Süddeutsche Zeitung

Biedersteiner See:Der Traum vom Schlossweiher

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Wird der Biedersteiner See nach knapp 100 Jahren wieder ausgehoben? Ob der Vorschlag aus der Lokalpolitik realisiert wird, ist ebenso unklar wie derzeit die Frage einer Wiedervereinigung des Englischen Gartens.

Von Benjamin Stolz

Auf halber Strecke durch die weiten Felder zwischen dem Schwabinger Bach und dem Dorf Schwabing zeigt sich plötzlich eine besonders hübsche Szenerie. In der Oberfläche eines Sees spiegeln sich die hellbraunen und dunkelgelben Fassaden des neuen und des alten Schlosses Biederstein. So hat der Maler Heinrich Adam Mitte des 19. Jahrhunderts einen Ort dargestellt, auf dem sich heute etwa ein Alten- und ein Studierendenheim, die Asphaltspuren des Mittleren Rings, der Biedersteiner Tunnel und ein paar Rasenausläufer der Hirschau drängen.

Geblieben ist von der früheren Park- und Schlossanlage nur noch die winzige Ruine eines Tors östlich und ein Stück Grün westlich des Rings - eine nach Ansicht von Bezirksausschuss-Mitglied Werner Lederer-Piloty (SPD) "saure Wies'n", für die er einen großen Plan parat hat. Der ehemalige Chef des Bezirksausschusses (BA) Schwabing-Freimann will an Ort und Stelle den früheren Biedersteiner See wiederherstellen, der in den 1920er-Jahren trockengelegt wurde.

Sein Projekt hat Lederer-Piloty, heute einfaches BA-Mitglied, bei der jüngsten Sitzung des Ausschusses vorgestellt. Im Antrag schreibt er von einer "Stadtreparatur". Der heutige Zustand der Wiese entspreche "nicht den landschaftsplanerischen Intentionen" des Architekten der damaligen Anlage. "Aus ökologischer Sicht", resümiert Lederer-Piloty, "wäre dieser See eine wünschenswerte und auch notwendige Maßnahme".

Auch wenn die Lokalpolitiker den Vorstoß positiv verabschiedet haben, stieß er bei den anderen Fraktionen teilweise auf Unverständnis. Für Dagmar Föst-Reich (FDP) ist die Biedersteiner Wiese im Gegensatz zum benachbarten Englischen Garten "noch ein bisschen mehr den Schwabingern überlassen". In der Grünfläche sieht sie eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten, vom Freiraum für Kinder bis zur Liegewiese, die mit einem See untergehen würden. Ekkehard Pascoe (Grüne) hält die Idee schlicht für "sinnlos" und technisch schwer realisierbar.

Der See wäre zwei Meter tief und einen Hektar groß

Ende Dezember ist der Rasen mit Raureif überzogen. Die einzigen, die hier noch spielen, sind ein paar Hunde, die die Besitzer zwar im Blick, aber selten an der Leine haben. "Klimatisch ist ein See viel mehr wert als diese Hundewiese", sagt Lederer-Piloty. Er gestikuliert in das gefrorene Grüne, was er mit der Wiese vorhat: Ungefähr 20 000 Kubikmeter Erde sollten ausgehoben werden, damit dort ein See entstünde, der zirka zwei Meter tief wäre und an der Oberfläche einen knappen Hektar messen würde. Außerdem müssten der Grund abgedichtet und das Wegenetz angepasst werden. Der Spielplatz am Rand der Wiese könnte erhalten bleiben. Kostenschätzung: etwa zwei bis zweieinhalb Millionen Euro.

"Man braucht einen langen Atem, um diese Bretter zu bohren", sagt Klaus Bäumler. Der ehemalige BA-Chef der Maxvorstadt hat eine Wiederbelebung des Sees bereits Ende der 1980er-Jahre vorgeschlagen. Dabei bezog er sich auf ein Plangutachten aus dem Jahr 1955. In der Lokalpolitik - das wissen Bäumler und Lederer-Piloty - mahlen die Mühlen manchmal langsam. Bäumler bekräftigt den neuen Versuch seines Kollegen und betont, "dass die Historie des Biedersteiner Parks zurückführt auf die Anfänge des Landschaftsgartens in München, Bayern und sogar in Deutschland".

"Die ersten großen Landschaftsgärten waren andere", stellt der Stadtplaner Johann Hartl klar. Er hat aus Interesse die Geschichte des Parks und des Schlosses Biederstein erforscht und dokumentiert. Einen Schwabinger Fischweiher an der besagten Stelle erwähnten Urkunden erstmals im Jahr 1448. Zu Beginn des 18. Jahrhundert errichtete ein Adeliger ein angrenzendes Landhaus.

Mehr passierte auf dem Gelände erst unter Karoline von Baden, die das Haus von ihrem Gatten, dem späteren bayerischen König Maximilian I. Joseph, Anfang des 19. Jahrhunderts geschenkt bekam. Sie beauftragte den bekannten Landschaftsgärtner Friedrich Ludwig von Sckell, die Anlage umzugestalten. Spätestens 1835 befand sich der Park mitsamt Biedersteiner See in seiner Blütezeit, die allerdings keine hundert Jahre dauerte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der amöbenförmige Teich mit den zwei künstlichen Inselchen in der Mitte zur Veräußerung der Fläche trockengelegt. 1934 riss man das architektonisch nicht gerade für gelungen gehaltene neue Schloss ab. Das alte wurde in den letzten Kriegsjahren zerbombt, die Reste bald darauf abgerissen.

Den See nach den Original-Plänen von Sckell wiederherzustellen, ist heute wegen des Biedersteiner Tunnels unmöglich, der laut Karten direkt durch das frühere Gewässer führt. Der neue Teich läge also etwas weiter östlich als früher. "Das ist ein ganz anderes Gelände, als es mal war", sagt Johann Hartl. Ein neuer See, umgeben von unterkellerten Bauwerken, müsse außerdem synthetisch und genau abgedichtet sein, um Wasserschäden vorzubeugen. Dagmar Föst-Reich fände eine "Wiedervereinigung des Englischen Gartens zielführender als den See" und meint damit das wackelnde Großprojekt, den durch den Garten schneidenden Isarring zu untertunneln, um den Nord- und den Südteil zusammenzubringen.

Werner Lederer-Piloty weiß, dass solche Ideen nicht von heute auf morgen umgesetzt werden, Stichwort "dicke Bretter". "Das Zusammenspiel mit dem Englischen Garten und der Hirschau ist derzeit gestört und ökologisch nicht vernetzt", stellt auch er fest. Die Entscheidung, ob ein See zu Biederstein die Wogen glätten soll, liegt nun bei der Stadt München, die sich zu den Ideen bis dato noch nicht äußern wollte.

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