Schwabing:Dem Himmel ganz nah

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Mitte Februar soll am Schwabinger Tor das 20. Andaz-Hotel des Hyatt-Konzerns eröffnen. Doch noch wird bis hinauf ins oberste Stockwerk gehämmert und gesägt, um das gestalterische Konzept zu verwirklichen. Ein Baustellen-Rundgang

Von Nicole Graner, Schwabing

Ein paar dunkle Flecken vielleicht und viel Nebelgrau. Der Himmel zeigt sich an diesem kalten Januartag nicht von seiner schönen, bayerischen Seite: weiß und blau. In der Lounge des Andaz-Hotels Schwabinger Tor ist er es trotzdem. Denn auf Videoinstallationen ziehen am blauen Himmel Wolken vorbei, die der Münchner Künstler Yves Peitzner ein Jahr lang vom Dach des Hotels aus gefilmt hat. Sie schicken den Eintretenden auf eine Reise in luftige Höhen, wollen wohl Zeichen sein für eine Freiheit, die sich der Mensch erträumt, wenn er aus dem Alltag entflieht. Und das soll er, wenn er als Gast in jenem Haus mit fünf Sternen absteigt. "Die Tür geht auf", sagt Kommunikationsmanagerin Gabriele Eder vom Andaz-Hotel, "und wir sind für sie da". Man will, wenn man so will, für die Gäste Berge versetzen, oberbayerische natürlich. Und in dieser Philosophie spielt der Himmel natürlich eine große Rolle.

Gold, Kupfer, warme Farben und Rautenmuster: Eine bepflanzte Wand bringt außerdem das Grün in die Lounge des neuen Hotels an der Leopoldstraße - dort, wo einst das Holiday Inn stand. (Foto: Florian Peljak)

Zurück auf den Boden: Am 18. Februar soll das 20. Andaz-Hotel des Hyatt-Hotel-Konzerns in Schwabing eröffnen. Und der Blick in die lange, große Lobby, die keine ist, sagt: Die Zeit drängt, unfassbar viel ist noch zu tun. Unzählige Kartons stehen ungeöffnet herum, rote Polster sind noch in Folien verpackt in Paletten, mit Abfall überquellende Container oder aufgerissene Kartons stehen Handwerkern im Weg. Dort wird geschraubt, da geputzt. Große und kleine Leitern werden hin- und hergeschoben wie Kisten. "Jeden Tag kommen neue", sagt Eder. Und dann piepst es. Schrill. Irgendein Alarm geht mal wieder.

Noch sind die Stühle desHotel-Restaurants"The Loneley Broccoli"in Folie verpackt. (Foto: Florian Peljak)

Dass in der Lobby - Verzeihung, Lounge - Gäste von Hosts begrüßt und bei einem Drink, einem kleinen Snack aus der Küche auf das Einchecken warten? Es sich auf einer goldenen Sitzbank in Form einer riesigen, goldenen Brezen gemütlich machen? Im Moment mag man daran nicht glauben. Eher warten alle auf einen der beiden funktionierenden Aufzüge. Sie sind heiß begehrt. Denn wie sollen sonst Kartons, Materialien und die Handwerker schnell von einem Stockwerk in das andere? Geduld ist angesagt. Denn gehalten wird nahezu in jeder Etage. Hier braucht es Abdichtungen, dort soll verfugt werden. In einem Aufzug müssen unzählige Kisten nach oben transportiert werden. "Endlich!", stöhnt ein Handwerker und freut sich, dass der Lift wieder im Erdgeschoss gelandet ist. Sofort schiebt er weitere Kartons in den Aufzug. Vielleicht neue Möbel für die Penthouse-Suite im elften Stock.

Das Klee-Zitat auf Leder-Leinwand muss noch warten, bis es am rechten Platz hängt. (Foto: Florian Peljak)

Im zwölften Stock kommt der Himmel wieder ins Spiel. Hier in der Bar M'Uniqo und auf der Dachterrasse im Dreizehnten ist der Blick umwerfend. Sogar bei schlechtem Wetter. Bei schönem allerdings werden die Berge fühlbar nah nach Schwabing rücken, die Autos auf der Leopoldstraße zu einer bewegten Kunstinstallation, und die Tram 23 erscheint so winzig, dass man sie am liebsten mit der Hand irgendwohin versetzen möchte. Auch in der Bar wird noch gehämmert und gesägt. Die vielen Regalwände aus schwarzem, rotem und orangen-farbigem Glas sind schon eingesetzt, aber jetzt sind die Rückwände aus Plexiglas an der Reihe. Sie werden mit der Tischkreissäge exakt geschnitten und eingepasst. Der Chef eines Schreinerbetriebs aus dem Schwarzwald - seinen Namen will er nicht nennen - ist nicht zufrieden. Das Glas muss raus, noch mal angepasst werden. "Das muss alles heute noch fertig werden", sagt er. Schließlich müssen auch die Steinplatten so schnell wie möglich auf die Theke kommen. "Aber das wird schon werden", sagt er.

Noch ist das Andaz-Hotel am Schwabinger Tor eine Baustelle. (Foto: Florian Peljak)

Im Spa-Bereich geht es noch hektischer zur Sache. Dort verdient die Baustelle ihren Namen. Abgeklebte Wände, aus den Wänden ragende Kabel, Farbkübel. Duschen, Sauna und Dampfbad - alles ist schon da und alles ist rund. Das ist baulich das Motto, und das zweite: Männer und Frauen haben zwar farblich unterschiedliche Mosaiksteine bekommen - rosa und hellbraun für die Damen, grün und grau für die Herren, aber das Behandlungsangebot solle gleich sein, sagt Gabriele Eder. Das Mosaik am Eingang des Spa-Resorts fängt diesen Wellness-Gedanken für alle künstlerisch auf: Alle Steine vermischen sich wie in einem fließenden Aquarellbild.

43 Suiten wird es geben und 277 Zimmer. Und sie sind edel. Nummer 155 ist eines von den großen, geräumigen Standard-Zimmern. Das in Glas gekleidete Bad teilt den Raum geschickt, Sitznischen im Fenster, eine Sitzbank - Wohnen und Schlafen gehen eine Symbiose ein. Kunst ist für die Jost-Hurler-Gruppe Teil des Lebens. Ob bereits mit Ausstellungen in der großen Garage des Komplexes Schwabinger Tor oder mit Plätzen im Areal, die sich in ihrer Architektur an Bildern von Paul Klee oder Wassilij Kandinsky orientieren - auch in den Zimmern hat Kunst einen Namen: Mirko Borsche. Auch, so erzählt Gabriele Eder, hätten in den großen Suiten früher straffällig gewordene Jugendliche, die mit Hilfe der Kunst ein neues Leben hätten beginnen können, Eingangswände gestaltet.

Überhaupt versteckt sich viel Hintergründiges im gestalterischen Konzept des Hotels. Da wären zum Beispiel die Rauten, die sich ganz bewusst wie ein bayerischer roter Faden durch das Hotel ziehen: in Teppichen, in Fußböden, im Geschirr, als Wandverkleidung. Farbige Geländer-Gläser im Zimmertrakt markieren nicht nur das jeweilige Stockwerk, sondern symbolisieren das Alpenglühen, das unterschiedliche Licht auf den Gipfeln der Berge.

Für 30 Jahre hat Hyatt das Hotel von der Jost-Hurler-Gruppe gepachtet. Was heißt: Qualität und Nachhaltigkeit stehen an oberster Stelle. Das sieht man. Das Andaz-Hotel ist ein Luxus-Hotel. Nicht jeder wird sich dort ein verlängertes Wochenende im oberbayerischen Himmelreich leisten können. Aber vielleicht einen Ausflug in die Sky-Lounge. Noch wird da ganz oben im Eiltempo gehämmert und gesägt. Noch stehen keine Flaschen, noch keine Gläser in der großen Regalwand. Doch eines können die Handwerker sagen, die da oben letzte Hand anlegen: Sie arbeiten auf einer der derzeit schönsten Baustellen: dem Himmel ganz nah.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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