Schwabing:Eigentümer vertreibt Mieter mit 70 Prozent Mieterhöhung

Schwabing: Fenster zum Hof: Auf der Rückseite des Hauses Leopoldstraße 103 stapeln sich die Baumaterialien.

Fenster zum Hof: Auf der Rückseite des Hauses Leopoldstraße 103 stapeln sich die Baumaterialien.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Viele der Bewohner der Leopoldstraße 103 in Schwabing ist bereits ausgezogen, wegen Bauarbeiten und Mieterhöhungen.
  • Der Mieterverein vermutet, dass der neue Eigentümer die Anwesen leer bekommen will, um sie zu renovieren und die Zimmer schließlich einzeln zu hohen Preisen zu vermieten.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Was die Mieter der Leopoldstraße 103 in Schwabing in diesen Tagen aushalten müssen, ist selbst für hartgesottene Kämpfernaturen ein "Horrortrip". Eine ganze Reihe der Bewohner ist bereits ausgezogen, das restliche Häuflein in den Häusern Leopoldstraße 103, 105 und Sulzbacher Straße 1 erlebt seit vielen Monaten eine Dauerbaustelle.

Im Oktober 2014 erreicht die Mieter eine Modernisierungsankündigung, unterzeichnet vom neuen Eigentümer des Anwesens, Rainer Beck. Die Sanierung, schreibt Beck an die 39 Wohnparteien, werde voraussichtlich drei Monate dauern. Von Anfang März bis Ende Mai 2015.

In dieser Zeit sei unter anderem geplant, die Heizung durch eine energiesparendere Therme zu ersetzen, Fenster auszutauschen, die Böden zu erneuern und die Elektrik auf den neuesten Stand zu bringen. Außerdem sollen die bestehenden Balkone vergrößert und zur Leopoldstraße hin ein Wintergarten angebaut werden. Die Baugenehmigung für die "Errichtung von Balkonen und Galerieausbauten sowie einer Aufzugsanlage" hat die Lokalbaukommission laut Planungsreferats-Sprecher Ingo Trömer bereits 2012 erteilt.

Mit der Ankündigung ist auch eine Mieterhöhung verbunden

Mit der Ankündigung der Firma "Haus von Beck", der noch einige andere Stadthäuser in der Münchner Innenstadt gehören, ist auch eine Mieterhöhung verbunden: Mieter berichten von Mieterhöhungen in Höhe von nahezu 70 Prozent. "Eine angemessene monatliche Mieterhöhung sind wir gerne bereit zu tragen, aber keine in der angestrebten Höhe", berichtet eine Betroffene.

Ausziehen wollen die Mieter extrem ungern aus der über viele Jahre selbst renovierten und gepflegten Wohnung - schließlich ist Ersatzwohnraum in Schwabing zu bezahlbaren Preisen kaum zu finden. "Unser Haus ist von 1936, klar muss da dringend was gemacht werden", sagt ein Mieter. Die Fenster sind alt, die Hausfassade gehört gestrichen, eine Dämmung ist nötig.

Aber warum teils frisch renovierte Wohnungen nun in den Rohbauzustand zurückversetzt werden sollen, leuchtet den Mietern nicht ein. Viele Appartements haben Parkett, sind neu gefliest, es gibt Sicherungskästen mit FI-Schutzschaltern.

Die Modernisierungsankündigung, meint der Mieterverein, sei in dieser Form rechtlich nicht wirksam. "In dem Schreiben fehlen detaillierte Angaben, was genau gemacht wird, und was der Mieter davon hat", erklärt Sprecherin Anja Franz.

"Mehrere Mieter sind allein wegen des Lärms gegangen"

Trotzdem wird an der Leopoldstraße fleißig umgebaut. Erst seit der Konflikt öffentlich ist, sind die Arbeiten gestoppt. Wohnungen von Altmietern, die leer stehen, wurden bis dahin, wie eine Augen- und Ohrenzeugin berichtet, "acht oder neun Monate lang" hergerichtet. "Der Presslufthammer geht in aller Frühe los, mehrere Mieter sind allein wegen des Lärms gegangen", erzählt ein Mieter.

Monatelang klafften Löcher und hingen Kabel aus den Wänden im Treppenhaus. Phasenweise türmten sich auf dem Gehweg der Leopoldstraße Brocken an heruntergefallenem Putz. Mittlerweile leben im Haus an der Leopoldstraße 103 nur noch drei der einst zwölf Mietparteien; alle anderen haben aufgegeben.

"Wir haben ständig Schreiben mit der Androhung von Gerichtsprozessen und der Forderung, dass wir ausziehen sollen, bekommen", sagt eine Mieterin. Andere Mieter hätten bereits Aufhebungsverträge unterschrieben, allenfalls gegen "geringe Abfindungssummen", wie der Mieterverein kritisiert. So wie ein Ehepaar, das seit 25 Jahren in einer großen Wohnung im Dachgeschoss der Leopoldstraße 105 und Sulzbacher Straße 1 lebt.

"Wir sind damals eingezogen, weil das Haus einer Stiftung gehört hat", erzählt die Frau, "und haben dann alles auf eigene Kosten renoviert." Die Wohnung sollte ihr Altersruhesitz werden, die beiden sind 76 und 80 Jahre alt: "Jetzt ist unser ganzes Zukunftskonzept geplatzt."

Mieterverein befürchtet systematisches Vorgehen

Rainer Beck ist dem Mieterverein seit Jahren bekannt. "Uns ist das Vorgehen auch in anderen Anwesen in München aufgefallen", sagt Anja Franz, "wir vermuten, dass es ihm letztlich wohl darum geht, die jeweiligen Anwesen leer zu bekommen, um die Wohnungen dann zu renovieren und die Zimmer einzeln an Wohngemeinschaften zu hohen Mieten zu vermieten."

Dafür würden Modernisierungsarbeiten entweder mündlich oder schriftlich angekündigt. Diese seien dann zum Teil mit massiven Mieterhöhungen verbunden. Außerdem würden den Mietern langfristige Aufhebungsverträge angeboten.

"Den Mietern, die auf diese Vorschläge nicht eingehen, wird das Leben in den Häusern beispielsweise durch jahrelange Bauarbeiten im Treppenhaus schwer gemacht", erklärt die Mietervereins-Sprecherin, "in der Einsteinstraße 46 etwa ist der Großteil der Mieter bereits ausgezogen, die leeren Wohnungen werden nun an WGs vermietet. Die Bauarbeiten im Treppenhaus und im Dach dauern seit Jahren an." Ähnliches sei an der Fraunhoferstraße 10 zu beobachten.

3500 Euro Kaltmiete plus 750 Euro Nebenkosten

Der größte professionelle WG-Anbieter Deutschlands, die Medici-Living, findet sich bereits am Klingelschild der Leopoldstraße 103. Ebenso die Isar-WG, deren Webseite ebenfalls von der Medici-Living gestaltet wurde. Vor einem Jahr, berichtet eine Nachbarin, sei die Medici-Living-Wohnung für 3500 Euro Kaltmiete plus 750 Euro Nebenkosten in der Immobiliensuchmaschine Immoscout24 angeboten worden.

Das wären bei einer Belegung von fünf Personen 850 Euro warm pro Zimmer. Die Isar-WG sucht derzeit einen Mitbewohner, Mietkosten 495 Euro kalt, für ein 13-Quadratmeter-Zimmer. Für den Mieterverein bedeutet solch eine Nutzung eine "Zweckentfremdung". Eine, durch die "dringend benötigter Wohnraum für Familien in München vernichtet wird".

Eine von der SZ erbetene Stellungnahme hat das Unternehmen Haus von Beck nicht beantwortet. Nach Presseveröffentlichungen erreichte eine Mietpartei die fristlose Kündigung.

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