Schwabing:Warum der Clemensburg das Aus droht

Lokal 'Clemensburg' in München, 2011

Die dunkel getäfelte Wirtschaft ist "eine echte Wärmestube", sagt die SPD-Politikerin Ruth Waldmann.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sie ist der Treffpunkt für Fans von Borussia Dortmund in München: Doch nun steht die Clemensburg in Schwabing vor der Schließung. Die Kneipe produziere zu viel Lärm, sagen die Vermieter. Und das ist längst nicht das einzige Problem.

Von Ellen Draxel und Stefan Mühleisen

Die Kneipe ist gut gefüllt. Es ist acht Uhr abends, einige der jungen Leute haben sich gerade etwas zu essen bestellt: Currywurst mit Pommes, Schinkennudeln oder Chili con Carne. Andere spielen hinter der Tür Darts oder sitzen an der Bar. Alle paar Minuten trifft ein neuer Gästepulk ein - die meisten von ihnen Studenten.

"Die Clemensburg", sagt die im Viertel ansässige SPD-Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann, "ist das Wohnzimmer Schwabings. Keiner dieser modernen Konsumtempel, sondern eine echte Wärmestube." Mit dunkel getäfeltem Holz, Stickern an den Wänden und orangefarbenen Lampen. Seit 110 Jahren gibt es diesen Ort zum Ratschen.

Jetzt aber scheint die Zukunft der Clemensburg in Gefahr. Wirtin Sonja Pintaric hat ein Schreiben ihres Vermieters erhalten, der Baugenossenschaft München-Schwabing. Im Juli schon. Darin deutet die Baugenossenschaft an, dass sie "derzeit an einer längerfristigen Verpachtung der Räumlichkeiten nicht interessiert" sei und daher "andere Nutzungskonzepte" prüfe. Vor ein paar Tagen erst, sagt Pintaric, habe sich eine Architektin in der Kneipe umgesehen. "Sie wollte wissen, ob man hier ein Genossenschaftsbüro unterbringen kann."

Erst kamen die Schalker, dann die Dortmunder

Mitte kommenden Jahres läuft der fünfjährige Pachtvertrag aus, Pintaric war deshalb schon vor einem Jahr beim Genossenschaftsvorstand. Sie bat, die Gaststätte alleine weiterführen zu dürfen, ohne ihre Partnerin Barbara Jakisch. "Barbara hört auf, weil sie als Software-Entwicklerin beruflich stark eingebunden ist, und beides zusammen für sie eine zu große Belastung wäre." Pintarics Plan war, das Speisenangebot auszuweiten, einen Koch einzustellen. Und sie wollte "das mit der Fangemeinde zurückfahren", um die teuren Sky-Gebühren zu sparen. Doch die Chef-Genossen reagierten zurückhaltend.

Dass die Clemensburg seit ein paar Jahren als das Münchner Mekka der Fans von Borussia Dortmund gilt, ist der Genossenschaft schon länger ein Dorn im Auge. "Wir haben uns eine Gaststätte vorgestellt, wie es sie früher gab, eine Studentenkneipe mit einfachen Gerichten als sozialer Treffpunkt", sagt Herbert Frötsch, Mitglied im dreiköpfigen Vorstand der Baugenossenschaft. "Aber was die beiden Frauen daraus gemacht haben, gefällt uns nicht."

Borussia Dortmund Fans beim Public Viewing des Champions League Finales in München, 2013

In der Clemensburg erlebten Dortmund-Fans die Niederlage im Champions-League-Finale 2013.

(Foto: Robert Haas)

Das Lokal, verteidigt sich die Wirtin, sei schon immer eine Fußballkneipe gewesen, "das steht im Konzept". Früher hätten die Schalker Fans die Clemensburg besucht, später kamen die Borussen. "Niemand konnte wissen, dass die Dortmunder damals Meister werden würden. Das war dann halt ein Riesen-Hype."

Wirtinnen vermuten einen Vertrauensbruch

In den vergangenen Jahren, kritisiert der Genossenschaftsvorstand, habe es immer wieder Beschwerden von Nachbarn wegen Lärmbelästigung gegeben. Von insgesamt 450 Bestandswohnungen der Baugenossenschaft in Milbertshofen und Schwabing liegen gut 150 im Umkreis der Clemensburg. "Wir sind in erster Linie unseren Mietern verpflichtet. Die sollen hier gut wohnen können", begründet Frötsch die Erwägung, die Kneipe zu schließen.

Eine Argumentation, die Pintaric nicht versteht. "Wir hatten nur einmal Schwierigkeiten", erinnert sie sich. Eine Dame, die direkt über der Kneipe in dem als Wirtswohnung gedachten Appartement wohnte, klagte 2011 über Ruhestörungen. Die Stadt veranlasste daraufhin eine Lärm-Messung, das Ergebnis waren überhöhte Dezibel-Werte. Die Clemensburg bekam die Auflage, einen Monat lang spätestens um 22 Uhr zu schließen. Während dieser Zeit suchte die Genossenschaft eine Ersatzwohnung für die Mieterin. Die Wirtinnen waren damals sogar bereit, den Umzug zu bezahlen. "Die Frau war die Leidtragende, sie bekam alles ab", sagt Pintaric. Doch das sei ein Einzelfall gewesen, danach habe es keine Beschwerden mehr gegeben.

Lokal 'Clemensburg' in München, 2011

Weil Nachbarn sich über Lärm beschweren, zögert die Genossenschaft jetzt, den Pachtvertrag zu verlängern.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Vertrauensbruch, mutmaßt Sonja Pintaric, sei letztlich wohl der Wunsch der Pächterinnen gewesen, auf der Straße Stühle aufzustellen. "Wir haben x-mal beim Vorstand angefragt, bekamen aber keine positive Antwort." Daraufhin beantragten die Wirtinnen die Freischankfläche in Eigeninitiative. "Das war wichtig für unser Fortbestehen. Wir mussten mit den Stühlen zeigen: Es gibt uns hier."

Ob die Clemensburg nun tatsächlich schließen muss oder weiter bestehen darf, ist nicht endgültig geklärt. "Das müssen der Vorstand und der Aufsichtsrat gemeinsam abwägen", sagt Vorstand Frötsch. Die Genossenschaft, betont er, hätte den Pachtvertrag im Oktober durchaus verlängert - allerdings nur mit beiden Wirtinnen. "Es besteht ein Vertrag mit beiden Frauen, doch es wollte nur eine weitermachen", sagt Frötsch. Dies jedoch sei juristisch nicht möglich gewesen. Erst müsse der alte Vertrag abgewickelt werden, bis ein neuer geschlossen werden könne. Warum man dann nicht einfach einen neuen Vertrag aufsetze, allein mit Sonja Pintaric, gültig von Juli 2015 an? Darauf gibt Frötsch keine Antwort. Der Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat könne er nicht vorgreifen, sagt er bloß.

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