Einige kleine dreckige Ecken gibt es an der Münchner Freiheit, laut ist es auch - in Berlin drehen sie sicher schon die Augen zur Zimmerdecke, weil in München noch keiner drauf kam, hier einen Konzertsaal hinzubauen. Beim SZ-Forum zur Konzertsaal-Debatte war zuletzt zu hören, dass die Hauptstädter bei der Suche nach einer Spielstätte die "kleinen dreckigen Ecken" vermissen. Gemeint ist damit, dass sich die Hochkultur auch in Kneipenvierteln breit machen sollte, wie etwa im Bochumer Bermudadreieck.
Nun ist der Bermudadreieck-Faktor der Münchner Freiheit nicht mehr so hoch wie früher, so richtig dreckig geht es hier auch nicht zu. Und auf Vorschläge aus Berlin können Münchner ohnehin ganz gut verzichten. Dennoch hält das die Schwabinger nicht davon ab, der an Vorschlägen gerade überquellenden Konzertsaal-Debatte einen neuen hinzuzufügen: genau, die Münchner Freiheit. "Alle Leute mit denen ich bisher gesprochen habe, sagen: Donnerwetter, das könnte was werden", sagt der Urheber der Idee, Architekt Fritz Hubert. Der Bezirksausschuss findet das ebenso - das Gremium votierte am Dienstag für eine entsprechende Eingabe an die Stadt, mit der Bitte, diese "seriös zu prüfen".
Die Münchner Freiheit also. Man kann sich Hans-Georg Küppers gut vorstellen, wie er jetzt die Augen zur Zimmerdecke dreht. Der Kulturreferent mag sich derzeit denken: Verdammt, es regnet Konzertsaal-Standort-Tipps und ich krieg' den Schirm nicht auf. Derzeit ergießt sich da ein regelrechter Platzregen. Eine kleine Auswahl: das Kreativ-Quartier an der Dachauer Straße, das Gelände der Kultfabrik hinterm Ostbahnhof, das Großmarkthallen-Areal, die Fläche, auf dem das Eissportstadion im Olympiapark steht. Darf's ein bisschen mehr sein? Stadtbaurätin Elisabeth Merk konnte sich schon vor Jahren vorstellen, dass ein Odeon in der Messestadt, im Bahnhofsviertel oder in Freiham entsteht.
Allein, der Gedanke, den Konzertsaal an die Münchner Freiheit zu verpflanzen, kommt von keinem Utopisten - und es ist alles andere als ein Phantasten-Gremium, das diese Idee protegiert. Fritz Hubert hat Wohnbauprojekte in München realisiert und auch international als Architekt gewirkt, etwa für die Stadtverwaltungen in Qingdao/ China und Havanna/Cuba. Der Schwabinger Bezirksausschuss setzt sich nahezu vollständig aus Akademikern zusammen, der Vorsitzende Werner Lederer-Piloty und seine Frau Petra Piloty (beide SPD) sind beide Architekten. Hubert, 70 Jahre alt, hat sich beruflich schon einmal eingehend mit der Münchner Freiheit beschäftigt: 1978 beteiligte er sich am Wettbewerb für die Bebauung des damaligen Brach-Segments auf dem Platz. Es sollte ein Sparkassen-Gebäude mit Bürgerhaus entstehen - doch nach erheblichem Bürgerprotest wurde das Projekt gestoppt.
In der Sitzung warb Hubert per Power-Point-Präsentation für seinen Vorstoß. Mit feiner Ironie vermied er, das Wort "Konzertsaal" in den Mund zu nehmen, er sprach von "einem gläsernen Gebilde". Nach seiner Vorstellung soll dieses im nördlichen Bereich der Münchner Freiheit auf dem bestehenden Parkplatz an der Ungererstraße situiert werden. Kleine, mit charmantem Pinselstrich aufs Blatt geworfene Skizzen zeigen einen grazilen Bau, eingepasst in die durchaus von manchen als dreckige Ecke empfunden Teil des Platzes.
Seit mindestens 20 Jahren kämpft der Bezirksausschuss darum, die vierspurige Ungererstraße zurückzubauen - und das Nordende der Münchner Freiheit völlig neu zu gestalten. Das oberstes Ziel: die schier abgehängte Erlöserkirche wieder ins Ensemble einzubinden. "Der Platz ist ein Provisorium. Mit dem Bau eines Konzertsaals ergäbe sich die große Chance, aus der Münchner Freiheit endlich einen angemessenen städtischen Platz zu machen", sagt Lederer-Piloty, sichtlich angetan von Huberts Vorschlag. Ideengeber Hubert erteilt am Abend in der Sitzung noch einen Ratschlag, den Verantwortliche in Stadt und Staat sicher zu schätzen wissen: "Denke großzügig, nicht klein-klein."