Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Vertikale Kunst-Oase

Der Verein Doku möchte im Domagkpark einen 60 Meter hohen Atelier-Turm bauen. Für die Vision fehlt es an Geld

Von Johannes Korsche, Schwabing

Einst beherbergte der Domagkpark in seinen alten Kasernengebäuden die "zeitweilig größte Künstlerkolonie Europas", wie die Stadt noch heute mit Stolz in Broschüren verkündet. Davon übrig geblieben ist vor allem ein Haus: der Kunsthof an der Margarete-Schütte-Lihotzky-Straße. Derzeit vermietet die Stadt dort 101 Ateliers für jeweils fünf Jahre. Künftig können dort mehr Künstler arbeiten: Das Kulturreferat bestätigt, dass auf dem Gelände eine weiteres Gebäude für Ateliers geplant ist. Eine entsprechende Vorlage sei derzeit erst in Arbeit. Trotzdem schlug das Thema bereits im Bezirksausschuss auf, was Lars Mentrup (SPD) zum Anlass nahm, seine Vision für den Künstlerhof vorzustellen. Zusätzlich zu dem geplanten Atelierhaus der Stadt, will er - und mit ihm der Bezirksausschuss - einen knapp 60 Meter hohen Künstlerturm, in den weitere 100 Ateliers und Bandprobenräume einziehen könnten. So könnte aus der einst größten die höchste Künstlerkolonie der Stadt werden - wenn die Finanzierung klappt und das Baurecht geändert wird.

Doch um einen Rekord geht es Mentrup nicht. Er ist Vorsitzender des Vereins Domagk Kunstunterstützung (Doku), der die Domagkateliers betreibt. Er habe lange nach mehr Räumen für die Künstler gesucht und sich dann gedacht: "Warum nicht auf dem eigenen Gelände?". Das sei ja noch recht luftig bebaut, die Atelierhäuser beschreiben derzeit eine U-Form, in der Mitte liegt ein großer gemeinsamer Hof. Schon der städtebauliche Siegerentwurf sah 2002 vor, dieses U mit einem weiteren Haus weitgehend zu schließen. Doch schließen will Mentrup den Hof nicht, im Gegenteil. Das Gebäude will er aufrichten und in die Höhe bauen. Die Vorteile: Der Kunsthof bliebe nach außen offen, es könnten weitere Künstler einziehen - etwa 100, schätzt Mentrup. Und das zusätzlich zum ohnehin geplanten Atelierhaus der Stadt, über dessen Größe das Kulturreferat noch keine Auskunft gibt.

Räume wären das jedenfalls, die es in München dringend bräuchte. Bei der turnusmäßigen Neuvermietung der Domagkateliers, die alle fünf Jahre ansteht, seien 78 Künstler leer ausgegangen, berichtet Mentrup. Schlicht weil es mehr Bewerber als Ateliers gab. Außerdem seien im vergangenen Jahr etwa 200 Ateliers in München "verschwunden", rechnet er vor. "Die Nachfrage wird ungebremst sein". Zumal er die Kaltmieten zwischen acht und 9,50 Euro pro Quadratmeter preiswert halten und auf einen vorgeschriebenen Mieterwechsel verzichten will. Der Künstlerturm soll "unter unser eigenen Ägide stehen", sagt der Doku-Vorsitzende. Die "Oase des freien Denkens", die die Künstlerkolonie mit ihren etwa 300 Künstlern einmal war, soll "wieder aufleben".

Ein Selbstläufer ist der Künstlerturm allerdings nicht. Zwei wesentliche Probleme gibt es nämlich noch. Erstens, die nicht gesicherte Finanzierung. Etwa zehn Millionen Euro würde der Bau kosten, sagt Mentrup. Für ein Hochhaus nicht viel, weil die Ausstattung bewusst spartanisch angedacht ist. Es gebe bereits Zusagen einer Bank, sechs Millionen davon zu finanzieren, sagt Mentrup. Vorausgesetzt die Künstler bringen den Rest selbst ein. Er versucht derzeit, einen "großen Fisch zu fangen", also einen Investor aufzutreiben. Ein Unternehmen aus der benachbarten Parkstadt zum Beispiel. Vielleicht wolle sich aber auch ein Münchner Privatier "ein Denkmal setzen".

Die zweite Hürde: das Baurecht. Ein Hochhaus dürfte an dieser Stelle derzeit nicht stehen. Allerdings sollte so ein Projekt grundsätzlich "gut möglich" sein, findet Mentrup. Einerseits stünde der Künstlerturm in einer Achse mit den Highlight-Towers und dem Osram-Hochhaus, fiele also nicht aus der Umgebung. Andererseits würde er auch zu den Vorgaben der Hochhausstudie passen, deren Entwurf 2019 vorgestellt wurde. Die Studie soll höheres Bauen in München möglich machen.

Bei all diesen Unwägbarkeiten ist der Künstlerturm im Domagkpark bisher nicht mehr als eine Zukunftsvision, die aber immerhin im Bezirksausschuss Zustimmung fand. Und Künstler sind ja im besonderen Maße für Visionen zuständig.

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SZ vom 07.04.2020
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