Süddeutsche Zeitung

Schwanthalerhöhe:Warten auf die nächste Runde

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Der Wirt des Bürgerheims möchte aus seinem Schanigarten eine dauerhafte Einrichtung machen. Doch der Bezirksausschuss zögert noch - er will erst eine Auswertung der vergangenen Sommer haben

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

An geschenkten Sommerabenden lässt sich vom Gollierplatz bis zur Schießstättstraße auf der Fahrbahn flanieren. Der Asphalt ist noch warm von der Sonne, alle paar Ecken hebt vom Saum der Gehsteige ein kollektives Murmeln an und ebbt wieder ab. Begleitet vom Klang des Bestecks, das auf Teller trifft, vom Klirren der Gläser. Innerhalb eines Jahres hat sich der gastronomische und für viele Nachbarn der Schwanthalerhöhe auch der Lebensraum unter freiem Himmel bis ins Italienhafte erweitert.

Parkplätze wurden zu Schanigärten, und wenn der Verkehr zu später Stunde zur Ruhe kommt, lässt sich deren Maß und Muster spazierengehend ganz gut ermessen: Bei den einen zieht sich die selbst gezimmerte Palettenterrasse in weitem Bogen ums Eckhaus, vor anderen Lokalen leisten sich nurmehr zwei kleine Tische vor der Tür Gesellschaft. Auch nach den Sommern der Pandemie, das hat der Stadtrat im Mai entschieden, dürfen Wirte diese Freischankflächen jedes Jahr von April bis Oktober aufbauen. Die Lokalpolitiker der Schwanthalerhöhe wollen vorher Bilanz ziehen und im Anschluss eine Art Leitfaden für die Gastro-Leute im Viertel entwickeln.

Ob den Wirten diese Auswertungszeit und damit eine mögliche Planungsverzögerung fürs nächste Jahr zuzumuten ist, darüber hat man im Bezirksausschuss (BA) jetzt am Beispiel des Augustiner-Bürgerheims an der Gollierstraße diskutiert. Thomas Eberlein ist Wirt im Haus und als Erster seiner Zunft vorstellig geworden. Er will seine bestehende, um "50-70 Plätze" zur Palettenterrasse erweiterte Freischankfläche auf bisher vier Parkplätzen dauerhaft in den Sommermonaten betreiben. Dafür braucht er die Rückendeckung aus dem Gremium, sonst gibt's auch keine städtische Genehmigung. Bei "Wind und Wetter" hätten seine Gäste in den vergangenen beiden Jahren getafelt, erzählt er. "Viele unmittelbare Nachbarn haben gesagt, das Viertel fühlt sich durch die Schanigärten wohnlicher an."

Nach der Statistik des Kreisverwaltungsreferats (KVR) sind in der Schwanthalerhöhe seit 2020 auf 129 Parkplätzen insgesamt 678 Gastplätze geschaffen worden. Im ganzen Stadtgebiet entfallen 6868 Gastplätze auf 1429 Parkplätze. Vor allem im innerstädtischen Bereich, wo der Parkdruck am größten ist, so ein Behördensprecher, arbeite das Mobilitätsreferat gemeinsam mit den Bezirksausschüssen bereits an der Überprüfung und gegebenenfalls "erforderlichen Anpassung unter anderem von Parklizenzgebieten".

In der Ausschusssitzung der Schwanthalerhöhe begrüßten die Fraktionen ausnahmslos die neue Schanigarten-Kultur im Quartier und die Erweiterung des Bürgerheim-Schankbereichs im Besonderen. Einziger Streitpunkt: Bekommt Eberlein sein Okay sofort oder erst nach einem Fazit der letzten Sommer und der daraus entwickelten Richtschnur für alle seine Kollegen in der Nachbarschaft? "Wir wollen uns erst mal ein Bild machen, wie die Schanigärten auch von den Anwohnern angenommen wurden; manche haben ja mehr Außen- als Innenbestuhlung", konstatierte Holger Henkel (SPD) als Vorsitzender des Bauausschusses. "Außerdem sollten wir vorher noch mit dem Kreisverwaltungsreferat sprechen, was zu beachten ist." Mit dem Bürgerheim solle kein Präzedenzfall geschaffen werden, "womöglich erreicht uns dann eine Schwemme weiterer Anträge in den nächsten Sitzungen".

Für Gremiums-Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne) war eine Beratungsphase keine Option: "Die rechtliche Grundlage hat der Stadtrat doch schon im Mai geschaffen. Es gibt hier keine Anwohnerklagen. Wir sollten gleich zustimmen!" Obwohl sich Eberleins Schanigarten über vier Parkplätze ziehe, entfalle nur einer - vor den meisten Schanigärten darf geparkt werden, wenn dies nicht explizit verboten ist oder den Verkehr nicht behindert. Ausschließlich sechs Bürger der Schwanthalerhöhe haben sich beim KVR über den Wegfall von Parkplätzen im Viertel beklagt - fürs gesamte Stadtgebiet gingen 179 Beschwerden ein. Klagen über zugestellte Gehwege gebe es kaum, sagt der Behördensprecher. "Schätzungsweise betreffen 40 Prozent der Beschwerden das Thema Ruhestörungen." In der Schwanthalerhöhe, darauf legte Florian Kraus (Grüne) wert und pochte auf schnelle Unterstützung für Eberlein, seien die Beschwerden in den letzten Jahren nicht wegen Freischankgaststätten erfolgt, sondern vor allem wegen Bars, Pseudo-Bars, Kneipen und Spätis hauptsächlich um die Park- und Schießstättstraße.

Mit einer Stimme Mehrheit votierte der BA letztlich für eine Beratungs- sowie Entscheidungsfrist für den Eberlein-Antrag bis zur November-Sitzung. "Für alle Wirte, die sich dafür interessieren, sollte unser Vorgehen transparent sein und nachvollziehbare Kriterien haben", argumentierte SPD-Fraktionssprecherin Ulrike Boesser. Mit einer Antragsflut künftiger Schanigärtner müsse der Bezirksausschuss auch nach diesem Vorgehen rechnen, prognostizierte Thomas Eberlein. "Je länger ihr wartet, desto eher behindert ihr mehrere Schanigärten." Denn für die notwendigen Umgestaltungen müssten die Wirte einen Bauantrag stellen - das dauert "und ist nix Triviales!" Von April 2022 an, darauf weist auch der Sprecher des Kreisverwaltungsreferats hin, gilt abhängig vom jeweiligen Einzelfall dann das derzeit ausgesetzte Baugenehmigungsverfahren für die Schanigärten.

Am geschenkten Sommerabend nach der Bezirksausschuss-Sitzung sitzen die Stadtviertelpolitiker wieder einträchtig beisammen - auf der Palettenterrasse von Eberlein.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2021
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