Schwabing:Leben und leben lassen

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Der Unmut der Anwohner über den Rummel am Wedekindplatz wächst. Dennoch hält der Bezirksausschuss an dem Ziel fest, das Areal zur "Sommerstraße" zu erklären - verlangt aber auch, dass mobile Toiletten aufgestellt werden

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Der Akim-Mitarbeiter betont, wie sehr sich sein Team um einen fairen Umgang bemühe, um einen Austausch auf Augenhöhe, der Verständnis wecken soll auf beiden Seiten. Doch noch während der Vertreter der städtischen Stelle Allparteiliches Konfliktmanagement seine Einschätzung der Lage abgibt, auch und gerade was das Wildbieseln anbelangt, macht eine Seite deutlich, dass sie kein Verständnis mehr aufbringen will, schon gleich gar nicht für die Wildbiesler.

Der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann tagt an diesem Abend in einem Tagungsraum der Lokhalle an der Lilienthalallee, die derzeit zur Autoerlebniswelt "Motorworld" umgebaut wird. Es läuft eine Anhörung mit Polizei und Akim zu einem andernorts schon hochfrequentierten Stückchen Stadt, dem Wedekindplatz, jenes Altschwabinger Gefüge zwischen Feilitzsch-, Occam-, Markt- und Siegesstraße, das sich als beliebte Open-air-Feierzone etabliert hat. Unerträglich beliebt allerdings, wie einige Anwohner finden. Einer von ihnen geht deshalb nach vorne zu Patric Wolf (CSU), dem BA-Vorsitzenden, und drückt ihm ein Dossier mit 20 Unterschriften von Occamstraßen-Anwohnern in die Hand. Sie haben alle unterschrieben "gegen die Occamstraße als Sommerstraße".

Manchmal wird es so eng,dass die Polizei eingreifen und das Areal räumen muss. (Foto: Stephan Rumpf)

Das zeigt, dass der Unmut der Anrainer wächst über die Auswüchse der sommerabendlichen Zusammenkünfte zumeist junger Erwachsener am Wedekindplatz. Bis zu 400 Personen sind es an manchen Abenden, wie ein Beamter der örtlichen Polizeiinspektion berichtet, die Menschen an den Tischen der umliegenden Freischankflächen nicht eingerechnet. 16 Mal habe der Platz in den vergangenen Monaten geräumt werden müssen - weil es derart eng herging, dass die Corona-Abstandsregeln nicht eingehalten werden konnten. "Die Leute haben immer Verständnis gezeigt, das lief sehr ruhig, fast routinemäßig ab", sagt der Polizist und lässt erkennen, dass er die Lage als nicht dramatisch einschätzt. "Wir hatten bis dato keine wirklich unangenehme Situation", sagt er, "haben aber schon mitbekommen, dass der ein oder andere nicht mit der Situation zufrieden ist."

Das ist etwas untertrieben. Dem BA liegen gut ein Dutzend Beschwerdebriefe vor, die das Geschehen als schier unerträglich schildern. Berichtet wird von Partylärm bis spät in die Nacht, jede Menge Müll sowie "Urinieren in jede Ecke und sogar wie mehrfach geschehen das Verrichten des großen Geschäfts in unseren Hof", wie ein Hauseigentümer schreibt. Deshalb wehren sie sich jetzt gegen den artikulierten Willen der Schwabinger und Freimanner Politiker, das Freiluft-Vergnügennoch auszuweiten. Ende Juni hatte der BA einen Antrag an die Stadt gerichtet, den Wedekindplatz, den Abschnitt der Occamstraße bis zur Haimhauserstraße sowie ein Stück der Feilitzschstraße in das Sommerstraßen-Programm aufzunehmen - das Terrain also zum temporär verkehrsberuhigten Bereich zu erklären, wie es stadtweit für wohl 15 Areale vorgesehen ist. Das soll die Situation entzerren, hieß es - wobei das Lokalgremium jetzt auf eine Lösung der ungeklärten Toiletten-Frage dringt: "Schnellstmöglich" soll die Stadt im Umfeld des Wedekindplatzes mobile WCs aufstellen und täglich reinigen, fordert das Gremium qua einer SPD-Initiative. Die Konfliktlöser von Akim sollen als Vermittler fungieren und die Besucher auf die Örtchen hinweisen. Ohnehin sind die Akim-Konfliktmanager bereits seit 19. Juni auf dem Platz präsent, wie ein Mitarbeiter der städtischen Stelle berichtet. Er verspricht, weiter mit den Anwohnern und "den Platznutzern" in regem Austausch zu bleiben. Ebenso führe man mit den anliegenden Wirten Gespräche, etwa dazu, dass sie ihre WCs für die Allgemeinheit, nicht nur für ihre Gäste, zur Verfügung stellen. "Es gibt Signale, dass sie das tun würden, wenn die Stadt die Freischankbereiche ausweitet", so der Akim-Mitarbeiter. Aus den Reihen der Lokalpolitik gibt es jedoch an diesem Tag kein Signal, dass dies wünschenswert wäre. Eine deutliche Absage erhält dafür Martin Blankemeyer (Grüne) für die Forderung seiner Fraktion, die Stadt solle am Wedekindplatz per Allgemeinverfügung ein Alkoholverbot verhängen. Eine "abstruse Idee" nannte dies Janne Weinzierl (SPD), auch andere zeigten sich verwundert von der harten Haltung der Öko-Partei.

Auf dem Wedekindplatz geht es in lauen Sommernächten hoch her. (Foto: Stephan Rumpf)

So bleibt es beim Bekenntnis des Bezirksausschusses zum Sommerstraßen-Projekt, flankiert vom dringenden Verlangen nach einer Lösung für die misslichen sanitären Verhältnisse. "Eine typisch Schwabinger Lösung, leben und leben lassen", formuliert es BA-Chef Patric Wolf.

© SZ vom 27.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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