Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Bürgerinitiative kämpft gegen Umbau des Elisabethmarkts

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Von Dominik Hutter

Abriss. Das klingt brutal - zumal es sich um kleine unschuldige Obststände in kleinen unschuldigen Häuschen handelt. Um den Elisabethmarkt, der doch zu den Schwabinger Altbaustraßen gehört wie das Nordbad oder der Kurfürstenplatz. Noch wird hier eingekauft: Käse, Wein, Salat oder Fisch - alles im Schatten des alten Umspannwerks, das hinter den Verkaufshütten aufragt wie eine Felswand. Dessen Tage sind gezählt, auf dem traumhaft gelegenen Grundstück sollen Wohnungen entstehen.

Die Pläne hängen eng mit dem Schicksal des Elisabethmarktes zusammen. In den Augen einer Bürgerinitiative gebärdet sich die Bauherrin, die Stadtsparkasse München, als Totengräber des Elisabethmarkts, weil der Neubau eine achteinhalb Meter breite Feuerwehrzufahrt von dem Häuschen-Ensemble abzwackt. Kommunalreferent Axel Markwardt hingegen spricht von einer "Win-Win-Situation". Man habe nun die Chance, die dringend sanierungsbedürftigen Hütten zu erneuern, schöner anzuordnen und obendrein dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.

Wie so oft in stadtplanerischen Fragen stehen sich zwei Sichtweisen gegenüber. Die Initiative, die auf einen Bürgerversammlungsbeschluss verweisen kann und im Internet schon mehrere tausend Unterschriften gesammelt hat, spricht vom "Gefühl einer Liebe, einer Liebe zu kleinen, vertrauten Dingen", die keinen Abriss und Neuaufbau vertrage. Sprich: Alles soll bleiben, wie es ist, allenfalls eine behutsame Sanierung wäre erträglich. Wie am Wiener Platz. Die dortigen Häuschen sollten ja eigentlich auch abgerissen werden. Bis Oberbürgermeister Dieter Reiter ein Machtwort sprach. Nun sollen die bestehenden Stände saniert werden.

Im Rathaus beobachtet man die Aktivitäten mit Unverständnis. Offenbar gehe es den Aktivisten darum, ein diffuses Misstrauen gegen jede Form der Veränderung zu kultivieren, lautet eine verbreitete Interpretation in den Fluren am Marienplatz. Denn der Elisabethmarkt werde ja nicht etwa geschlossen, wie man bei Begriffen wie "Abriss" und "Rettung" zunächst vermuten könnte. Es gehe darum, dem Markt eine Zukunft zu geben, betont Kommunalreferent Markwardt. So wie sich die Nachkriegsbauten heute präsentieren, könne der Markt schon aus hygienischen und brandschutzrechtlichen Gründen nicht bleiben. "Eine Veränderung ist nötig", versichert auch SPD-Stadträtin Ulrike Boesser. "Man muss sicherstellen, dass der Markt auch in den nächsten 20 Jahren noch seine Stammkunden hat". Die Situation am Elisabethmarkt sei mit der am Wiener Platz nicht vergleichbar. In Schwabing handle es sich weitgehend um einen echten Lebensmittelmarkt, in Haidhausen gehe es vor allem um Gastronomie.

Ähnlich sieht es auch CSU-Fraktionschef Hans Podiuk. Wenn am Elisabethmarkt nichts passiere, müsste über kurz oder lang das Ordnungsamt einschreiten - mit der Folge, dass es dann nur noch "Postkarten und Geschirr" zu kaufen gibt. Im Detail will sich die CSU noch nicht festlegen, "aber es gibt nicht viele Alternativen". Sabine Krieger von den Grünen hält den Umbau für einen echten Gewinn. Es handle sich schließlich nicht um ein "total supermodernes Konzept", der Markt werde seinen Charme behalten.

Kein Standl soll verloren gehen

Geht es nach dem Kommunalreferat, rückt der Elisabethmarkt bei der Sanierung der vier Münchner Märkte auf Platz eins vor. Schon Ende 2018/Anfang 2019 solle es losgehen, parallel zum Neubau der Stadtsparkasse. Die will auf dem alten Stadtwerke-Gelände 200 bezahlbare Wohnungen errichten, plus eine Kita im Hof. Dies macht auch die Feuerwehrzufahrt am Elisabethmarkt notwendig - Rettungswege über den Hof gefährden die Kita sowie eine erkleckliche Anzahl an Wohnungen, so Michael Rubenbauer von der Sparkasse. Ohnehin handle es sich lediglich um eine Schneise für den Notfall, beteuert Cornelius Mager von der Lokalbaukommission. Im Alltag dürfen dort Tische und Stühle stehen, Händler könnten Waren im Freien anbieten.

Mit der neuen Verkaufsgasse entfiele der "Hinterhof" des Marktes, die heute von Autos zugestellte Anlieferzone. Geliefert werden soll künftig über die Tiefgarage des neuen Wohnhauses, dort könnten auch dringend benötigte Lagerflächen mit Kühlung entstehen. Die Hütten sollen neu gebaut und attraktiv neu angeordnet werden, so Architekt Rainer Hofmann von "Bogevischs Büro". Dabei sei auch eine ganz bescheidene Ausstattung denkbar, vielleicht auch ein Wiederaufbau der heute so charakteristischen auskragenden Dächer. Die Lagerräume verschwinden komplett von der Oberfläche. Kein einziges Standl soll bei dem Umbau verloren gehen, die Freiflächen würden sogar größer.

Die Händler sollen auch während der Umbauphase weiterverkaufen dürfen. Nebenan in der Arcisstraße.

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SZ vom 03.11.2016
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