Schwanthalerhöhe:Leuchtschrift aus 182 Namen

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In der Auferstehungskirche erinnert eine Kunstaktion an Theodoros Boulgarides, der am 15. Juni 2005 in seinem Schlüsseldienst-Laden an der Trappentreustraße erschossen wurde. Er war 41 Jahre alt. (Foto: oh)

15 Jahre nach der Ermordung von Theodoros Boulgarides durch den NSU gedenkt das Westend der Opfer rechter Gewalt

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Genau 15 Jahre ist es an diesem Montag, 15. Juni, her, dass Theodoros Boulgarides in seinem Schlüsselladen an der Trappentreustraße 4 von den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ermordet wurde. Seiner, des zweiten Münchner NSU-Opfers Habil Kılıç, und aller Opfer rechter Gewalt seit der Wende wird im Westend am Jahrestag in einer kleinen Veranstaltungsreihe gedacht. Sie lehnt sich dabei an das Projekt von Wolfgang Gebhard von den Westendstudios an, der innerhalb der Kunst- und Kulturtage des Viertels 2014 die Solidaritätsaktion "Ich bin Theodoros Boulgarides" gestartet hatte. Ein Teil des Schriftzugs setzte sich zusammen aus 800 kleinen Porträts von Menschen, die Gebhard ein Foto von sich zur Verfügung gestellt hatten, um Gesicht und Haltung zu zeigen.

Auch in diesem Jahr soll Gebhard auf Initiative des Organisationsteams der Kunst- und Kulturtage die künstlerische Gestaltung übernehmen. Die vormalige Aktion ausschließlich zu wiederholen, kam für den Kommunikationsdesigner nicht in Frage. Weil aber die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie so groß sind, sei andererseits nicht viel Spielraum geblieben, erklärt er. So führt der 53-Jährige jetzt sein Projekt gewissermaßen fort: "Ich bin in einem Zeitungsartikel auf eine Liste der Namen sämtlicher 182 Menschen gestoßen, die seit der Wende Opfer rechter Gewalt geworden sind." Ihre Namen sollen nun an eine Wand der evangelischen Auferstehungskirche projiziert werden als das bekannte Statement "Ich bin Theodoros Boulgarides". Aufleuchten wird es dort erstmals an diesem Montag um 19 Uhr, wenn im Gotteshaus an der Geroltstraße die Gedenkfeier beginnt. Eine Stunde zuvor wird ein Kranz am einstigen Tatort an der Trappentreustraße niedergelegt.

Zur Feierstunde sind die Familien Boulgarides und Kılıç geladen, ein interkonfessionelles Friedensgebet eröffnet den Akt in der Kirche. Hausherr Pfarrer Bernd Berger und sein Nachbar, Pastoralreferent Ulrich Schäfert von der Kunstpastorale St. Paul, fungieren als Gastgeber im Viertel; zugesagt haben für die Griechisch-Orthodoxe Metropolie Pater Apostolos Malamoussis, als Vertreter der jüdischen Gemeinde Rabbiner Steven Langnas und für die islamische Gemeinde Imam Benjamin Idriz, für die katholische Kirche nimmt Franz Huber, Pastoralreferent im Pfarrverband München-Westend, teil.

Während der Gedenkstunde wird auf Video auch der bewegende Trauertanz für Theodoros Boulgarides zu sehen sein, den Künstlerin Helga Seewann 2014 zu Ehren des Mordopfers in St. Paul gezeigt hat. Es wird eine Übertragung der Veranstaltung mit dem Videochatprogramm Zoom in den Gemeindesaal der evangelischen Auferstehungskirche bei begrenzter Besucherzahl geben, die kurzfristig angekündigt wird. Der Link ist dann auf den Seiten www.auferstehungskirche.de und www.westendstudios.de für alle zu finden, die das Gedenken online verfolgen möchten.

An den Festakt schließt sich von 22. Juni bis 10. August eine Ausstellung in der Auferstehungskirche an. Immer montags zwischen 19 und 20 Uhr findet dann unter dem Motto "Reden über..." ein Austausch mit Künstlerinnen und Geistlichen zu den Themen Integration, Teilhabe, Erinnerungskultur und Gedenken statt. Neben Wolfgang Gebhard sind Manuela Serafim, Helga Seewann, Bernd Berger und Ulrich Schäfert Gesprächspartner. Gezeigt wird dabei dann auch Helga Seewanns Trauertanz.

© SZ vom 15.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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