Schwabing:Gefühlt blau

Schwabing: Etwas Gelbes mit Flügeln landet auf der Nase des blauen Bären: Woher das geflügelte Wesen wohl kommt? Einfach wagen und über Grenzen springen.

Etwas Gelbes mit Flügeln landet auf der Nase des blauen Bären: Woher das geflügelte Wesen wohl kommt? Einfach wagen und über Grenzen springen.

(Foto: Illustration: Agnès de Lestrade)

"Der Bär und das Wörterglitzern": Im Schwabinger Mixtvision Verlag erscheint das zweite Buch des Künstlerduos Agnès de Lestrades und Valeria Docampo. Und wieder geht es in der Geschichte über das Entdecken der Gefühle und um die Kraft der Wörter

Von Nicole Graner, Schwabing

Wörterglitzern, Traumschweben, Meerrieseln. An den Orten, an denen diese Wörter existent sind, ist alles möglich. Ist die Welt ein bisschen abgerückt von der Wirklichkeit. Und das ist auch gut so. Denn wenn dem nicht so wäre, hätte der blaue Bär mit dem großen, runden Bauch und den mächtig dicken Backen gar keine Chance, seine Gefühle zu äußern, sein Innerstes preiszugeben. Natürlich ist jener Bär, der in dem neuen Buch des Künstlerduos Agnès de Lestrade und Valeria Docampo die Hauptrolle spielt und Protagonist für alle diejenigen ist, die sich neue Welten erschließen, Gefühle zeigen, ein ganz empathischer - einer, der die kleinsten Dinge entdeckt: Staubmäuse, Millionen Jahre alte Sandkörner, "Fitzelchen Träume". Und einer, der mutig voranschreitet. Unbekanntem entgegen.

"Der Bär und das Wörterglitzern" ist das zweite Buch von Autorin de Lestrade und Illustratorin Docampo. Schon das erste, das im Schwabinger Verlag Mixtvision erschienen ist, war ein großer internationaler Erfolg. Das Buch wurde in 20 Sprachen übersetzt. Es gibt eine Opernfassung und ein Theaterstück. Nach Paul und Marie aber kommt nun der blaue Bär. Wieder geht es um Sprache, um die Kraft und Poesie der Wörter. Aus den Worten "Träume" und "davonschweben" wird Traumschweben, aus "Meer" und "hindurchrieseln" Meerrieseln. So einfach, so wunderbar leicht entstehen Bilder, die sich eingravieren.

Stillenecken, Tränenschwimmen, Dichmichsehen. Docampo zeichnet einen Bären, den man lieb haben muss, mit dem man mitfühlt. Immer entdeckt sie, so sagt sie selbst, im Alltag ihre Ideen. Sie sieht den Blick eines Hundes, hört das Rauschen des Regens - und schon entstehen Bilder. Bilder, die jeder kennt, aber anders fühlt. Details im Kontrast mit Abstraktion, Licht und Schatten, Flächigkeit und Reduktion - Docampo spielt mit einer Leichtigkeit mit den Gegensätzen, dass es eine Freude ist. Und die Freude, mit der die Illustratorin den Dingen der Welt neue Perspektiven verleiht, wird spürbar an kleinen, humorvollen Details. Der Bär, so groß wie er ist, liegt nicht im Bett, nein, er hat eine recht eigenwillige Art, seinen Träumen nachzugehen: halb liegend, die Füße mitsamt Bettgestell an die Wand gedrückt. Blaue Bären scheinen in einer Art Stuhlbett zu schlafen.

Langweilschleichen, Randspringen. Passend zu den Gefühlsmomenten des Bären, kleidet Agnès de Lestrade dessen Gefühle in eine lyrische Sprache. "Ganz am Rand der Langeweile" entdeckt er tonnenweise Ideen. Er spürt seinem Kummer nach. "Ganz am Rand der Tränen ist ein wenig Salz. Ich blicke zum Meer. Wird mein Kummer darin ertrinken? Alles verschwimmt vor meinen Augen und ich atme auf." Und am Ende der Gefühlswanderung blickt der große Blaue in ein neues Gesicht, zum Du. Vielleicht die größte Entdeckung des Helden, das größte Glück. "Ganz am Rande von dir bin ich. Und warte auf der Spitze des Berges geduldig auf dich." So geschieht es: Der Bär wagt es und lässt ein neues Gefühl wirklich werden: die Sehnsucht nach dem Unbekannten. Er fragt sich: Wo werde ich landen? Aber er springt. "Morgen werde ich Randspringen", sagt er. Und dann ist seine Welt nicht mehr blau, sondern gelb und orange.

Wie leicht ist dieses Buch. Wie poetisch und melancholisch. Wie gut übersetzt von Anna Taube. Und wie sehr möchte man wieder Bär sein, der fühlen kann und darf. Wenn es den großen Lesern schon so ergeht, wie mag es dann den Kleinen ergehen? Vielleicht mit Freudefunkeln, Glücksfühlen und Bücherschwärmen.

"Der Bär und das Wörterglitzern", von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo, Mixtvision-Verlag, Bilderbuch von drei Jahren an, 40 Seiten, ISBN 978-3-95854-026-2, 14.90 Euro, Informationen: www.mixtvision-verlag.de

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