Schwabing:Perspektiven für die Parkstadt

Schwabing: Laut und voll: Parkstadt-Anwohner beschweren sich über den Verkehr.

Laut und voll: Parkstadt-Anwohner beschweren sich über den Verkehr.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Frühjahr 2016 soll ein Mobilitätskonzept zu Gunsten des Quartiers fertig sein

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Die Frau lässt sich nicht lange bitten. Sie ergreift das Wort und lässt ihrem Frust freien Lauf. "Es geht hier ums Eingemachte", eröffnet sie ihre Tirade, "und nicht um ein Nice-to-have". Es gehe ihr und ihrer Familie darum, endlich wieder schlafen zu können: "Alle vier Sekunden fährt ein Auto vorbei. Und die tun das nicht mit Tempo 30." Gut zehn Minuten zählt sie die Zumutungen in ihrem Wohnumfeld auf: der Parkstadt Schwabing, "einem der anspruchsvollsten städtebaulichen Entwicklungsprojekte in München", wie der Eigentümer, die Immobilienfirma Argenta, auf seiner Webseite schwärmt.

Die Frau sitzt im Hinterzimmer eines Lokals an der Ursulastraße, die örtliche SPD hat zur Diskussion über die Parkstadt und den Domagkpark geladen. Die Politik zeigt sich offen für die Sorgen der Bürger. Allein, es zeigt sich: Der Frust der Parkstädter wird immer größer - an Chancen auf Besserung glauben sie aber kaum. Seit Jahren klagen Anwohner über zu viel Verkehr, zu viel Lärm. Die Menschen in den bisher 1800 Wohnungen sind umzingelt von großen Gewerbebauten, von Weltfirmen wie Amazon, Osram und bald auch Microsoft. Die Mitarbeiter kurven durchs Quartier auf der Suche nach Parkplätzen; früh morgens nutzen viele Pendler die Straßen als Abkürzung von oder zum Mittleren Ring. "Nur weil es eine halbe Minute schneller geht", grollt die Frau vor gut 40 Besuchern.

Große Versprechungen können die Genossen ihr nicht machen. Es soll einen neuen Anlauf für die Einführung eines Parklizenzgebietes geben, stellte der Bezirksausschuss-Vorsitzende Werner Lederer-Piloty in Aussicht. Zudem will der SPD-Ortsverein einen runden Tisch mit der Stadtverwaltung organisieren. Eine erfreuliche, wenngleich immer noch vage Perspektive konnte indes der SPD-Fraktionssprecher im Bürgergremium, Dietrich Keitel, aufzeigen. Nach seinen Worten soll im Frühjahr das kombinierte Mobilitätskonzept fertig sein, das an das nördlich gelegene Neubauquartier Domagkpark andockt. "Derzeit läuft die Erfassung der Grundlagendaten", sagt er. Im ersten Quartal 2016, so vermutet Keitel, soll das Projekt im Stadtrat vorgestellt werden. Das Hauptziel beschreibt er so: "Pendler und Anwohner müssen motiviert werden, vom Individualverkehr umzusteigen."

Die Federführung liegt beim Domagkpark-Konsortium, welches das Konzept mit dem Planungsreferat und dem Referat für Arbeit und Wirtschaft entwickelt. Schon vor einem Jahr wurden 190 Firmen in der Parkstadt gebeten, mitzumachen. Denn eine Lösung erscheint den Beteiligten nur in Kooperation mit den Unternehmen möglich. Auch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ist mit im Boot. "Es soll speziell zugeschnittene Angebote geben, für die Firmen ebenso wie für die Anwohner", berichtet Keitel, der als Emissär des Bezirksausschusses in der Mobilitäts-Arbeitsgruppe sitzt. Laut einem internen Protokoll der Arbeitsgruppe, das der SZ vorliegt, haben bisher sechs Firmen ihr Interesse bekundet. Das Papier nennt zudem immerhin drei Unternehmen, die bereits aktiv verschiedene Job-Ticket-Varianten der MVG für die Belegschaft erheben: MAN, Amazon und Microsoft.

Angedacht sind zudem Fahrrad-Leihstationen, eine Stellplatzbörse sowie eine Ergänzung des Firmenfuhrparks durch Carsharing-Angebote. Es soll Online-Plattformen für Fahrgemeinschaften geben; dazu wird laut Keitel auch über ungewöhnliche Lösungen nachgedacht: etwa, dass Parkstadt-Bewohner ihre Garagen tagsüber an Pendler vermieten, oder Anwohner ihr Auto in Firmen-Tiefgaragen abstellen können. "Im Parkstadt-Einkaufszentrum stehen bis zu 30 Prozent der Stellplätze leer", sagt Keitel.

Im Hinterzimmer des Schwabinger Lokals finden viele vor allem die Idee mit den wechselseitig nutzbaren Garagen charmant. Jedoch, viel Hoffnung auf Abhilfe durch das Mobilitätskonzept besteht bei den Anwohnern nicht. "Wenn der Arbeitsplatz hundert Meter neben der Autobahnausfahrt liegt, werden die meisten auch weiter mit dem Auto kommen", sagt ein Besucher.

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