Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Unter dem Damoklesschwert

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Weil ihr Wohnblock am Luitpoldpark verkauft wurde, fürchten Mieter, Opfer von Immobilienspekulation zu werden. Der neue Eigentümer wiegelt ab, schließt aber einen Weiterverkauf nicht aus

Von Ellen Draxel, Schwabing

Jahrzehntelang haben sich die Mieter des Karrees Schleißheimer/Bamberger/Gernotstraße in ihren vier Wänden "geschützt gefühlt". So etwas wie Mietervertreibung, dachten sie, passiere anderen, ihnen nicht. Ihr Wohnblock, nur wenige Meter vom idyllischen Luitpoldpark im nördlichen Schwabing gelegen, gehörte damals Barbara Riepl, ehemals Honorarkonsulin Thailands für Bayern und Sachsen und 2015 vom Freistaat für ihre sozial-karitativen, humanitären und kulturellen Aktivitäten mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet. Jetzt aber, sagt Bewohner Jens van Rooij, habe es auch ihn und seine Nachbarn "kalt erwischt". Ein Eigentümerwechsel macht den 90 Mietparteien der Wohnanlage Angst - sie fürchten, Opfer von Immobilienspekulanten zu werden.

Alles begann, als Riepl die Anlage an die Conta Grundbesitz & Beteiligungs-Aktiengesellschaft verkaufte. Sie wolle in Zukunft kürzer treten, begründet Riepl ihre Entscheidung. Die Conta jedenfalls beantragte daraufhin, den Häuserblock um zwei Stockwerke zu erhöhen und einen zweigeschossigen Neubau im Innenhof zu errichten, zog das Vorhaben dann im Mai aber wieder zurück, bevor die Lokalbaukommission einen Genehmigungsbescheid erlassen oder ablehnen konnte. Mittlerweile hat Jargonnant Partners (JP) die Wohnanlage erworben, eine große Fondsgesellschaft aus Luxemburg, die ausschließlich in Immobilien investiert.

"Wir befürchten, dass jetzt das Damoklesschwert über uns schwebt", sagt van Rooij. Dieselbe Vermutung hat auch Albrecht Schmidt. Der Sozialdemokrat sitzt im Bezirksausschuss Schwabing-West und ist seit langem im städtischen Mieterbeirat aktiv. Er kennt die Machenschaften und Tricks, mit denen Mieter vertrieben werden. Weit mehr als hundert Mietergemeinschaften hat Schmidt schon zur Gründung verholfen. "Der neue luxemburgische Investor", sagt der Lokalpolitiker, "steht dafür, Rendite machen zu wollen". Vor fünf Jahren hat JP in Oberschleißheim eine abgewohnte Anlage mit 440 Wohnungen von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gekauft, sie saniert, modernisiert - und 2017 an den Augsburger Immobilienkonzern Patrizia verkauft.

Die Menschen im Schwabinger Wohnblock an der Schleißheimer Straße 238- 244 und der Gernotstraße 1-9, weiß Jens van Rooij, wären in so einem Fall erheblich unter Druck. "Bei uns leben viele Senioren, die meisten sind auf eine günstige Miete angewiesen." Einige wohnen seit rund 40 Jahren in den Häusern, ihre Miete liegt noch deutlich unter dem Mietspiegel. "Warum", fragt sich van Rooij, "müssen Leute, die an diesem Ort schon so lange glücklich sind und die hier alt werden wollten, nun möglicherweise raus, nur damit anonyme Investoren noch reicher werden?"

Eine Frage, die auch Westschwabings Politiker nicht in der Lage sind zu beantworten. Zwei Dinge aber zumindest können sie tun: den Mietern helfen, mit einer Stimme zu sprechen, indem sie sie bei der Gründung einer Mietergemeinschaft unterstützen. Der Termin für das Gründungstreffen war vergangene Woche, van Rooij hat den Vorsitz übernommen.

Außerdem bittet der Bezirksausschuss die Stadt zu prüfen, ob im Areal zwischen Birnauer, Lerchenauer, Bamberger, Gernot- und Giselherstraße künftig die Erhaltungssatzung gelten kann. Bislang gilt der Milieuschutz in dieser Gegend nicht. "Schon seit 2012 häufen sich in diesem Gebiet die Verkäufe von Mietshäusern", begründen die Stadtteilvertreter ihre Forderung. Mietergemeinschaften gebe es deshalb bereits in Häusern an der Sailer-, der Giselher-, der Burgunder und der Schleißheimer Straße. Schützenhilfe erhalten die Bürgervertreter auch von der Landtagsabgeordneten Ruth Waldmann (SPD). Ob solch ein Erlass, sollte er von der Verwaltung und vom Stadtrat befürwortet werden, allerdings noch rechtzeitig kommt, um Jens van Rooij und seinen Nachbarn zu helfen, steht auf einem anderen Blatt.

Bei Jargonnant Partners indes versteht man die ganze Aufregung nicht. Das Unternehmen plane lediglich den Ausbau der Dachgeschosse und in den Gebäuden an der Bamberger und der Schleißheimer Straße die Erhöhung um ein Stockwerk, heißt es von Seiten der Geschäftsleitung. Außerdem sollen die Häuser an der Schleißheimer Straße einen Aufzug bekommen. Im Innenhof wolle man eine Tiefgarage bauen, den Hof anschließend aber wieder begrünen. "Für die Mieter bedeutet das im schlimmsten Fall Baulärm ab Ende 2019, vorausgesetzt, wir bekommen das Vorhaben genehmigt." Mehr nicht. "Wir machen keine Luxussanierungen und auch keine Modernisierungen, deren Kosten dann zu elf Prozent auf die Mieter umgelegt werden." Weder würden die Häuser gedämmt noch müssten die Fenster ausgetauscht werden. Möglich sei allerdings, dass die Elektrik dem aktuellen Stand der Technik anzupassen sei. "Und auch die Fassade wollen wir ein bisschen hübscher machen." Eine "turnusgemäße Mieterhöhung bis zum Mietspiegel" will die Geschäftsleitung allerdings "nicht ausschließen". Offen sei zudem, ob die JP die Anlage später einmal wieder verkaufe. "Sicher aber ist: Wir kündigen niemandem und wir schmeißen auch keinen raus." Sobald Details und Kosten des Vorhabens bekannt sind, sollen die Mieter darüber per Rundschreiben informiert werden.

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SZ vom 24.07.2018
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