Schwanthalerhöhe:Die Umwelt schützen und doch mobil sein

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Lastenräder, Car-Sharing, Radl-Rikschas: Es gibt viele Möglichkeiten, sich klimaschonend fortzubewegen. Eine Diskussion lotet aus, wie man die Bürger dafür gewinnen kann

Von Jessie Morgenroth, Schwanthalerhöhe

Es ist ein weiter Weg, von einem Viertel, in dem es sechsmal so viel Parkplatz- wie Grünfläche gibt, zu einem "Superblock" à la Barcelona. In jenen "Superilles" haben Fußgänger und Radfahrer Vorrang, können Kinder spielen, Anwohner auf Bänken sitzen, wird Straßengrau durch Bäume und Pflanzkübel grüner. Aus einem ähnlichen Vorhaben in der Schwanthalerhöhe wurde dieses Jahr nichts, eine Baustelleneinrichtung durchkreuzte den Traum vom "Westendkiez", einem geräumigen, grünen Aufenthaltsraum auf sonst zugeparkten Straßen. Übrig blieben - etwas zugespitzt formuliert - ein paar Blumenkübel an der Parkstraße. Doch die Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN) bleibt dran an ihrer Vision, Autos zurückzudrängen: "Kein Auto und doch mobil - wie können wir das im Westend gestalten?" hieß eine Diskussion im Schwanthaler Forum, zu der sich allerdings gerade mal eine Handvoll Interessierte einfand.

Eine Alternative zu Autos seien zum Beispiel Lastenräder, sagte MIN-Geschäftsführerin Hannah Henker. Mit diesen kennen sich Christiane Weiss und ihr Mann Rabieb Al Khatib besonders gut aus. Sie gründeten 2018 ihre Firma "Lastibike", es handele sich um den ersten kommerziellen E-Lastenrad-Verleih in Bayern, erklärte Weiss. Mittlerweile gibt es 20 Verleihstationen in München.

Seit 2020 befinden sich auch zwei Stationen im Westend: eine an der Ridlerstraße und eine an der Astallerstraße. Ein Lastenbike mit seinem Stauraum, sagte Christiane Weiss, könne vielseitig eingesetzt werden: zum Transport von Einkäufen, für Fahrten mit den Kindern, für Fahrten zum Wertstoffhof. Auch sperrige Baumarkteinkäufe könnten damit transportiert werden. Via Internet lässt sich ein Lastenrad buchen, die Nutzer holen das Rad an einer Station in der Nachbarschaft ab, nach einer kurzen Einweisung geht die Fahrt los. Anschließend geben die Fahrer das Bike wieder an der Verleihstation zurück.

Darüber hinaus arbeiten Christiane Weiss und ihr Mann auch am Pilotprojekt "Mobilitätsgenossenschaft Westend". Bei einer Mobilitätsgenossenschaft (MG) teilen sich mehrere Menschen ein Fahrzeug, in diesem Fall ein Lastenrad. Dieses leasen oder kaufen die Beteiligten bei Lastibike. Hinzu kommen monatliche Kosten, deren Höhe je nach gewünschtem Servicepaket variieren. Eine MG eignet sich laut Weiss sowohl für private als auch gewerbliche Nutzer. Lastibike übernimmt die Einführung im Umgang mit dem Bike sowie das Buchungssystem. Auch gebe das Unternehmen Hilfestellung bei anfallenden Aufgaben. Das MG-Pilotprojekt soll mit drei Mobilitätsgemeinschaften im Westend im Frühjahr 2022 starten. Interessierte können sich schon jetzt bei Lastibike melden.

Ebenso ums Lastenrad dreht sich alles beim Verein "Lastenradl München". Er will kostenlose Lastenräder für die Münchner zur Verfügung stellen, erklärt Mitgründerin Montserrat Miramontes, ermöglicht wird das durch viele Unterstützer und Sponsoren. Im Westend gibt es noch keine Freie-Lastenradl-Station, die nächstgelegene Ausleihmöglichkeit liegt an der Lindwurmstraße. Beim Lastenradrennen am 19. September an der Aumühle in Fürstenfeldbruck können sich Interessierte über Lastenräder informieren.

Neben Lastenrädern eignen sich auch Fahrten mit der Rikscha als umweltfreundliche Alternative zum Auto. Jozo Kovačević ist Rikschafahrer und hat die App "Urbino" ins Leben gerufen. Über diese buchen Nutzer Rikschafahrten, sowohl geplante als auch spontane Fahrten seien möglich. Allerdings gibt es bis jetzt nur ein festgelegtes Fahrgebiet, die Schwanthalerhöhe wird nur am Rande abgedeckt.

Für Bewohner, die nicht komplett auf ein Auto verzichten wollen, könnte das Prinzip Carsharing, also die gemeinsame Nutzung eines Autos, geeignet sein. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten: Beim Free-Floating steht das Auto an der Stelle, an der es der letzte Nutzer abgestellt hat, beim stationsbasiertem Carsharing muss das Auto an einer festen Station abgeholt und zurückgebracht werden, erklärte Hannah Henker. Beim privaten Carsharing teilen Autobesitzer ihr Fahrzeug selbst- oder plattformbasiert mit anderen Menschen. So haben private Autovermieter immer den Überblick, wer den Pkw nutzt.

Eine Zuschauerin bemängelte, dass es im Westend an Mobilitätsstationen fehle, an denen zum Beispiel Autos und Lastenräder zum Ausleihen bereitstehen. Auf die Frage von Hannah Henker, was Anwohner wohl daran hindere, ihr Auto abzugeben, hatte Christiane Weiss eine verblüffende Antwort. Vermutlich seien die Parkgebühren zu günstig. Erst wenn diese erhöht würden, wären die Menschen gezwungen, sich nach Alternativen umsehen. Eine Anwohnerin kritisierte zudem, dass die Kommune zwar vieles steuern könne, aber zu wenig unternehme.

© SZ vom 13.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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