Schwabing:Kunst strebt in die Höhe

Schwabing: Vision eines Kunst-Turms: Die Entwürfe sehen ein 17-stöckiges Hochhaus vor, dessen beide untersten Etagen als Sockel einen öffentlichen Bereich vorsehen, darüber vertikal unterschiedlich dimensionierte Stockwerke, teils mit „Duplex-Ateliers“ nach Art einer Maisonettewohnung. Simulationen: Benedict Esche/Kollektiv A

Vision eines Kunst-Turms: Die Entwürfe sehen ein 17-stöckiges Hochhaus vor, dessen beide untersten Etagen als Sockel einen öffentlichen Bereich vorsehen, darüber vertikal unterschiedlich dimensionierte Stockwerke, teils mit „Duplex-Ateliers“ nach Art einer Maisonettewohnung. Simulationen: Benedict Esche/Kollektiv A

Ein 60-Meter-Turm im Domagkpark für Ateliers und Start-ups: Der Bezirksausschuss ist entzückt über die Vision eines Architekten. Er wirbt um Unterstützung der Stadt - und hofft auf einen Investor

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Es darf wohl als sicher gelten, dass irgendwann ein zusätzliches Atelierhaus auf dem Gelände des Kunsthofes im Domagkpark entstehen wird. Es gibt eine Machbarkeitsstudie und ein positives Signal der Lokalbaukommission, ein 25 Meter hohes "Punkthaus" in den Innenhof zu pflanzen. Doch einer der Gesellschafter der Domagkateliers und der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann befinden diesen Plan als zu klein, sie hätten es lieber größer, höher, auftrumpfender.

Nach Vorstellung der Lokalpolitiker und des Vereins Domagk Kunstunterstützung (Doku) soll nicht gekleckert, sondern geklotzt werden, konkret ein Turm von 60 Metern Höhe und Platz für gut 100 Ateliers entstehen. Am Mittwoch präsentierte Benedict Esche vom Münchner Architekturbüro Kollektiv A einen Projektentwurf in der BA-Sitzung. Flankierend forderten die Schwabinger und Freimanner Politiker die Stadt per überparteilichem Antrag auf, die Hochhaus-Initiative "weitestmöglich bei der Planung und Realisierung zu unterstützen", sich überhaupt einen Turm zum Ziel zu setzen, die Punkthaus-Variante nachrangig zu behandeln. Zudem beschloss das Gremium, dem Auftraggeber der Entwürfe, dem Doku-Verein, 12 000 Euro Planungskosten aus dem BA-Budget zu bewilligen. Der Architekt selbst ließ keine Zweifel daran, welche Bedeutung er dem Projekt beimisst. "Es wäre nicht nur für München eine große Sache, sondern vielleicht sogar europaweit", schwärmte er.

Schwabing: Vielschichtig: Der Querschnitt zeigt vielfältig gegliederte Geschosse. Simulationen: Benedict Esche/Kollektiv A

Vielschichtig: Der Querschnitt zeigt vielfältig gegliederte Geschosse. Simulationen: Benedict Esche/Kollektiv A

Immerhin rhetorisch knüpfte der Architekt dabei an die einstige Strahlkraft dieses Areals an; denn das Atelierhaus auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne wird oft als "zeitweilig größte Künstlerkolonie Europas" bezeichnet. Mit dem Umbau zum Wohngebiet Domagkpark blieb das dreiflügelige "Haus 50" mit der früheren Panzerwartungshalle an der Margarete-Schütte-Lihotzky-Straße 30 übrig, das die Stadt sanierte; über die Belegung der 101 Ateliers entscheidet eine Jury.

Die Räume sind heiß begehrt, und so kam das Kulturreferat auf die Idee, eine Machbarkeitsstudie für einen Erweiterungsbau anzustoßen. Dabei stellte sich heraus: Das Baurecht erlaubt nur ein Punkthaus, das Platz für bis zu 25 Ateliers und vier Proberäume böte. Für alles, was höher und breiter ist, wäre ein Bebauungsplanverfahren nötig. Außerdem käme so ein Turm wohl sehr viel teurer. 11,34 Millionen Euro nannte Architekt Benedict Esche als günstigsten Ansatz, der teuerste läge nach seiner Rechnung bei 15,12 Millionen.

Auch den BA-Politikern ist klar, dass ein teurer Atelierturm nicht ganz oben auf der Investitionsliste in einem von den Corona-Auswirkungen gebeutelten städtischen Etat steht. Doch sie erwarten Unterstützung bei der Finanzierung, etwa was Fördermittel angeht oder auch, wenn ein Investor sich für die Pläne begeistert und über einen Erbbaurechtsvertrag verhandelt werden müsste. Architekt Esche sieht keinen Grund, weshalb Geldgeber und Bauherren nicht begeistert sein sollten von seinem Konzept. "Wir schmücken uns mit einem Investor und nicht umgekehrt", sagte er bei seiner Präsentation.

Die zeigt den Atelierturm aus der Vogelperspektive als drittes Glied in einer Hochpunkt-Achse mit dem Skyline Tower ("The m.pire") und den Highlight-Towers. Die 17 Stockwerke gliedern sich in eine "Sockelzone" mit Werkstätten im Keller, zwei Etagen öffentlichen Zonen, darüber acht Stockwerke mit Ateliers, gefolgt von fünf Geschossen "Studios". Diese könnten, so Esche, auch gewerblich genutzt werden, etwa für Start-ups. Die Spitze des Turms bilden ein komplettes Stockwerk als Ausstellungsfläche sowie eine "Rooftop-Bar". Der Clou des Konzepts sind die sowohl vertikal unterschiedlich dimensionierten Geschosse als auch die horizontal, innerhalb der Stockwerke vielfältig gegliederten Atelier-Räume: Die Etagen enthalten teils Stufen und Schwellen, so dass ein Mix aus Lofts, Rampen, Galerien möglich ist, auch "Duplex-Ateliers" nach Art einer Maisonettewohnung. Erbaut werden soll all dies aus recyceltem Beton, die Fassade eine Ästhetik eines "veredelten Rohbaus" erhalten, so Esches Pläne.

Diese riefen, zwar noch nicht bei Investoren aber zumindest bei den BA-Politikern, begeisterte Reaktionen hervor. Als "brillant" und "spektakulär" bezeichnete Ekkehard Pascoe die Entwurfsskizzen. Petra Piloty (SPD) zeigte sich überzeugt, der Atelierturm werde nicht nur städtebaulich, sondern "auch für die europäische Künstlerszene eine Bereicherung". In ihrem Antrag werben die Lokalpolitiker darum, "eine einzigartige Chance" nicht zu vergeben, "einen weit sichtbaren Leuchtturm für Kunst und Kultur zu errichten". Ob die Stadträte das ebenso sehen, wird sich demnächst erweisen, wenn das Kulturreferat seine Beschlussvorlage für die Erweiterung des Standorts präsentiert. Das Planungsreferat, war zu vernehmen, hat die Turm-Idee "grundsätzlich positiv" aufgenommen.

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