Schwabing:Das Gschiss nimmt kein Ende

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Verschmitztes Lächeln, stille Freude: Würde Regisseur Helmut Dietl noch leben, hätte er bestimmt großen Spaß an dem Tohuwabohu um die Bronzestatue zu seinen Ehren, die jetzt noch im Atelier von Nikolai Tregor steht. (Foto: Nikolai Tregor)

Nach langem Hin und Her ist das Denkmal für Regisseur Helmut Dietl fertig,das an der Münchner Freiheit stehen soll. Doch jetzt verhindert Corona die großeEnthüllungsfeier. Deswegen kommt die Plastik erst einmal in eine Galerie

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Anfangs sah es nach einer gmahdn Wiesn aus, einem Plan also, der kaum schiefgehen kann: Als im Frühjahr 2018 das Projekt anlief, dem Autor und Regisseur Helmut Dietl ein Denkmal zu errichten, noch dazu neben der Plastik seines Freundes Helmut Fischer, der den "Monaco Franze" so wunderbar verkörpert hatte - da schien eine angemessen opulente Enthüllungsfeier für das Dietl-Denkmal nicht allzu fern. Doch, um es im Dietl-Duktus zu formulieren: Es war und bleibt weiter ein ewiges Gschiss mit dieser Statue. Oder, wie es Karl Eisenrieder junior, Miteigentümer des Cafés Münchner Freiheit, sagt: "Das Tohuwabohu geht weiter."

Obgleich der Künstler Nikolai Tregor in diesen Tagen der Plastik des gerühmten, im März 2015 verstorbenen Filmemachers den letzten Schliff verpasst, wird die Bronze-Figur wohl nicht so schnell ihren Platz auf der Freifläche vor dem Café Münchner Freiheit einnehmen. Die Betreiberfamilie Eisenrieder, Auftraggeber und einer der Hauptfinanziers des Dietl-Monuments, will angesichts der Corona-Auflagen keine Einweihungsfeier ins Auge fassen. "Wir wollen das Risiko nicht eingehen", sagt Karl Eisenrieder junior. Er würde gerne eine ähnlich ausgelassene Party schmeißen wie damals, als die Monaco-Statue enthüllt wurde, ebenfalls geschaffen von Nikolai Tregor. Im November 1997 hielt der damalige Oberbürgermeister Christian Ude eine Festrede, es gab jede Menge Freibier und Gulaschsuppe für mindestens tausend Gäste, dazu Musikbeschallung von einer Band. Eine Gaudi soll es auch diesmal werden, vor allem für die Münchner Bürger, stellen sich die Eisenrieders vor. Denn die Schwabinger fragten zuhauf immer wieder nach, wann er denn jetzt endlich komme, der Bronze-Dietl. Deshalb hat sich die Eigentümerfamilie dagegen entschieden, die sechs Zentner schwere Plastik im hygienemäßig machbaren, aber dann zwangsläufig exklusiven Rahmen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Und auch mit einem solch kleineren Kreis sieht Eisenrieder das Risiko, dass sich viele Dietl-Fans - überhaupt nicht Corona-konform - am Rand der Absperrung einfinden. "Wir lassen's jetzt erst einmal und warten ab. Bis es dann heißt: A recht a Gschiss war's, aber Ende gut, alles gut", sagt Eisenrieder.

Dietl selbst hätte zu Lebzeiten einen solchen Satz sicher gerne in eines seiner Drehbücher geschrieben, zumal dem Meister hintersinniger und komischer Erzählungen ("Monaco Franze", "Münchner Geschichten", "Kir Royal") das Tohuwabohu um die Genese der Statue sicher ohnehin getaugt hätte. Die Idee zur Gedenk-Initiative hatte eine Frau im Sommer 2016 bei der Schwabinger Bürgerversammlung vorgetragen. "Seine Statue gehört neben die vom Monaco Franze", sagte sie unter donnerndem Applaus. Zwei Jahre später legten die Eisenrieders und der damalige Bezirksausschuss-Vorsitzende Werner Lederer-Piloty (SPD) begeistert los, sammelten 70 000 Euro an Spenden ein, auf einem städtischen Konto. Der Kulturausschuss des Stadtrates fand dieses halb politische, halb private Projekt ganz erfreulich, doch dann nahm das Drama seinen Lauf: Es hieß, Künstler Tregor habe Schulden, womöglich würden die Spendengelder gepfändet; die Stadtverwaltung zahlte das Geld an die Spender zurück, zumal plötzlich ein weiteres Problem erkannt wurde.

Die Freischankfläche des Cafés ist öffentlicher Grund und damit eigentlich Angelegenheit einer Kommission für öffentliches Gedenken, schließlich sollen nicht Hinz und Kunz ein Denkmal in der Stadt bekommen. Für Alt-OB Ude war das seinerzeit im Fall der Monaco-Plastik kein Problem, er befand die Idee für ausgezeichnet - und ein halbes Jahr später stieg die Enthüllungssause. In Dietls Fall aber musste sich der Stadtrat nochmals mit der Angelegenheit befassen, wobei sich der Café-Seniorchef Karl Eisenrieder inzwischen wild entschlossen zeigte, die Bronzeplastik auch ohne städtische Genehmigung aufzustellen. Die Stadt soll dann halt entscheiden, dass sie wieder weg muss, schimpfte er. Doch die Stadträte befanden einstimmig: Unbedingt soll sie da hin, "Zeit wird's", "super, klasse".

Inzwischen hatte ein Verein die Projektorganisation übernommen, die Spendengelder wieder eingesammelt. Bildhauer Nikolai Tregor konnte endlich loslegen - dann kam Corona. Was also jetzt tun mit dem Dietl-Denkmal, das insgesamt 90 000 Euro gekostet hat? Es in die Abstellkammer stellen? "Das fänden wir schade, gerade für diejenigen, die so lange darauf gewartet haben", sagt Karl Eisenrieder junior. Er will jetzt ausloten, ob man eine Münchner Galerie findet, wo jedermann die Bronze anschauen kann, bis das Gschiss irgendwann ein Ende hat.

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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