Schwabing:Schön schräg

Im Herbst soll die Runderneuerung des Wedekindplatzes abgeschlossen sein. Dann wird auch ein Relikt aus der Versenkung geholt, das als Symbol für die verruchte Vergangenheit des Viertels gilt: die "Schwabinger Laterne"

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Behaglich lümmeln die Paare auf den Bänken, eine junge Frau schaut kokett. Links - an der Stelle, an der sich heute die McDonald's-Filiale findet - türmt sich saftiges Obst auf einer Standl-Auslage. Sanft streicheln die Sonnenstrahlen den Lack einiger Karossen mit ausladenden Kotflügeln. Wolfgang Roucka schaut versonnen auf diese Szenerie, die ein Schwabinger Künstler 1963 auf eine Leinwand gebannt hat. "Es war eine Idylle", schwärmt der 74-Jährige über diesen einst blühenden Pol des Schlawiner-Viertels Schwabing, der schon lange zum Schandfleck verkommen ist: den Wedekindplatz.

Roucka steht in seiner Galerie, die es seit bald 50 Jahren an der südlichen Platzseite gibt. Er selbst und auch der Laden sind eine Institution, "Posterkönig" wurde er früher genannt. Der weißbärtige Fotograf wendet den Blick nun ab vom Gemälde und schaut hinaus durchs Fenster, wo Bagger und Bauarbeiter gerade an der Wiederbelebung der Idylle werkeln: Der triste Platz soll in neuem Glanz erstrahlen, ein Ort zum Sitzen und Flanieren, befreit vom wucherndem Gestrüpp - und vom Verkehr, der den Platz bisher vom Stadtraum abschnürt. Das Sahnehäubchen wird zudem ein verbogenes Relikt des alten, verruchten Schwabing: die berühmte "Schwabinger Laterne" der ebenso legendären "Schwabinger Gisela".

Gisela Jonas, 2011

Giselas berühmte "Schwabinger Laterne".

(Foto: Stephan Rumpf)

Diese krumme Lampe sieht aus, als hätte sich ein beschwipster Elefant mal eben kurz angelehnt - was im übrigen gar nicht so abwegig wäre. Schließlich stammt sie aus einer Zeit, als Ausschweifungen und verrückte Partys den lasterhaften Ruf Schwabings begründeten. Gisela Dialer-Jonas führte von 1952 an an der Occamstraße 8 ihr Lokal "Bei Gisela", das zu einem für seine frivolen Gelage berühmten Nachtclub avancierte und heute "Vereinsheim" heißt. Dort gab sich der internationale Jetset die Klinke in die Hand, und alle liebten die Gisela. Sie sang schlüpfrige Chansons mit rauchiger Stimme und rekelte sich dabei an eben jener windschiefen Leuchte, die als "Schwabinger Laterne" zum Symbol für diese legendäre Zeit wurde.

Anfang der Achtzigerjahre gelangte das schräge Ding in den Besitz von Wolfgang Roucka, selbst ein eher unverbogenes Schwabinger Original. Die Gisela sang damals im "Café Giesing", geführt von Konstantin Wecker, ihr berühmtes Markenzeichen hatte sie mitgenommen. "Irgend ein Betrunkener hat bei einer Party dort die Laterne herausgerissen und die Hochuferböschung hinuntergeschmissen", erzählt Roucka. Ein Freund fand und reparierte das kuriose Unikat - und schenkte es dem Galeristen. Der erfand bald den Kunstpreis "Schwabinger Laterne" - die krumme Lampe im Miniaturformat, das große Original schmückte derweil den Galerieraum. Rouckas Freund Ekkehard Pascoe - er sitzt für die Grünen im Bezirksausschuss - kam im Frühjahr auf die Idee, dem ausgefallenen Relikt einen würdigen Ort zu verschaffen - eben auf dem Wedekindplatz, in Sichtweite des berühmten Lokals, als "künftiges Symbol für Altschwabing", sagt Pascoe. Die Mehrheit des Gremiums war begeistert, und das Baureferat entsprach den Wunsch umgehend.

Schwabing: Die "Schwabinger Laterne" wird auf dem Wedekindplatz aufgestellt, wenn die Bagger abgezogen sind.

Die "Schwabinger Laterne" wird auf dem Wedekindplatz aufgestellt, wenn die Bagger abgezogen sind.

(Foto: Robert Haas)

"Wo passt die Laterne besser hin als auf diesen Platz?", sagt Florian Hochstätter, der zuständige Sachgebietsleiter in der Behörde. Derzeit muss die "Schwabinger Laterne" allerdings noch umgebaut werden: neue Elektrik, neue Scheiben, neuer Sockel. Bereits Ende August könnte sie montiert werden, so Hochstätter - er will sich allerdings nicht festlegen. Denn womöglich wird die skurrile Lampe auch der Schlussstein für den dann runderneuerten Wedekindplatz.

Die Fertigstellung ist für Oktober angesetzt. Es wird das Ende einer Frischzellenkur für den gesamten Straßenzug der Feilitzschstraße zwischen Münchner Freiheit und Englischem Garten. Die Stadt gibt dafür gut 1,7 Millionen Euro aus. "Vielleicht schaffen wir es auch schon vor dem Oktoberfest", sagt Hochstätter.

Das Konzept klingt danach, als könnte die einstige Idylle wieder eine Chance bekommen. Die Planer haben 14 Parkplätze abgezwackt, um Flaneuren mehr Raum zu verschaffen. Auf der südlichen Seite des Platzes - dort, wo sich auch das Lokal "Drugstore" findet - entsteht dadurch wesentlich mehr Freifläche. Gegenüber wird ebenfalls mehr Platz zum Herumlümmeln sein - auf Bänken sowie auf Stühlen, die sich um den günstiger platzierten und freigestellten Wedekind-Brunnen gruppieren. Die drei Ahornbäume bleiben erhalten. "Alles wird freier, lockerer, sicherer und nicht mehr so eng gedrängt", verspricht Chefplaner Hochstätter. Durch einen auf Fahrbahn und Gehwegen durchgängigen Belag soll das Ensemble zudem einen homogenen Charakter bekommen.

Schwabing: Die Fertigstellung ist für Oktober angesetzt.

Die Fertigstellung ist für Oktober angesetzt.

(Foto: Robert Haas)

Wolfgang Roucka vergnügt das alles sehr. Er macht sich bereits Gedanken, wie das Denkmal für Gisela und die verruchte Vergangenheit angemessen ausschweifend gefeiert werden kann. Er stellt sich einen "Lampion-Sterngang" vor, bei dem die Schwabinger von den angrenzenden Straßen zur Laterne pilgern. Dafür hat er bereits Buttons mit der Aufschrift "Schwabing leuchtet" angefertigt: "Und einen Sponsor für die Lampions habe ich auch."

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