Martina Weide-Gertke ist Pädagogin aus Berufung. Seit 32 Jahren unterrichtet sie an der Real- und Fachoberschule der Stiftung Pfennigparade Mathematik und Erdkunde - eine Liebe, die sie auch dann nicht aufgab, als sie vor 14 Jahren zur Schulleiterin der beiden Schulen berufen wurde. "Ich bin eine begeisterte Lehrerin", sagt sie, "mir ist der Kontakt zu den Kindern wichtig." Nun, am 1. Oktober, geht die Rektorin in den Ruhestand.
Vermisst wird sie schon jetzt. "Sie hat es geschafft, aus den Kollegien zweier Schulen eines zu formen. Eine bravouröse Leistung", lobt Günther Raß, Geschäftsführer der Schulen der Pfennigparade. In Weide-Gertkes Amtszeit fällt die Einführung der 13. Jahrgangsstufe in der Fachoberschule, sodass die Schüler der FOS seit sieben Jahren nicht nur die allgemeine Fachhochschulreife, sondern auch die fachgebundene Hochschulreife und, sofern sie eine zweite Fremdsprache belegen, die allgemeine Hochschulreife erlangen können. Ihrem Engagement ist es außerdem zu verdanken, dass beide Schulen vor eineinhalb Jahren vom Kultusministerium mit dem Profil "Inklusion" ausgezeichnet wurden.
"Inklusiv arbeiten wir ja eigentlich schon seit den Achtzigerjahren", relativiert die Schulleiterin. "Nur haben wir das damals noch nicht so genannt." Es war dieses integrative Konzept, das die junge Lehrerin mit Montessori-Diplom damals an die Ernst-Barlach-Schulen zog. "Die Idee, dass alle Schüler, ob mit oder ohne Behinderung, alles gemeinsam machen, hat mich von Anfang an fasziniert".
Kinder mit einer Schwerstbehinderung lernen in den Pfennigparaden-Schulen zusammen mit Gesunden, sie treiben gemeinsam Sport, unternehmen Ausflüge als Gruppe. "Für die Schüler ist das ganz normal, sie begegnen einander mit Geduld und Offenheit und schauen ganz bedröppelt, wenn dann mal einer ins Klassenzimmer kommt und sie fragt, wer von ihnen denn nun eine Behinderung habe und wer nicht." Weil nämlich für die Kinder der Mensch und die Persönlichkeit zählten, nicht aber die Handicaps. Auch Konkurrenzdenken etwa um Markenklamotten oder teure Handys gebe es an den Ernst-Barlach-Schulen dank der Rahmenbedingungen nicht. "Dieses Miteinander, diese soziale Kompetenz", sagt Weide-Gertke, "hat mich die ganzen Jahre mit Freude erfüllt".
Ihren Schülern die besten Chancen zu geben und sie gleichzeitig auf eine Welt, die noch wenig inklusiv strukturiert ist, vorzubereiten - das, weiß Geschäftsführer Raß, war immer oberstes Ziel der Rektorin. Er erinnert sich noch an einen Jungen, der als Förderschüler diagnostiziert wurde. Weide-Gertke erkannte seinen Fleiß und seine hohe Motivation und unterstützte ihn. Vergangenes Jahr machte der Schüler sein Fachabitur.
Die Fußstapfen der Schulleiterin sind groß, einen Nachfolger hat die Pfennigparade trotz langer Suche bis dato nicht gefunden. Kommissarischer Rektor wird deshalb Weide-Gertkes bisheriger Stellvertreter Roman Hanig. Und sie selbst? Die frischgebackene Pensionistin will jetzt erst einmal ihre Wohnung einrichten, sie ist gerade umgezogen. Und im November in Urlaub fahren. Auch ihre Töchter und Eltern kann sie jetzt vielleicht öfter besuchen.