Schwanthalerhöhe:Enteignung ist keine Lösung

Schwanthalerhöhe: Als "Döner-Haus" erlangte dieses verfallende Gebäude eine fragwürdige Berühmtheit.

Als "Döner-Haus" erlangte dieses verfallende Gebäude eine fragwürdige Berühmtheit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bürger und Lokalpolitiker sind empört darüber, dass Häuser, wie zum Beispiel auf der Schwanthalerhöhe, lange leer stehen und verrotten. Eine Bezirksausschuss-Sondersitzung lässt die Teilnehmer eher ernüchtert zurück

Von Sonja Niesmann, Schwanthalerhöhe

Dass ein Haus vor sich hin rottet, und zur Sicherheit der Passanten der Gehsteig sogar seit vielen Monaten großräumig abgesperrt ist, dass eine Fläche in dieser an günstigen Wohnungen immer ärmeren Stadt so lange ungenutzt ist, das fuchst den Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe gewaltig. "Was kann man tun, wenn Baugenehmigungen über Jahre nicht umgesetzt werden?", wie im Falle des "Döner-macht-schöner-Hauses" an der Schwanthalerstraße 119. Das fragt sich nicht nur die BA-Vorsitzende Sibylle Stöhr (Grüne), sondern das fragen sich auch viele Nachbarn und im Viertel engagierte Bürger. Eine Enteignung jedenfalls - so der Antrag von York Runte vom alternativen Wohnprojekt Ligsalz 8, den die Bürgerversammlung im vergangenen April mit nur einer Gegenstimme befürwortet hatte - ist hier keine Lösung. Das ist eine der Erkenntnisse aus der Sondersitzung des Bezirksausschusses zu Leerständen von Privatgebäuden im Viertel unter der Überschrift "Eigentum verpflichtet", die am Dienstagabend mit knapp 80 Zuhörern etwa achtmal so gut besucht war und doppelt so lange dauerte wie eine reguläre BA-Sitzung.

Enteignung sei das einschneidendste, das allerletzte Mittel, erläuterte Klaus Eisenreich vom Kommunalreferat - erst zu prüfen, wenn anderes wie etwa Instandhaltungs- oder Baugebote nicht griffen, und auf Abbruchhäuser auch nicht anwendbar. Kurzum: "Von einer Enteignung sind wir hier meilenweit entfernt." Auch das Instrument der Zweckentfremdung greife nicht, ergänzte seine Kollegin Elke Englisch aus dem Wohnungsamt, dieser Satzung unterliege das Döner-Haus wegen seines "ruinösen Zustands" schon seit der Jahrtausendwende nicht mehr - in der Verwaltung ist der Fall offensichtlich ein alter Bekannter.

Da der Eigentümer auf behördliche Hinweise zum gefährlichen Zustand des verfallenden Hauses nicht reagiert habe, habe die Stadt den Gehsteig abgesperrt und ihm das in Rechnung gestellt, erklärte Sabine Röhricht. Zwangsgeld, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung, skizzierte die Juristin in der Lokalbaukommission (LBK) die Abfolge: "Das haben wir jetzt zweimal durchgespielt, immer konnte er in letzter Minute Geld auftreiben." Im Spätherbst sei die auf vier Jahre befristete Genehmigung für den Bau eines Hotels mit Gastronomie an der Schwanthalerstraße 119 abgelaufen. Der Eigentümer beantragte Verlängerung und bezahlte, wie von der LBK ausbedungen, wiederum die offenen Zwangsgelder. "Er wird also seine neue Genehmigung kriegen, und wir müssen wieder vier Jahre warten", sagte Röhricht trocken und räumte angesichts einer gewissen Fassungslosigkeit rundum ein, dies seien "schmale Möglichkeiten, um gegen diesen Missstand vorzugehen".

Auch wenn es mit dem Döner-Haus, dem "Schnitzelhaus" schräg gegenüber und einem weiteren Haus gleich drei Sorgenkinder im Westend an einer Ecke gebe (Florian Kraus von den Grünen will sogar sechs Fälle ausgemacht haben und raunte vom "Niedergang des Viertels"), sei Leerstand in München, flocht Englisch ein, "mit unter zwei Prozent nicht das eigentliche Problem". Das sind vielmehr teure Wohnungen, das vielleicht nicht genug genutzte Vorkaufsrecht der Stadt, Modernisierungen, deren Kosten mit elf Prozent völlig legal umgelegt werden können und lange Zeit erschwingliche Mieten dramatisch in die Höhe treiben, die Schwierigkeit, für ein genossenschaftliches Wohnprojekt für 30 bis 50 Leute ein kleines städtisches Grundstück zu bekommen - wie bei vielen ähnlichen Veranstaltungen in der Stadt zum Wohnen drifteten die Beiträge vom speziellen Fall zur allgemeinen, als immer bedrohlicher empfundenen Lage. Die Versicherungen "Wir tun wirklich, was wir können" der Referatsvertreter kamen bei einzelnen Zuhörern eher an wie "man kann halt nichts machen". Da könne man bloß resignieren oder auch aggressiv werden, kommentierte eine Frau, ein anderer zürnte, er könne den Spruch "die Stadt tut alles für bezahlbaren Wohnraum" nicht mehr glauben. York Runte regte an, die Stadt solle überhaupt keine Grundstücke mehr an Bauträger verkaufen, sondern etwa nur noch in Erbpacht vergeben.

Für eine Antwort auf die grundsätzliche Frage, auf die Sibylle Stöhr mehrmals zurückkam - wie kann man langfristig Grund und Boden der Spekulation entziehen? - war die Runde an diesem Abend allerdings nicht passend besetzt. "Bei Veränderungen ist die Politik gefragt, die Verwaltung muss sich an Gesetze und Verordnungen halten", sagte Englisch. In der Wohnungspolitik und auf dem Mietsektor sei aber in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas passiert, monierte Erwin Heller, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, "viele Reformen waren reine Papiertiger". Die nächste Bundesregierung, mahnte er, "muss dieses Thema ernsthaft angehen". Enteignungen - noch einmal Klaus Eisenreich - seien kein probates Mittel gegen Wohnungsnot, eher "ein Tropfen auf dem heißen Stein". Nun, rief eine Frau zurück: "Wir brauchen viele Tropfen!"

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