Mobilität:Wie BMW die Münchner Verkehrsprobleme lösen will

Eröffnung der ersten Mobilitätsstation in München, 2014

Sauber tanken: An der Münchner Freiheit gibt es bereits eine Strom-Zapfsäule für E-Fahrzeuge.

(Foto: Florian Peljak)
  • BMW arbeitet an Ideen, den Raum in Metropolen künftig effektiver zu nutzen.
  • Damit will das Unternehmen einen neuen Markt erobern.
  • Bei einem Dialog mit Münchnern will der Autobauer herausfinden, was die Menschen mit ihren Autos verbindet.

Von Ellen Draxel

Bislang ist es nur eine Vision: eine Straße in der Innenstadt, die nicht zugeparkt, sondern von Grünstreifen begrenzt wird; Stationen für Mieträder finden sich neben Bushaltestellen; Carsharing-Autos teilen sich die verbliebenen Stellplätze mit privaten Fahrzeugen. Zu sehen auf einer Folie von BMW.

Münchens größtes Unternehmen entwickelt und verkauft nicht nur Autos. Es arbeitet auch an Ideen, den Raum in Metropolen künftig effektiver zu nutzen. "Das Maß aller Dinge", sagt Thiemo Schalk, "sind die Ziele einer Stadt". Schalk befasst sich bei BMW mit urbaner Mobilität: "Es geht uns darum, Lösungen zu finden, den Pkw-Verkehr im Innenstadtbereich zu reduzieren". Dass ausgerechnet ein Autohersteller dafür plädiert, das eigene Fahrzeug abzuschaffen und auf Angebote wie Carsharing umzusteigen, ist für Schalk kein Widerspruch: "Alternativen bei der Mobilität sind Trends, die kommen auf jeden Fall. Und wir wollen sie mitgestalten, nicht verschlafen."

BMW arbeitet schon seit den Neunzigerjahren mit der Stadtverwaltung bei der Lösung von Verkehrsproblemen eng zusammen, "Inzell-Initiative" nennt sich das Projekt, durch das unter anderem das Parkraummanagement entstanden ist. Inzwischen geht es zusätzlich um Elektromobilität, das Carsharing könnte für diese Technik ein durchaus effektiver "Katalysator" sein, meint Schalk.

Wer einmal ein E-Auto ausprobiert habe, habe weniger Vorbehalte. BMW betreibt mit dem Autovermieter Sixt das Gemeinschaftsunternehmen "Drive Now", bei dem sich angemeldete Nutzer BMW- und Mini-Modelle ausleihen können: "Wir wissen, dass Elektrofahrzeuge dieser Flotte häufiger genutzt werden als konventionelle Autos."

Carsharing darf nicht als Verzicht gelten

Noch aber gibt es für die Elektrofahrzeuge zu wenige Ladesäulen. Zwar sollen jetzt hundert Säulen in der Stadt errichtet werden, jeweils nutzbar von zwei Fahrzeugen gleichzeitig. Aber das, findet Schalk, ist bei weitem nicht ausreichend: "Wenn wir da nicht weiterkommen, bleibt die innovative Technik ein Strohfeuer." Der Autokonzern will deshalb Unternehmen wie Siemens überzeugen, Ladesäulen für Mitarbeiter auf den Firmengeländen bereitzustellen.

"Für uns hängen Parkraumbewirtschaftung, Carsharing und Elektromobilität eng zusammen". Das Teilen der Autos ist aus BMW-Sicht der Schlüssel zur Flexibilität. Und ein Mittel, Privatfahrzeuge in Städten zu reduzieren. "Jeder, der sein Auto behalten will, soll das natürlich tun", betont der Politologe, "auf Carsharing umzusteigen, darf nicht als Verzicht empfunden werden, sondern als Versicherung der Mobilitätsbedürfnisse."

Das Auto steht die meiste Zeit herum

Der private Fuhrpark in München ist im Durchschnitt neuneinhalb Jahre alt - die Autos stehen die meiste Zeit auf Parkplätzen und blockieren urbane Räume. Carsharing hingegen impliziert Mobilität: Das Teilen eines Autos rechnet sich für viele nicht nur finanziell - eine Studie im Auftrag des Kreisverwaltungsreferates ergab, dass jedes Carsharing-Auto in München etwa drei Privatfahrzeuge ersetzt. 1500 Kfz-Stellplätze sind so in den vergangenen Jahren frei geworden, die die Verkehrsbehörde nun anders nutzen will. Zum Beispiel, um reine Carsharing-Stellplätze einzurichten oder um zusätzliche Fahrradabstellplätze zu schaffen.

Denkbar wäre es auch, Mobilitätsstationen, wie es sie seit einiger Zeit bereits an der Münchner Freiheit gibt, an weiteren zentralen Stellen im Stadtgebiet aufzubauen. Dort könnten Nutzer von Bussen und Bahnen auf Carsharing-Autos oder die Mietfahrräder der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) umsteigen.

Weiterentwicklung im Dialog mit den Bürgern

Die Politik allerdings ist zurückhaltend - vor allem CSU, FDP und Freie Wähler im Rathaus fürchten, dass der geplante "grüne Parkraum" denen den Platz nehmen wird, die dennoch weiterhin ein eigenes Auto fahren wollen. Im westlichen Schwabing etwa, dem am dichtesten besiedelten Stadtbezirk Münchens, werden permanent Dachgeschosse ausgebaut, Wohnraum wird verdichtet, zusätzliche Parkplätze werden gebraucht - weswegen sich der Bezirksausschuss schon mal über die BMW-Vision unterrichten ließ.

Dass BMW mit dem Carsharing nicht nur nachhaltig agieren, sondern auch einen neuen Markt erobern will, ist nachvollziehbar. Wie hoch die Marge liegt, beziffert Thiemo Schalk allerdings nicht. Nur so viel: "Wir sind in der Gewinnzone." Natürlich müsse die Flotte von derzeit 500 Fahrzeugen im Stadtgebiet - elektrisch und konventionell angetrieben - wachsen.

Die Vision eines Verkehrskonzeptes der Zukunft will der Autokonzern künftig im Bürgerdialog fixieren. Testquartiere sind Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und Sendling, Gebiete mit extrem hohem Parkdruck. "Wir wollen erfahren, wie die Menschen von einem Ort zum anderen kommen und welche Ansprüche sie ans Auto haben." Also: Wann nutzen sie ihr Fahrzeug - für Großeinkäufe, im Urlaub oder auf dem Weg zur Arbeit, benötigen sie Kindersitze? Ein Zeitfenster für die geplanten Interviews gibt es bisher nicht.

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