerfungsklausel" unterschreibe und keine weiteren Forderungen stelle.

Ob dieses Gebarens der Mehrheit im Stadtrat zieht in erster Linie die SPD den Unmut auf sich: "Ich möchte daran erinnern, dass hier die Klientel sitzt, die die SPD mal gewählt hat", so eine Kritikerin. Ein anderer setzt nach: "Die rote Fahne ist auch eure Fahne, in diesem Haus wird die kämpferische Tradition der Sozialdemokratie bewahrt!" Traurig sei es, kritisiert eine Bürgerin, "dass der Stadtrat dazu beiträgt, die letzten derartigen Einrichtungen wegzurationalisieren". Der NS-Verfolgte Ernst Grube lässt ausrichten, dass "der rote Farbtupfer im Westend bleiben muss". Und BA-Chefin Sibylle Stöhr (Grüne) wendet ein, sie persönlich glaube auch nicht an den Wiederaufbau der KPD. "Aber für diese Gruppe muss auch Platz sein."

Podiumsdiskussion im Griechischen Haus, Bergmannstraße 46, im Westend. Es geht um das sogenannte Haus mit der Roten Fahne, in dem seit 40 Jahren ein linker Verlag samt Druckerei angesiedelt ist und den die Stadt dort jetzt raushaben will.

Flagge zeigen: Auch draußen auf der Straße war zu sehen, worum es drinnen ging.

(Foto: Florian Peljak)

Der erkrankte Verlags-Chef Stephan Eggerdinger hat bereits eingangs verlesen lassen, es sei einfach, dafür zu sein, dass es eine Arbeiterbewegung gibt. "Aber man muss auch dafür sein, dass sie ihre eigenen autonomen materiellen Mittel hat und dafür kämpft."

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