Schwanthalerhöhe:"Da kannst vom Glauben abfallen"

Obwohl diverse Gremien seit sieben Jahren die Innenrenovierung von St. Rupert vorbereiten, abstimmen und planen, kommt die Kirche nicht zum Zug. Ihr fehlen ganze 0,3 Punkte auf der Prioritätenliste des Ordinariats

Von Sonja Niesmann, Schwanthalerhöhe

Schwanthalerhöhe: Nach der Außenrenovierung steht St. Rupert nach außen hin wieder gut da.

Nach der Außenrenovierung steht St. Rupert nach außen hin wieder gut da.

(Foto: Robert Haas)

"Eine bodenlose Unverschämtheit, eine Willkür!" Man sieht förmlich, wie es Andreas Lackermeier den Blutdruck in die Höhe treibt, wenn er über die Innenrenovierung der Kirche St. Rupert spricht. Seit sieben Jahren, berichtet das Mitglied der Kirchenverwaltung, befassten sich Gremien damit, werde geplant, vorbereitet und alles mit dem Denkmalschutz abgestimmt: "Und nun hat das Erzbischöfliche Ordinariat uns auf Eis gelegt - obwohl es bereits 506 500 Euro für die Vorplanungen ausgegeben hat."

Seit im vergangenen Jahr die Außenrenovierung abgeschlossen worden ist, steht das 1901 nach Plänen des Architekten Gabriel von Seidl erbaute, neuromanische Gotteshaus am Gollierplatz wieder schmuck da. Innen aber müsse praktisch alles gemacht werden, listet Lackermeier auf: die ganze Elektroinstallation, die Heizung, die Beleuchtung, die Raumakustik, die Wände, die grau statt weiß sind, ein behindertengerechter Zugang, "von künstlerischen oder liturgischen Dingen reden wir noch gar nicht". Doch auf der Prioritätenliste des Ordinariats, der Verwaltungsbehörde des Erzbistums München und Freising, erreicht St. Rupert mit 3,2 nicht die nötige Punktzahl für die endgültige Bewilligung der Arbeiten.

Schwanthalerhöhe: Erbaut wurde das Gebäude 1901 nach Plänen des Architekten Gabriel von Seidl.

Erbaut wurde das Gebäude 1901 nach Plänen des Architekten Gabriel von Seidl.

(Foto: Robert Haas)

Dabei schaue es dort aus "wie im Kohlenkeller", formulierte drastisch Thomas Hofstätter, CSU-Mitglied im Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe, den Lackermeier kürzlich um Unterstützung bat. Für die Stadtviertelpolitiker ist die Kirche mit ihrem überkuppelten Zentralbau und dem markanten Portal gemeinsam mit der benachbarten Bergmannschule "der Mittelpunkt der Schwanthalerhöhe", wie Ulrike Boesser (SPD) sagte, die Gemeinde leiste unter anderem mit ihren Basaren, dem Faschingsfest, dem Pfadfinder-Zeltlager einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben im Viertel. Mit Geld einspringen kann das Gremium natürlich nicht, aber es versprach, beim Ordinariat nachzuhaken. Auch Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung wollen noch einmal Druck machen, in einem Adventsgottesdienst haben sie hunderte Postkarten verteilt, die Protestierende ans Ordinariat schicken können.

Christoph Kappes, Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats, findet es allerdings "nicht lauter, ihnen Hoffnung zu machen". Dem kirchlichen Baureferat liegen seinen Angaben zufolge derzeit allein im "seelsorgerischen Bereich", also Kirchen, Pfarrhäuser und -heime, 430 Anträge auf Sanierungen und Renovierungen vor, das reiche von kleineren Maßnahmen bis zu Großprojekten wie etwa Heiligkreuz in Giesing, ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. "Und der Etat ist nun einmal begrenzt." Um den Stau aufzulösen und das Ganze transparenter zu machen, habe das Ordinariat 2016 eine neue Entscheidungsstruktur eingeführt. Zunächst kommt ein Antrag in den Strategischen Vergabeausschuss, der das Vorhaben mit einer Dringlichkeitsziffer in die Prioritätenliste einordnet, danach beginnen die Vorplanungen.

Mindestens 3,5 Punkte braucht ein Projekt, damit im zweiten Schritt der Vergabeausschuss, der zweimal im Jahr tagt, die Realisierung bewilligt. Dann übernimmt in der Regel das Ordinariat 85 Prozent der Kosten, den Rest muss die Gemeinde selber auftreiben, meist durch Spendensammlungen. 115 Anträge hat der Strategische Vergabeausschuss auf seine Liste gesetzt, 91 Vorhaben werden aktuell umgesetzt. Und St. Rupert mit den auf zehn Millionen geschätzten Kosten für die Innenrenovierung ist eben nicht darunter. "Diese Summe steht im Moment nicht zur Verfügung, wir bitten um Verständnis, dass wir eine Auswahl treffen müssen", betont der Ordinariatssprecher ein weiteres Mal.

Schwanthalerhöhe: Innen aber fehlt es dem Gotteshaus am Gollierplatz so gut wie an allem.

Innen aber fehlt es dem Gotteshaus am Gollierplatz so gut wie an allem.

(Foto: Robert Haas)

In die Bewertung der Dringlichkeit fließen laut Kappes diverse Kriterien ein. Wie groß ist die Gefahr für die Gotteshausbesucher? "Wenn die Decke einzustürzen droht, kann alles natürlich sehr schnell gehen." Oder: Drohen noch größere Schäden, wenn man zuwartet? Wie bedeutend ist das Bauwerk aus architektonischer oder kunsthistorischer Sicht? Wie notwendig ist es für die Seelsorge? Gelegentlich kann es zu Neubewertungen kommen, bei St. Rupert sieht Christoph Kappes aber derzeit keinen Ansatz, um das Renovierungsvorhaben aus der Warteschleife zu holen. Mit der zwischen zweieinhalb und drei Millionen Euro teuren Außenrenovierung sei die Kirche bereits zum Zuge gekommen. Und, schickt Kappes noch hinterher, der Pfarrverband München-West, dem St. Rupert angehört, hat in München "die größte Kirchendichte". Will heißen: Die Gläubigen können ja alternativ die Gottesdienste in St. Paul, St. Benedikt oder Maria Heimsuchung besuchen.

Erst in einem Gespräch im November haben Ordinariatsvertreter den Abgesandten von St. Rupert diese, ihre Sicht der Dinge noch einmal darzulegen versucht. Andreas Lackermeiers Empörung hat das nicht im Mindesten gedämpft. Man habe ihnen doch 2016 auf ihre besorgte Nachfrage hin versichert, dass ihr Projekt durch die interne Neuorganisation nicht ausgebremst werde, sagt er. "Da kannst vom Glauben abfallen."

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