Schwabing:Die Stimme der Jugend

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Viel geschrieben, geprobt und gespannt auf die Premiere: Das Drei-Personen-Stück des Gymnasiasten Armin Söder könnte nun im Juli auf die Bühne des Rationaltheaters kommen. (Foto: Privat)

Der Gymnasiast Armin Söder hat in seinem Theaterstück "Radikale Liebe" den Lauf der Welt aus seiner Perspektive dargestellt. Die Uraufführung im Rationaltheater wurde wegen der Corona-Krise auf Juli verschoben

Von Stefanie Schwetz

Aus diesem Grund hat der Schüler des Schwabinger Max-Gymnasiums ein Theaterstück geschrieben, das den aktuellen Lauf der Welt aus der Perspektive von Jugendlichen beschreibt. "Radikale Liebe" lautet der Titel des Stücks, dessen Uraufführung im Rationaltheater ursprünglich für März geplant war, dann aber wegen der Corona-Krise auf April und nun auf Juli verschoben wurde.

Die Idee entstand angesichts einer Arbeit der Berliner Künstlerin Chantal Labinski, die vor nicht langer Zeit in München ausgestellt war. Es ist die Abbildung eines mit dem Schriftzug "Radical Love" versehenen Rettungsrings, der optisch von einer Buchstabenflut wüster Beschimpfungen verschleiert wird. "Ihr Schisser, ihr Scheißer, ihr Kopfabreißer," oder "Ihr Arroganzbestien, ihr Angeber, ihr Mitmacher von Moden, ihr Modeopfer," heißt es da. "Schimpfgebete" nennt Chantal Labinski diesen sprachlichen Rundumschlag, der die Ungeduld und den Zorn der Generation von Armin Söder auf den Punkt bringt und deshalb auch in seinen Theatertext "Radikale Liebe" eingeflossen ist.

Im Zentrum des Drei-Personen-Stücks steht eine äußerst zerbrechliche Familienkonstellation, wobei das zerstörerische Potenzial der Figur des Vaters zugeschrieben wird. Er repräsentiert als Manager eines global agierenden Autokonzerns die den Mainstream beherrschende ältere Generation. Die Mutter steht stellvertretend für die Welt, die genau daran zugrunde geht, während der Sohn jene Jugend verkörpert, die diesen Prozess aufhalten will - kämpferisch und gleichzeitig voller Liebe für die Mutter.

"Wir bilden zwar keine homogene Gruppe", beschreibt Armin Söder seine Generation, "aber die Welt zu retten wäre immerhin ein gemeinsamer Nenner." Dies gilt für ihn im Privaten genauso wie im öffentlichen Leben. In seinem Stück thematisiert der Autor deshalb den Niedergang der Umwelt und die Globalisierung der Wirtschaft genauso wie Ausbeutung und Drogenmissbrauch. Und immer geht es dabei auch um die Illusion von Familie - ein Konstrukt, das nur noch eine leere Hülse zu sein scheint. Auf diese Weise zeichnet Söder ein Bild der Wirklichkeit, das Erwachsene gerne ignorieren. Dabei greift er auf die eigenen Erfahrungen und die seiner Freunde zurück, die er in sehr unterschiedlichen sozialen Kontexten und Stadtvierteln kennengelernt hat. "Ich kenne genug Leute aus sogenannten guten Familien mit Drogenproblemen", sagt er. Dass das zu weiten Teilen der Erwartungshaltung der Eltern zuzuschreiben ist, wollen diese aber oft nicht wahrhaben.

Im Vergleich zu früheren Generationen geht es hier weniger um rauschhafte Selbsterfahrung als darum, den wachsenden Herausforderungen des Alltags gerecht zu werden. Genauso scheinen Parolen wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht", die in ferner Vergangenheit die Jugend bewegten, der Generation des Autors fremd zu sein. Das Gebot der Stunde indes ist eher Verantwortung - im Kleinen wie im Großen. "Wir müssen schließlich alles aufräumen, was ihr uns hinterlassen habt," sagt Söder.

Vor diesem Hintergrund gewinnt man den Eindruck, es handele sich bei der Inszenierung von "Radikale Liebe", die gleichsam eine gemeinschaftliche Anstrengung des Autors und seiner Mitstreiter aus verschiedenen Freundeskreisen ist, um einen Akt der Selbstermächtigung. Älter als 19 ist keiner der Schüler und Auszubildenden, die "Radikale Liebe" auf die Beine gestellt haben. Denn "nur Jugendliche können die Perspektive von Jugendlichen einnehmen", findet Armin Söder, können glaubwürdig artikulieren, was sie bewegt. Umso erstaunlicher ist es, dass den jungen Theatermachern ein so traditionelles Mittel wie die Bühne als Sprachrohr dient. Für Armin Söder ist das eine Frage der Authentizität. "Das Coole am Theater ist seine physische Echtheit", sagt er. Deshalb habe er bewusst nicht die sozialen Netzwerke gewählt.

Radikale Liebe, Uraufführung voraussichtlich im Juli im Rationaltheater, Hesseloher Straße 18; detaillierte Termine unter www.rationaltheater.de.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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