Schwanthalerhöhe:Georg Freundorfer soll verschwinden

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Ausgezeichnete Landschaft: Der Georg-Freundorfer-Platz erfreut sich in der Schwanthalerhöhe großer Beliebtheit. 2006 kürte die Stiftung "Lebendige Stadt" den Spielplatz zum schönsten in ganz Deutschland. Mehr als ein Schönheitsfehler ist für etliche im Viertel sein Name. (Foto: Corinna Guthknecht)

Der Musiker sympathisierte mit der NSDAP. Dennoch widmete ihm die Stadt 1983 einen Platz. Dagegen regt sich im Viertel schon lange Protest, jetzt forciert eine Mehrheit der Lokalpolitiker die Umbenennung.

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Sie wollen nicht länger warten, diesen Namen vom Schild ihres Viertels zu heben, auch wenn die Faktenlage bislang relativ dürr ist: Der Georg-Freundorfer-Platz in der Schwanthalerhöhe soll umbenannt werden - und die Nachbarn sollen dabei ein entscheidendes Wort mitreden. Das haben die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) mit großer Mehrheit bei der Stadt beantragt, gegen zwei Stimmen der CSU.

Bereits vor fünfeinhalb Jahren hat das Gremium von der Stadt gefordert, die Vita des Unterhaltungskünstlers Freundorfer historisch überprüfen zu lassen und ihn bei entsprechendem Ergebnis aus dem Straßenverzeichnis zu streichen. Außer der Erkenntnis, dass es sich beim Komponisten des "Gruß an Obersalzberg", Hitlers oberbayerisches Bergdomizil, um einen Sympathisanten der NSDAP handelte, ist kaum mehr erforscht - schon gar nicht von städtischer Stelle.

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Andreas Heusler vom Stadtarchiv hat bei einer Bezirksausschuss-Sitzung Ende vergangenen Jahres angekündigt, dass ein entsprechende Expertengremium bei der langen Liste an umstrittenen Straßenbenennungen wohl nicht vor 2022 dazukomme, sich mit Freundorfer auseinanderzusetzen.

Den Stadtteilpolitikern dauert das nun endgültig zu lange. "Uns ist bewusst, dass das Verfahren der Nennung beziehungsweise Abbenennung und Umbenennung von Straßennamen ein komplexer Prozess ist, der im Ältestenrat der Landeshauptstadt München besprochen wird und ein Entscheidungsrecht des Münchner Stadtrats ist", argumentieren sie in einem interfraktionellen Antrag von Grünen, SPD, Linken und ÖDP. "Ebenso haben wir ein Bewusstsein und Verständnis für eine Systematisierung und Kategorisierung von historisch belasteten Namen."

Bei 40 Straßennamen gebe es "erhöhten Diskussionsbedarf"

Freundorfer ist nach Auskunft Heuslers ein Fall aus der nicht öffentlichen "Longlist" mit 330 Namen, die von einem Expertengremium aus innerstädtischen Fachdienststellen und der Politik hinsichtlich einer historischen Kontextualisierung untersucht werden. Vorher an der Reihe ist aber noch die "Shortlist" aus 40 Münchner Straßennamen, die sich auf Personen mit "erhöhtem Diskussionsbedarf" beziehen, sprich Antisemiten, Rassisten und Nationalisten.

Seit Jahren nimmt sich Daniel Günthör, Grünen-Fraktionschef im Bezirksausschuss, der Sache mit Nachdruck an. Er verweist auch auf die erhöhte Nachfrage aus dem Viertel: Viele erkundigten sich, wie's denn nun um die Umbenennung des beliebten Aufenthaltsorts mit seinem preisgekrönten Spielplatz bestellt sei, und wünschten sich diese explizit. Die Mehrheit im Ausschuss selbst wertet den 1935 komponierten "Gruß an Obersalzberg" als "bewussten Akt der Widmung" und klare Sympathiebekundung für Hitler und den Nationalsozialismus.

Nach Forschungen des Historikers und Westendlers Martin Rühlemann in der Bayerischen Staatsbibliothek, war der 1881 geborene und bis zu seinem Umzug nach Berlin in der Schwanthalerhöhe lebende Künstler bereits vor der Machtergreifung als Musiker und Wahlkämpfer für die NSDAP in München aktiv und bekannt.

In zwei Ausgaben des faschistischen Kampfblattes "Die Front" finden sich Rühlemann zufolge Verweise, dass Freundorfer im Wahlkampf zur letzten freien Reichstagswahl am 6. November 1932 für die NSDAP aufgetreten ist: am 1. Oktober 1932 als Zithervirtuose im Wagnersaal in der Sonnenstraße und am 15. Oktober 1932 mit dem Freundorfer Trio bei einem sogenannten Bunten Abend der NSDAP. Nach derzeitigen Erkenntnissen war er kein NSDAP-Mitglied.

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Zu karg seien ihr die Erkenntnisse für den aktuellen Vorstoß der BA-Mehrheit, kritisierte Sophie Kluge (CSU). Außerdem sei Freundorfer ja schon 1940 gestorben und habe deshalb nicht mehr die Möglichkeit gehabt, sich in der Nachkriegszeit zu distanzieren. Florian Kraus (Grüne), seit kurzem Münchens neuer Stadtschulrat, ließ den Einwand nicht gelten: "Wenn er auf einer Wahlkampfveranstaltung der NSDAP war, wusste er, wo er spielt." Das sei schließlich kein Volksmusikabend. "Da kann man nicht sagen, er hätte sich später distanzieren können."

Geht es nach dem BA, soll das Stadtarchiv nun bis Ende des Jahres weitere Erkenntnisse zu Freundorfer beibringen - nur wenn diese entlastend seien, will man von einer Umbenennung absehen. Ebenfalls bis Ende 2021 wünscht man sich vom Kulturreferat Nachforschungen über potenzielle Namensgeberinnen für den Platz, insbesondere NS-Widerstandskämpferinnen - bevorzugt aus dem Westend.

Manche plädieren für Namen kommunistischer Widerstandkämpfer

In ganz München gebe es bislang nicht eine einzige Würdigung kommunistischer Widerstandskämpfer aus diesem Arbeiterviertel. 2022 schließlich will das Gremium einen "Bürger*innenprozess" starten, bei dem dann konkret über Namen beraten wird, unter Einbindung einer Hochschule und des Stadtarchivs. Formal wäre eine Umbenennung relativ wenig aufwendig, weil der erst 1983 Georg Freundorfer gewidmete Platz keine Hausnummern trägt und Anschriften nicht geändert werden müssten.

Gegen noch unter Verschluss gehaltene, aber intern bereits kursierende Namen kommunistischer Widerstandkämpfer opponierte Uwe Trautmann (CSU) in der Sitzung mit Verve: "Die Alternativen, die ihr aufstellt, waren genauso radikal, Parteifunktionäre, die die freiheitliche Grundordnung angegriffen haben!" Die Bürger müssten von Anbeginn in den Prozess eingebunden werden, und zwar schon dann, wenn es um die grundsätzliche Entscheidung gehe, den Platz umzubenennen oder nicht. Er bezweifle, dass die überwiegende Mehrheit der Leute im Viertel überhaupt eine Namensänderung wolle.

© SZ vom 28.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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