Schwabing:Hand in Hand

Schwabing: Nachbarschaftliche Bande: Maria Knorre, Nicola Eggert, Herbert Sporn und Kathrin Pischetsrieder (v. li.) zeigen sinnbildlich vor dem "Wagnis Art"-Gebäude das Projektziel vom sozialen Miteinander im Domagkpark.

Nachbarschaftliche Bande: Maria Knorre, Nicola Eggert, Herbert Sporn und Kathrin Pischetsrieder (v. li.) zeigen sinnbildlich vor dem "Wagnis Art"-Gebäude das Projektziel vom sozialen Miteinander im Domagkpark.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Domagkpark soll ein Netzwerk mit sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Austausch entstehen. Mit der Eröffnung eines "Concierge-Stützpunkts" an diesem Samstag wird ein erstes Etappenziel erreicht

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Das Leben ist eine Baustelle für die Menschen im Domagkpark, seit vier Jahren schon. Beharrlich dröhnen die Bagger, kreischen die Kreissägen. Beständig wächst dieses Neubauquartier auf dem 24 Hektar großen Gelände der ehemaligen Funkkaserne zwischen Domagkstraße im Süden und Frankfurter Ring im Norden. Kaum hörbar laufen seit Jahren indes auch die Vorbereitungen für ein organisiertes Nachbarschaftsnetz. Ein Kernelement für dieses soziale Gerüst steht jetzt kurz vor der Realisierung. "Es ist für uns ein großer Moment, dass wir endlich starten können", sagt Maria Knorre.

Die Mitgründerin des Quartiersvereins im Domagkpark spricht über den schon lange geplanten "Concierge-Stützpunkt" im Haus der Wogeno-Genossenschaft an der Fritz-Winter-Straße. Am Samstag, 2. September, soll diese Anlaufstelle für Servicedienstleistungen eröffnen. Es könnte ein Durchbruch bei der Verwirklichung einer ambitionierten Idee sein: Nach dem Willen der Planer und Grundstückseigentümer soll mit den Wohnblöcken auch ein Netzwerk mit sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Austausch entstehen. Dazu eine Share-Kultur, die professionell gemanagt wird - ein Modelprojekt für zukunftsweisendes Zusammenleben. Maria Knorre sagt: "Die Concierge-Station ist ein Meilenstein auf unserem Weg zu einem lebendigen, vernetzten Quartier."

Die Domagkpark-Bewohner können in dem Quartiersladen Dienstleistungen buchen, welche in der city-fernen Lage nicht verfügbar sind: eine Putzhilfe für ihre Wohnungen, Reinigungsservice für Hemden, die Vermittlung von Handwerkern. Als Träger konnte der Betreiber des Olympiawerks gewonnen werden, der im Olympiapark vor allem Handwerker-Dienste anbietet. Zentraler Bestandteil soll eine Paket-Station sein, von der aus die Päckchen per Fahrrad-Kurier zugestellt werden.

Die Finanzierung läuft teilweise über das EU-Forschungsprojekt "Civitas Eccentric". Der Domagkpark ist eines der ausgewählten Quartiere, in denen neue Formen des urbanen Zusammenwirkens, etwa Car-Sharing und "City-Logistik", erprobt werden. Die Münchner Federführung hat der Lehrstuhl für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung der Technischen Universität (TU) München übernommen. "Wir profitieren davon, dass das schon in der Planungsphase vorbereitet und angelegt wurde", sagt Maria Knorre vom Quartiersverein - einer Vereinigung, die sich als Drehscheibe für nachbarschaftliche Kontakte versteht.

Die Führung des heterogenen Konsortiums aus Baugemeinschaften, Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften gab für das Neubaugebiet im Münchner Norden schon früh das Ziel aus: Der Domagkpark darf keine anonyme Stadtrandsiedlung werden. 4500 Menschen sollen in der Neubausiedlung einmal leben; derzeit sind rund 60 Prozent der Häuser fertig, gut 3000 Bewohner haben ihre Wohnungen bezogen. 14 beteiligte Bauträger einigten sich noch vor dem Anrücken der ersten Bagger auf eine "Charta Quartiersvernetzung" mit Vorgaben zur "Entstehung eines lebendigen und lebenswerten Quartiers". Das Ziel: Es sollen Gemeinschaftsräume entstehen, die allen Bewohnern offen stehen; und es sollen "die technisch-organisatorischen Voraussetzungen" geschaffen werden, die eine Vernetzung befördern.

Gesagt, getan: Es gibt auf dem Gelände etwa 15 Gemeinschaftsräume, darunter Werkstätten und variable Veranstaltungsflächen wie das "Domagk Kasino" im Wogeno-Gebäude. Die organisatorische Infrastruktur kann nun der "Concierge-Stützpunkt" erfüllen. Eine positive Haltung der Anwohner zum Teilhabe-Angebot zeichnete sich bereits vor und während der Bauphase bei den gut besuchten "Vernetzungstreffen" ab. Knorre berichtet, dass inzwischen gut zwei Dutzend Hausgemeinschaften einen Vertreter zu regelmäßigen Bewohnertreffen entsenden. Dazu dokumentierte eine Umfrage ein hohes Interesse an einer Share-Kultur im Viertel. In der Tat verzeichnet die Mobilitätsstation beim Wogeno-Haus bereits 120 Nutzer, denen sechs Autos, darunter ein E-Fahrzeug, sowie zwei Elektro-Roller und Fahrräder zur Verfügung stehen.

Mit der Quartiers-Genossenschaft gibt es ein Forum für die wirtschaftlichen Beziehungen der Nachbarn untereinander. Bereits jetzt wird unter den 50 Genossen rege geteilt und geliehen, vor allem Haushaltsgeräte und Werkzeug. Zudem bietet die Organisation für wenig Geld Co-working-Space an. Die acht Arbeitsplätze würden "gut angenommen", sagt Herbert Sporn von der Quartiers-Genossenschaft.

Für ihn ist das Angebot des Concierge-Stützpunkts nur ein Anfang; er kann sich die Vermittlung von allen möglichen Diensten vorstellen, Blumengieß-Service zum Beispiel, oder einen Semmel-Bringdienst. "Da ist noch viel Luft nach oben. Wir können als Bewohner noch viel erreichen", sagt Sporn. Das glaubt auch Nicola Eggert, die Leiterin des Nachbarschaftstreffs. Bis zu 700 Besucher frequentieren nach ihren Worten die Einrichtung im Monat. Viele hätten Interesse an nachbarschaftlichen Aktionen bekundet. Die "Funkstation", eine Kinder- und Jugendeinrichtung, ist bisher nur mit einem Teilangebot gestartet. Doch die Menschen im Domagkpark können den Vollbetrieb offenbar kaum erwarten. Es gebe eine Fülle von Offerten, vom Nähkurs bis zum Kindertanzen, sagt Einrichtungsleiterin Pischetsrieder: "Wir können uns vor Ideen kaum retten."

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