Schwabing:Gegenwind für Psychiatrie-Neubau

Das Max-Planck-Institut in Schwabing will in seinem Fachbereich zur modernsten Klinik Europas werden. Dafür müssen Mieter aus ihren Wohnungen ausziehen, weil ihr Haus abgerissen werden soll

Von Ellen Draxel, Schwabing

Der Eingang zur Klinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie ist schwer zu finden. Patienten, die sich noch nicht auskennen, betreten meist den denkmalgeschützten Kraepelin-Bau. Dort allerdings ist die Forschung des Instituts untergebracht. Das eigentliche Klinikareal ist so versteckt, dass selbst Fahrer von Krankenwagen manchmal nicht wissen, wo sie eigentlich hin müssen. In Zukunft jedoch soll es solche Missverständnisse nicht mehr geben. Denn das Max-Planck-Institut für Psychiatrie erhält von Mai 2018 an einen Neubau, mit Eingang direkt an der Straße. Der neuen Klinik muss ein Klinik-Wohnhaus weichen - ein Szenario, das dessen Bewohner seit vielen Monaten ängstigt. 18 der ursprünglich 31 Mietparteien sind denn dort auch nicht mehr ansässig.

"Wir werden hier die Psychiatrie der Zukunft haben, die modernste Klinik Europas", sagt Klinik-Chef Martin Keck. Ein helles, viergeschossiges Haus, von dem Münchner Architekturbüro Felix + Jonas Architekten im Atrium-Stil entworfen, mit gläsernem Entree sowie Innenhöfen, Balkonen und Terrassen. "Helligkeit und Weite sind bei uns extrem wichtig, sie haben therapeutische Funktion für die Patienten", erklärt der Direktor. Die Zimmer in dem viergeschossigen Neubau sind daher großzügig und offen geplant. Die jetzige Klinik hat noch dunkle Gänge, die Gruppen-Psychotherapie findet mangels Platz im Speiseraum statt - nach dem Wegräumen der Krümel. Es gibt nur acht Einzelzimmer bei 120 Betten und nicht in jedem Zimmer Toiletten. Außerdem müssen sich bis zu 14 Patienten eine Dusche im Flur teilen. Er sei "entsetzt" gewesen, als er das zum ersten Mal gesehen habe, erinnert sich Keck. "Das ist Entwicklungsland-Standard." Nicht nur, dass die Psychiatrie-Patienten oft bis zu zwei Monte in der Klinik bleiben. Wer unter Depressionen leidet, bedarf besonderer Wertschätzung. Zum Konzept gehört deshalb ein von den Münchner Landschaftsarchitekten Mahl-Gebhard-Konzepte kreierter Patienten-Garten. Läuft alles nach dem Plan der Klinikleitung, können die ersten Patienten in dem neuen Bau von 2021 an behandelt werden. Kunst-, Ergo- und Beschäftigungstherapie sind im Erdgeschoss untergebracht, ebenso eine teilbare Turnhalle und ein Therapie-Schwimmbad. Ambulanz und Forschung belegen den ersten Stock, die Patienten wohnen in den obersten beiden Etagen. Jedes Stockwerk hat tausend Quadratmeter mehr Raum zur Verfügung als bisher. Vor allem aber sind künftig Stationen, alle drei Tagkliniken und Ambulanzen unter einem Dach vereint. Martin Keck: "Wir bieten hier eine Kombination aus Grundlagenforschung und Klinik an, die es sonst nirgends gibt. Wolle man weiter zu den weltweit führenden Einrichtungen gehören, "dann brauchen wir diesen Neubau".

Schwabing: Der Kraeplinbau ist denkmalgeschützt, doch der Nachbarbau (links) wird derzeit entmietet für den Abriss.

Der Kraeplinbau ist denkmalgeschützt, doch der Nachbarbau (links) wird derzeit entmietet für den Abriss.

(Foto: Stephan Rumpf)

So plausibel diese Forderung aus dem Mund des Klinik-Chefs klingt, so massiv ist der Gegenwind, der dem Institut und Keck persönlich seit Monaten entgegenschlägt. Da sind zum einen die Kosten, 70 Millionen Euro für Gebäude und Garten. "Der Vorwurf, wir würden hier eine Luxuspsychiatrie entstehen lassen, hat mich persönlich sehr getroffen", sagt Keck. Es gehe um eine "zeitgemäße Versorgung", denn seit 50 Jahren sei nichts mehr optimiert worden. Im Raum steht aber derzeit auch - unabhängig von den Neubauplänen - ein Verdacht auf Abrechnungsbetrug, der sich gegen den Chef richtet. Keck sieht das "gelassen: Wir haben unsere Abrechnungspraxis von zwei Wirtschaftsprüfern checken lassen, sie hatten nichts zu beanstanden." Man habe "nichts zu verbergen".

Verständnis dagegen äußert der Direktor für die Sorgen der Mieter der Kraepelinstraße 4, 4a und 4b. Seit diese wissen, dass ihr Haus für den Neubau abgerissen wird, plagen sie Existenzängste. Fast alle arbeiten für das Max-Planck-Institut, ihr Verdienst liegt im mittleren und im Niedriglohnsektor. "Wir hatten vor, die Mieter zu informieren, doch die Stadt ist uns mit dem Verwaltungsprocedere zuvorgekommen", meint Keck. Diese "Katastrophe" habe von Anfang an eine "ungute Stimmung reingebracht". Was die Klinikleitung als Versuche, individuell angepassten Ersatzwohnraum zu finden, darstellt, empfanden die Mieter als "Gemauschel".

Schwabing: Markus Sieger (in seiner Wohnung) spricht für die Mieter.

Markus Sieger (in seiner Wohnung) spricht für die Mieter.

(Foto: Stephan Rumpf)

Es sei durchaus nicht so, dass Alternativen zum Abriss nicht untersucht worden seien, sagt Keck. Aber statt länger höher zu bauen, scheide aus, weil der Neubau laut Stadt optisch hinter den benachbarten Kraepelin-Bau zurücktreten müsse. Eine Verschiebung nach Osten habe ein Biotop verhindert. Ein Umzug auf das Areal des künftig verkleinerten Schwabinger Krankenhauses habe sich wegen der jahrelangen Ungewissheit als nicht realisierbar erwiesen. Ein von den Mietern vorgeschlagener Winkelbau scheiterte an der fehlenden Wirtschaftlichkeit. Und eine Sanierung wäre laut dem Klinikchef "viel zu teuer und vermutlich auch nicht ganz genehmigungsfähig" gewesen.

Die Lösung für die 13 verbliebenen Mietparteien sieht aus Institutssicht nun im Januar 2018 einen Umzug in das Haus an der Kraepelinstraße 12 vor. Der Bau werde derzeit kernsaniert, Bäder, Küchen, Böden, Fenster und Fassaden würden komplett erneuert. "Wir bezahlen auch den Umzug und werden versuchen, den Mietzins so günstig wie möglich zu halten", verspricht Keck. Die Mietverträge sollen noch diesen Monat abgeschlossen werden. Die Mieter allerdings wissen bislang weder von diesen für sie relevanten Terminen noch von den detaillierten Neubauplänen. "Es wäre dringend an der Zeit, mal wieder Kontakt zu denen aufzunehmen, die das Ganze betrifft", findet Mietersprecher Markus Sieger.

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