Hohenzollernkarree:"Das ist Entmietung in Reinkultur"

Hohenzollernkarree Schwabing Sanierung

Wärmedämmung, neue Fenster, Türen und Balkons: Danach schnellen die Mieten im Hohenzollernkarree, hier entlang der Clemensstraße, nach oben.

(Foto: Jan A. Staiger)
  • Die Wohnungen im Hohenzollernkarree sollen "an eine zeitgemäße Wohnsituation" angepasst werden.
  • Die Mieter bekamen diese Ankündigung Ende 2018, vier Tage, bevor eine mieterfreundlichere Gesetzeslage in Kraft trat.
  • Viele Bewohner werden sich danach ihr Zuhause nicht mehr leisten können.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Die Modernisierungsankündigungen kamen per Bote. Zugestellt am 27. Dezember, vier Tage vor Silvester. Als die Bewohner des Hohenzollernkarrees das 24-seitige Schreiben überflogen hatten, wussten sie: Ihre Miete wird sich in vielen Fällen dauerhaft verdoppeln. Denn ihre Vermieterin, die Max-Emanuel Immobilien GmbH, will das Anwesen mit den 230 Mietparteien zwischen Herzog-, Erich-Kästner-, Clemens- und Fallmerayerstraße in den kommenden fünf Jahren "an eine zeitgemäße Wohnsituation anpassen" - mit Wärmedämmungen, einem Austausch der Fenster und Wohnungseingangstüren, dem Anbringen von Rollläden, einem Fensteraustausch und Balkonanbauten. Baubeginn ist für Dezember 2019 geplant, die Kosten sollen zu elf Prozent auf die Mieter umlegt werden. Wären die Briefe nur fünf Tage später im Briefkasten gelandet, hätten die Bewohner dank einer seit Januar gültigen Rechtsanpassung wesentlich weniger mittragen müssen.

"80 Prozent der Mieter", weiß Anni Ritthaler, "werden sich diese Mietsteigerung nicht leisten können". Mit ihrem Mann Wilhelm bewohnt die 69-Jährige seit Jahrzehnten eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Schwabinger Anlage. "Wir haben hier sehr viele Rentner", erklärt Ritthaler - alles ehemalige Bedienstete der früheren Eigentümerin Bayerische Beamtenversicherung. Künftig, haben die Ritthalers ausgerechnet, sollen sie für ihre kleine Wohnung 93 Prozent mehr als bisher bezahlen.

Eine ähnliche Mieterhöhung erwartet ein Nachbar aus der Clemensstraße. Der 36-jährige Akademiker zahlt momentan knapp 700 Euro für seine 50-Quadratmeter-Wohnung, nach der Modernisierung werden 645 Euro monatlich zusätzlich fällig - ein Aufschlag um 94 Prozent. "Damit wäre ich sofort ein Fall für die Härtefallregelung, die greifen soll, wenn die Miete 40 Prozent des Nettoeinkommens übersteigt", sagt er. Der Mann ist Single. "Was", fragt er sich, "machen dann erst Familien in solchen Situationen?" Für ihn wie für die Ritthalers ist das, was die Max-Emanuel Immobilien GmbH mit der Modernisierungsumlage bezweckt, "Entmietung in Reinkultur".

Dass die bis Ende Dezember 2018 geltende Regelung, Kosten für Modernisierungen von Wohnhäusern zu elf Prozent auf die Mieter umlegen zu dürfen, in den vergangenen Jahren zunehmend in Verruf geriet, liegt an Beispielen wie diesen. Als die Umlage in den Siebzigerjahren eingeführt wurde, gab es in rund elf Millionen deutschen Wohnungen keine Zentralheizung und in drei Millionen kein Bad. Die Sonderform der Mieterhöhung diente Vermietern damals als Anreiz, ihre Mietobjekte zu modernisieren.

Doch weil zuletzt immer mehr Investoren die Umlage nutzten, um Mieter zu vertreiben, hat die Politik inzwischen reagiert und eine Anpassung im Mietrecht beschlossen. Seit Januar gilt nun: In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt darf die Modernisierungsumlage nur noch acht Prozent betragen, generell aber nicht höher als drei Euro pro Quadratmeter ausfallen. Hätte die Max-Emanuel Immobilien GmbH also ihr Infoschreiben nicht mehr 2018 zugestellt, müsste der Akademiker aus der Clemensstraße maximal mit einer Mietsteigerung von 150 Euro rechnen. Eine bewusste Taktik?

Anpassung im Mietrecht zum 1. Januar 2019

Auf Nachfrage schickt der Münchner Investor seine Hausverwaltung vor. Die Max-Emanuel-Immobilien GmbH, lautet die Antwort von Adix Immobilien, habe beim sogenannten "Max-Emanuel-Karree" die "rechtlichen Möglichkeiten zur Umlage von Modernisierungskosten bei weitem nicht ausgeschöpft". Bereits in der Modernisierungsankündigung sei verbindlich zugesagt worden, dass "kein Mieter nach Umlage der Modernisierungskosten mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete ausgeben muss".

Darüber hinausgehende Kosten trage der Vermieter. Auch werde eine mögliche Steigerung der Baukosten nicht berücksichtigt. Außerdem sollen "etwaige gesetzliche Mieterhöhungen, die bis zur Umlage der Modernisierungskosten erfolgen, auf die Modernisierungsumlage angerechnet werden". Hierdurch, steht im Schreiben an die Bewohner, wolle "die Vermieterin erreichen, dass kein einziger Mieter infolge der Modernisierungsmaßnahme seine bisherige Wohnung verlassen muss".

Beim Mieterverein München, der knapp 70 Mietparteien des Hohenzollernkarrees vertritt, sieht man das anders. "Dieses Modernisierungsschreiben hat nichts mehr mit einer zeitnahen Ankündigung zu tun, sondern ist nur dazu da, auf Teufel komm' raus das alte Recht auszunutzen", betont Geschäftsführer Volker Rastätter. "Die Mieterhöhung kommt ja frühestens in drei oder vier Jahren, so lange wollen die mit der alten Regelung hantieren." Ob ein solches Vorgehen rechtlich überhaupt zulässig ist, will der Mieterverein jetzt vor Gericht prüfen lassen.

Mieterverein will vor Gericht ziehen

Auch das Angebot der Vermieterin, in Einzelgesprächen mögliche Reduzierungen der Umlage zu besprechen, hält Rastätter für Kalkulation. Wer mehr als 40 Prozent seines Haushaltseinkommens für die Miete aufwenden muss, könne zwar wirtschaftliche Härte geltend machen. "Das Problem ist nur, dass nicht definiert ist, was unter dem Haushalts-Nettoeinkommen zu verstehen ist." Weder gebe es dazu gesetzliche Vorgaben noch höchstrichterliche Entscheidungen. "Das müsste also auch erst ausgestritten werden." Geprüft werden soll zudem, ob die Modernisierungen so überhaupt nötig sind. Die Bewohner, darunter einige Architekten, halten zumindest die Wärmedämmung angesichts dicker Außenmauern für "Humbug".

Dass das Hohenzollernkarree in einem Erhaltungssatzungsgebiet liegt und die Mieter damit eigentlich vor Vertreibung geschützt sein sollten, ändert an der Situation wenig. Modernisierungen sind davon unberührt, und die Lokalbaukommission (LBK) hat die Genehmigung der bereits 2014 von der damaligen Eigentümerin Patrizia beantragten Balkonanbauten im Dezember erneut verlängert. Die Balkone waren Mietern, Lokalpolitikern und dem Mieterverein schon damals ein Dorn im Auge, sie sahen in den Anbauten eine Luxussanierung. Doch weil die Balkone kleiner als acht Quadratmeter werden sollten, hatte die LBK keine rechtliche Handhabe, sie zu versagen. Laut der Adix Immobilien GmbH sollen die Balkone nun aber in einer Größe von 8,70 Quadratmetern errichtet werden.

Immerhin: Dank der Erhaltungssatzung kann die Max-Emanuel Immobilien GmbH die Wohnungen vorerst nicht in Eigentums- oder Luxuswohnungen umwandeln. Das verbietet dem Unternehmen eine Abwendungserklärung, die es unterschreiben musste, um das Hohenzollernkarree 2016 doch noch vom Immobilienkonzern Patrizia zu erwerben, nachdem die Stadt zuvor ihr Vorkaufsrecht ausgeübt hatte. 2026 allerdings wird dieses Umwandlungsverbot hinfällig. Dann aber sind bereits alle Wohnungen modernisiert - und können, falls gewünscht, entsprechend teuer verkauft werden.

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