Schwabing:"Wir gehören dann der Katz"

Die Erhaltungssatzung der nördlichen Bauerstraße soll gekippt werden. Die Mieter von Hausnummer zehn und zwölf befürchten nun, dass die Wohnungen modernisiert werden und sich die Mieten drastisch erhöhen

Von Ellen Draxel, Schwabing

Die Mieter der Bauerstraße 10 und 12 befürchten das Schlimmste. Bislang liegen ihre Häuser noch im Erhaltungssatzungsgebiet. Das könnte sich in Zukunft ändern: Einem Entwurf für den neuen Satzungsbeschluss zufolge, der laut dem Sprecher des Planungsreferats Thorsten Vogel Mitte Januar dem Planungsausschuss des Stadtrats und eine Woche später der Vollversammlung vorgelegt wird und dann gegebenenfalls am 31. Januar in Kraft tritt, soll das Gebiet "Hohenzollernplatz/Hiltenspergerstraße" verändert werden. "In der Summe wird es größer", erklärt Vogel, die Empfehlung beinhalte eine Erweiterung nördlich der Clemensstraße. Zugleich jedoch ist vorgesehen, einen Teil des jetzigen Gebiets zu streichen - einen Bereich im Südosten mit rund 3300 Wohnungen, in denen etwa 5600 Menschen leben, darunter die Bewohner der Bauerstraße 10 und 12.

"Die Mieter der nördlichen Bauerstraße sehen in der Kappung des Erhaltungssatzungsgebiets ein Problem - und wir auch", meinte Gremiums-Chef Walter Klein (SPD) in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Schwabing-West. Seit knapp zwei Jahren gehören die Häuser an der Bauerstraße 10 und 12 der Rock Capital Group GmbH, einem Immobilien-Projektentwickler mit Sitz in Grünwald. Als das Unternehmen damals die beiden Gebäude von der Axa-Versicherung kaufen wollte, grätschte die Stadt im Interesse der Mieter dazwischen und übte ihr Vorkaufsrecht aus. Um die Gebäude doch noch zu erwerben, blieb Rock Capital nichts anderes übrig, als eine Abwendungserklärung zu unterzeichnen. Der Investor verpflichtete sich damit, die Wohnungen zehn Jahre lang nicht in Eigentums- oder Luxuswohnungen umzuwandeln. Fallen die Häuser aber aus der Erhaltungssatzung heraus, wird dieser Schutzzeitraum zur Makulatur - denn die Verpflichtungen gelten nur, solange Anwesen im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung liegen. In diesem Fall wären das dann lediglich zwei Jahre gewesen. "Das ist Wahnsinn, wir gehören dann der Katz", sagt eine Mieterin der Bauerstraße 10.

Schwabing: Fällt die Erhaltungssatzung, fällt auch die Abwendungserklärung: Die Bewohner von Bauerstraße 10 (rosa Eckhaus) befürchten teurere Mieten.

Fällt die Erhaltungssatzung, fällt auch die Abwendungserklärung: Die Bewohner von Bauerstraße 10 (rosa Eckhaus) befürchten teurere Mieten.

(Foto: Robert Haas)

In sechs leer stehenden Wohnungen des Komplexes, die Familien, wie Altmieter erzählen, "aus Angst vor Mietervertreibung" bereits verlassen hätten, seien inzwischen Studenten eingezogen. Jedes Zimmer in diesen WGs sei infolge einer anstehenden Sanierung befristet auf zwei Jahre für 600 bis 700 Euro auf Immoscout angeboten worden. Damit hätte sich die Miete für diese Wohnungen in den vergangenen zwei Jahren "nahezu verdoppelt", haben Nachbarn geschlussfolgert - ohne dass modernisiert worden wäre.

Teurere Mieten trotz gleichbleibender Standards - ein Argument, das auch Westschwabings Bürgervertreter geltend machen. Aus Sicht der Lokalpolitiker greifen die Kriterien, die die Stadtverwaltung in der Frage der weiteren Gültigkeit der Erhaltungssatzung in diesem Bereich anlegt, "einfach nicht". Die Stadt begründet ihre neue Bewertung der Häuserblocks im Südosten mit einem hohen Aufwertungspotenzial, basierend auf vielen schon modernisierten Wohnungen. Aufgrund hoher Mieten habe sich die Bevölkerungsstruktur geändert, eine Verdrängung der Alteingesessenen befürchtet man im Planungsreferat für diesem Bereich daher nicht mehr. "Die Kaufkraft", summiert Sprecher Vogel, "liegt in diesen Blocks deutlich über dem städtischen Durchschnitt". Die Daten zur Kaufkraft erhält die Behörde von der Gesellschaft für Konsumforschung (Gfk) in Nürnberg.

Rechtslage

"Die mit der Abwendungserklärung einhergehenden Einschränkungen der Eigentümerrechte sind nicht mehr gerechtfertigt, wenn die zugrunde liegende Erhaltungssatzung wegfällt. Läuft eine Satzung aus und wird bewusst nicht verlängert, weil die Voraussetzungen im jeweiligen Gebiet nicht mehr gegeben sind, so fehlt es an einer Grundlage für die Bindungen in der Abwendungserklärung, mit der Folge dass diese ungerechtfertigt und damit unzulässig sind." (Beschluss der Vollversammmlung am 27. Juni 2018) eda

Bezirksausschuss-Chef Klein dagegen kann diese Einschätzung der Verwaltung nicht teilen. "Die Realität", sagt er, "sieht etwas anders aus". Die Mieten seien zwar erhöht worden und würden auch - noch - bezahlt. Aber am Standard habe sich nur wenig und in den Häusern an der Bauerstraße gar nichts verändert. "Bei uns", bestätigt eine Mieterin, "wurde nichts aufgewertet". "Die Erhaltungssatzung", ergänzt Klein, "ist zum Schutz der Mieter da - da geht es nicht nur um mathematische Grundlagen". Vogel hingegen betont, die Erhaltungssatzung sei "ein Instrument des Städtebaus, nicht des individuellen Mieterschutzes". Mithilfe der Satzung soll verhindert werden, dass Mietwohnungen luxussaniert oder in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Denn das hätte eine Verdrängung der Bewohner zur Folge. Außerdem müssen geplante Modernisierungen auch vom Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat genehmigt werden.

Der BA fordert nun ein Treffen mit Vertretern des Planungsreferats Anfang Januar, um sich die Situation an Ort und Stelle anzuschauen. "So etwas", sagt Klein, "kann man nicht vom Schreibtisch aus entscheiden".

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