Schwächen im Wahlkampf:Münchner SPD geht hart mit sich in Gericht

Dieter Reiter, 2014

"Blass und wenig zukunftsorientiert" - interne Arbeitsgruppen stellen der Münchner SPD, hier OB Dieter Reiter, kein gutes Zeugnis aus.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Partei ist "blass, konservativ und wenig zukunftsorientiert" - interne SPD-Arbeitsgruppen listen Fehler auf und kritisieren gravierende Schwächen im Kommunalwahlkampf. Eine Frage drängt besonders.

Von Dominik Hutter

"Die Münchner SPD ist nicht mehr länger die München-Partei", "Die Partei hat teilweise keine eigene Meinung", "Die SPD ist nicht mehr Spiegelbild der Gesellschaft": Münchens Sozialdemokraten haben für ihre Arbeit ein verheerendes Zeugnis erhalten - verfasst von Mitgliedern der eigenen Partei. Die Zitate stammen aus den Berichten der drei internen Arbeitsgruppen, die sich in den vergangenen Wochen intensiv mit Erscheinungsbild und Programm der SPD sowie den Fehlern im Kommunalwahlkampf befasst haben.

Die Teams, die kein festes Arbeitsfeld hatten, stimmen in ihren Analysen in weiten Teilen überein - und kommen zu dem Schluss: Es muss sich ziemlich viel ändern in der Partei, die zwar weiterhin den Oberbürgermeister stellt, im Stadtrat aber nur noch zweitstärkste Kraft nach der CSU ist.

Neben gravierenden Schwächen in der Wahlkampfstrategie haben die Arbeitsgruppen viel Grundsätzliches entdeckt, das es zu verbessern gelte. Ziemlich profillos komme die SPD daher, lautet ein in den Berichten immer wieder auftauchender Kritikpunkt. Die Partei habe im Wahlkampf "blass, wenig frisch, konservativ und wenig zukunftsorientiert" gewirkt. Eine allzu starke männliche Prägung sei nicht zu übersehen gewesen.

Zu wenig Initiative

Bei den Münchnern habe sich inzwischen der Eindruck festgesetzt, dass beim wichtigen Thema Wohnungsbau "20 Jahre nichts passiert sei", kritisiert das Team um die Juso-Vizechefin Lena Sterzer und den einstigen Bundestagskandidaten Roland Fischer. Die Sozialdemokraten würden weder als notwendig für eine soziale Stadt gesehen noch als politische Innovationskraft wahrgenommen.

Die Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Florian Post, den Landtagsabgeordneten Florian von Brunn und Vorstandsmitglied Micky Wenngatz attestiert der SPD, in den vergangenen sechs Jahren zu wenig eigene Initiativen gestartet zu haben. "Es herrschte auch keine Atmosphäre, die eine offene und ehrliche Diskussion gefördert hat." Heikle Themen würden einfach weggedrückt. Das Ergebnis seien Fehleinschätzungen der Münchner Stimmungslage, bei den Themen Olympia und dritte Startbahn etwa. Die SPD müsse künftig wieder als Partei der Macher wahrgenommen werden, fordern die Analysten rund um Stadträtin Simone Burger und Vorstandsmitglied Martin Heigl.

Aber auch die Stadtratsfraktion mit ihrem Vorsitzenden Alexander Reissl bekommt ihr Fett weg. Nur wenige neue und mutige Ideen seien aus deren Reihen gekommen. Die Fraktion sei ihrer Aufgabe als Kontrolleur der Behörden nicht nachgekommen - das Primat der Politik über die Verwaltung sei dadurch ins Wanken geraten. Mehr Sachverstand, mehr Bürgernähe und mehr Problembewusstsein müssten her. Und der Wille, Erfolge auch öffentlichkeitswirksam darzustellen.

Eine wichtige Frage drängt

Inhaltlich, so fordern die Arbeitsgruppen, müsse die SPD endlich eine Antwort auf die Frage finden, mit der sie sich noch kaum auseinandergesetzt habe: Wie München mit seinem starken Wachstum umgehen soll. Entsprechende Sorgen der Bürger seien bisher nicht ernst genommen worden. Weitere politische Fehler seien die mangelnde Unterstützung für den Trambahn-Ausbau, das Verschlafen der Leerstände im städtischen Wohnungsbestand, der Grundstücksverkauf der Stadtwerke in der Feilitzschstraße sowie eine planlose Nachverdichtung ohne Bürgerbeteiligung gewesen. Außerdem habe sich die SPD beim Reizthema Gentrifizierung allzu schnell in die Defensive drängen lassen.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen sollen den SPD-Jahresparteitag am kommenden Montag im Kolpinghaus am Stachus beschäftigen. Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann will die wichtigsten Forderungen in einem Leitantrag zur Abstimmung stellen. Um Personalien soll es dabei offenbar nicht gehen. Auch wenn eine der Gruppen vorgezogene Vorstandswahlen im Herbst fordert. Ein "Weiter so" könne sich die SPD nicht leisten, heißt es in deren Papier.

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