Schwabing:Aus Sorge um die Kneipenkultur

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Die Freunde der Schwabinger 7 geben nicht auf - und rufen erneut zu einer Demonstration auf. Außerdem versucht die Bürgerinititative, das Bauprojekt mit kniffligen juristischen Fragen zu stoppen.

Thomas Kronewiter

Im Streit um die künftige Bebauung auf dem Areal der "Schwabinger Sieben" greifen die Bürgerinitiative "Rettet die Münchner Freiheit" und die Anwälte der benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft Marktstraße1 die Stadt München frontal an: Dabei geht es im Kern um die baurechtliche Zulässigkeit des Projekts der Hamburgischen Immobilien Handlung (HIH) in der Feilitzschstraße 7 bis 9. Während das städtische Planungsreferat auf den erteilten Vorbescheid verweist und seine Hände gebunden sieht, glauben die Gegner des Bauvorhabens nach wie vor an den Gestaltungsspielraum des Stadtrats.

Für Dienstag haben die Freunde der Schwabinger 7 erneut zu Demonstrationen aufgerufen. (Archivbild) (Foto: Alessandra Schellnegger)

So kommt der Universitätsprofessor für Öffentliches Recht an der Universität Frankfurt/Oder, Heinrich Wolff, in einem Gutachten für die Kanzlei Schönefelder Ziegler Lehners zu dem Schluss, dass der Vorbescheid der Lokalbaukommission zu einem Vorläuferprojekt in der entscheidenden Fragestellung nicht bindend sei: "Es ist nach der Literatur und Rechtsprechung nicht zulässig, dass die Verwaltung von sich aus Fragen im Vorbescheid beantwortet, deren Beantwortung nicht beantragt wurde."

Gefragt worden sei nach der Zulässigkeit einer Geschossflächenzahl, die zusätzliche Äußerung der Lokalbaukommission, die das Vorhaben für planungsrechtlich zulässig hielt, verpflichte die Stadt aber nicht: Denn danach habe der Antragsteller gar nicht gefragt.

Was für juristische Laien nach Haarspalterei klingt, ist für Anwalt Benno Ziegler der Hebel, mit dem er das 37 Millionen Euro teure Wohn- und Geschäftshaus der HIH notfalls zu Fall bringen möchte. Er vertritt die Eigentümer des im rückwärtigen Teil vom Neubau betroffenen Hauses Marktstraße1. Sie würden Zieglers Ansicht nach durch eine "massive Unterschreitung bei den Abstandsflächen" und durch eine starke Verschattung ihrer Wohnungen benachteiligt.

Wolff, der sechs Jahre an der Ludwig-Maximilians-Universität gelehrt hat, bestätigt das Recht des Stadtrats, trotz des Vorbescheids einen Bebauungsplan aufzustellen und in der Zwischenzeit eine Veränderungssperre zu erlassen. Letztere würde das Projekt maximal für 48Monate zurückstellen - eine Zeit, die Florian Raabe von der Bürgerinitiative "Rettet die Münchner Freiheit" zum Ausloten einer alle zufriedenstellenden Lösung nutzen will.

Den zur Zeit weithin hörbaren Aufschrei der Schwabinger Kreativen, der Gastronomen und zahlreicher Bürger über die Pläne des Hamburger Investors glaubt Kabarettist Sven Kemmler durch eine seit langem erfolgte Sensibilisierung begründet: Gerade die Kneipenkultur sei in München sehr fragil. "Man muss für gleichwertigen Ersatz an gleicher Stelle sorgen, weil sonst die Kultur wegbricht." Letzteres ist nach Beobachtungen vieler Kulturschaffender schleichend längst im Gange. Das Theater 44 gebe es nicht mehr, sagte bei einem Pressegespräch am gestrigen Montag Dietmar Höss, Chef im Rationaltheater. Im früheren "Heppel&Ettlich" sei eine Edel-Pizzeria. "Und wir haben auch schon das Tivoli verloren."

Dabei machen die Künstler die Verdrängung längst nicht bloß in Schwabing aus. "Das betrifft die ganze Stadt", findet Höss. Er hofft deshalb auf entsprechend Resonanz bei der Demo unter dem Motto "Rettet die Münchner Freiheit", die an diesem Dienstag um 17 Uhr am Odeonsplatz beginnt und in einem vom "Vereinsheim" präsentierten "Blickpunkt Spot Special" am Forum der Freiheit gipfelt.

© SZ vom 07.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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