Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Austausch auf Augenhöhe

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Damit die Lärmkonflikte in der Siedlung am Ackermannbogen nicht eskalieren, laden Mediatoren Jung und Alt zum gemeinsamen Gespräch. Am Ende steht gewachsenes Verständnis - und ein konstruktiver Lösungsvorschlag

Von Nicole Graner, Schwabing

Respekt. Das ist das Wort, das als stilles Motto über einem Gesprächsabend im Jugendzentrum an der Lissi-Kaeser-Straße stand, der einem Problem in dem urbanen Quartier am Ackermannbogen gewidmet war: dem Lärm. Abends und nachts durch feiernde und laut redende Jugendliche, tagsüber durch spielende, schreiende Kinder am Stadtplatz. Im Super-Sommer 2018 waren die Nächte lang. Zu lang. Ein Generationenproblem begann zu erwachsen in einem lebendigen Viertel, in dem 7000 Menschen leben - davon 21 Prozent Jugendliche im Alter von sechs bis 20 Jahren. Die Abende eskalierten in dem einen oder anderen lauten Wortwechsel zwischen Jugendlichen und entnervten Anwohnern. Die Polizei wurde gerufen - allerdings weniger oft als in anderen Stadtteilen, wie die Polizei deutlich macht. Denn das Viertel sei eher ruhig.

Bevor eine Kommunikation im Viertel zwischen Jugendlichen und Anwohnern gar nicht mehr möglich ist, Streit zur Tagesordnung wird, hat die Nachbarschaftsbörse in Zusammenarbeit mit Akim, dem Allparteilichen Konfliktmanagement, zu einem Abend der Generationen geladen. Was heißt: Anwohner, Jugendliche und Polizei sollten unter der Moderation von Heidrun Eberle (Nachbarschaftsbörse) und Traudl Baumgartner von Akim die Chance haben, sich auf Augenhöhe auszutauschen, fair miteinander über die verschiedenen Sichtweisen und Empfindungen sprechen. Über Ärger und Frust, über Wünsche und eben auch über Respekt. Und den zollten an diesem Abend schon mal alle einander: sieben Jugendliche und 16 Erwachsene.

Einig war man sich in einem Punkt: Man lebt gemeinsam in einem attraktiven, lebendigen Viertel, das man liebt. Weil es so schön grün und autofrei ist, viele Plätze und freie Flächen habe. Weil die Nahversorgung stimme, das kulturelle Angebot. Und weil man sich frei entfalten, als Jugendlicher "selbst werden" könne, wie eine Mutter beschreibt. Und dann kann Lärm diese Oase mitten in der Stadt stören? Ja, wie Anwohner sagen, die erzählen, wie oft sie nicht schlafen könnten, weil laute Musik und Gespräche von jungen Menschen sie daran hinderten. Es werde auf dem Dach des Edeka-Hauses laut Fußball gespielt, auf den Wiesen bis weit nach 22 Uhr. Auf den Sitzbänken unterhielten sich manche laut. Ja, und sogar tagsüber sei es laut, wie sich ein Anwohner ärgerte. Am Brunnen am Stadtplatz kreischten die Kinder beim Herumplanschen. Von Respektlosigkeit ist die Rede, aber auch von Versuchen, mit den jungen Menschen zu reden. Manchmal mit Erfolg, manchmal ohne. Und manchmal schwinge auch Angst mit, sagt eine Anwohnerin. "Ich traue mich da nicht runter, um mit den oft auch alkoholisierten Jugendlichen zu sprechen." Sagt es, verbunden mit dem Wunsch, es lernen zu wollen.

Und die Jugend? Sie habe auch das Recht, sich auf den Plätzen im Viertel aufzuhalten. "Es ist frustrierend", erklärt die 18-jährige Miriam Zieglmeier, "wenn man ständig von den Sitzbänken verscheucht wird". Und oft angeschrien wird. "Klar", sagt sie, "dann schreit man auch zurück". Weil man sich letztlich überall "ungewollt fühlt". Aber wo solle man hin? Man wolle eben nicht daheim bei den Eltern am Küchentisch mit Freunden ratschen, sondern sich auch draußen treffen. Und da werde man von A nach B gescheucht. Sie spricht damit einen entscheidenden Punkt an. Wo sind die Plätze im Quartier und in anderen Stadtvierteln, die Jugendliche - auch wenn sie nicht aus dem Quartier kommen - nützen können, ohne zu stören? Die passen und auch attraktiv sind? Und die ihnen wertvolle, geschützte Freiheit schenken? Die Baumhäuser, die Jugendliche einst in liebevoller Tüftelarbeit bauten, wurden beispielsweise abgerissen. "Eines Tages waren sie einfach nicht mehr da", beklagt sich der zwölfjährige Andreas Merk.

Näher an den Olympiapark. Eine Idee. "Aber da will ich bei Dunkelheit nicht rüber", sagt Miriam Zieglmeier. Und an der Trambahn-Wendeschleife an der Ackermannstraße? Da hingen oft Obdachlose herum, es sei viel zu hell und ungemütlich - so das Urteil der Jugendlichen. Deutlich wurde auch, dass es nicht nur an den Jugendlichen liegt, wenn es laut wird. Schon das normale Reden auf Sitzbänken sei schon zu viel. Alles sei auch eine Frage der Akustik.

Andreas Merk hatte dann eine sehr konstruktive Idee: zum Bauwagen an der Elisabeth-Kohn-Straße. Seit so langer Zeit stehe er da. Unbenutzt. "Das wäre doch ein guter Platz", sagt er, und eine Jugendliche bietet sofort an, dort regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Der Beifall war den beiden sicher. Ein Beifall, der auch zeigte, wie am runden Tisch im Miteinander nach Lösungen gesucht wurde. Oder wie Traudl Baumgartner immer wieder betonte: "Miteinander reden ist das einzige, was letztlich immer wieder hilft." Auch dann, "wenn es mal kracht", ergänzte Heidrun Eberle - und der Konflikt letztlich immer bleibt. Ist die Lärmquelle an einer Stelle verschwunden, taucht sie an einer anderen wieder auf. Großstadtleben eben.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2019
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