Schulturnhallen:Böse Überraschung ohne jede Vorwarnung

Mutter-Kind-Gruppe steht vor verschlossenen Türen: Die Verlegung des Sportunterrichts in die frühen Abendstunden verbannt die Vereine aus den Schulturnhallen.

Frauke Biereder

Seit Jahren wird von den Kindersportgruppen des SV Neuperlach ab 16 Uhr in Schulturnhallen geturnt, gekickt und Handball gespielt. Damit ist es zum Entsetzen des Vereins abrupt und ohne Vorwarnung vorbei. "An den Schulen, an denen eine Ganztagsbetreuung eingerichtet wurde, wurden die Sportstunden auf die 9. und 10. Stunde gelegt. Damit wird die Belegung der Vereine vor 18.15 Uhr nicht mehr möglich", ärgert sich der SVN-Vorsitzende Norbert Kreitl.

Mit einem Brandbrief an Oberbürgermeister Christian Ude bitten Kreitl und sein Vize Bernhard Hartard um dessen Unterstützung. "Auch wir sind Befürworter der Ganztagseinrichtungen", betonen sie. "Trotzdem fragen wir uns, warum muss die Schule die Sportstunden, wenn man einen rhythmisierten Tagesverlauf anbieten kann, auf die 9. und 10. Stunde legen. Warum wird hier kein Augenmerk auf die Vereine gelegt."

Eine Verschiebung der bisher vor 18.15 Uhr stattfindenden Übungsstunden in die frühen Abendstunden sei in der Regel nicht möglich. "Selbst wenn nach 18 Uhr eine Ersatzzeit zur Verfügung stünde (was nicht der Fall ist), würde uns das nicht helfen. Denn bei den betroffenen Sportgruppen handelt es sich ausschließlich um Kinder im Grundschul- und Hauptschulalter, für die wir die Übungsstunden bewusst so früh anbieten, damit die Kinder auch im Winter noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommen können."

Der SV Neuperlach wisse seine Arbeit sehr wohl einzuschätzen und sei selbstbewusst genug, das auch zu sagen. "Wir holen die Kinder und Jugendlichen von der Straße, lassen sie beim Sport in der Gruppe Fairness und Gemeinsinn kennen lernen und helfen ihnen, sich in die Gesellschaft zu integrieren."

Gerade in Neuperlach mit sehr vielen ausländischen Bewohnern sei das eine Aufgabe, die aus vielfältigen Gründen Elternhaus und Schule nicht mehr oder nicht ausreichend leisten könnten. Zur Bewältigung dieser Aufgabe brauche der Verein aber die Unterstützung der Landeshauptstadt. "Darum ist es tief deprimierend, wenn wir, statt diese Hilfe zu erfahren, uns dagegen wehren müssen, dass mangelhaft oder gedankenlos geplante Maßnahmen unsere Arbeit behindern und den Erfolg unserer Arbeit zerstören."

Erschwerend komme noch hinzu, dass die Vereine in keiner Weise vorher von der Neuerung in Kenntnis gesetzt worden seien. "Bei etwas gutem Willen und der Fähigkeit zur Kooperation durch das Schulreferat und die Schulleitung hätte man dies im Vorfeld miteinander abklären können."

So war es eine böse Überraschung für 20 Buben und Mädchen und ihre Mütter, als sie wie gewohnt um 17 Uhr zum Mutter-Kind-Turnen in die Schulsporthalle am Karl-Marx-Ring kamen und vor verschlossener Tür standen. Den 20 Kindern des nachfolgenden Fußballtrainings erging es nicht anders.

Die Halle war ab sofort von 17 bis 18.30 Uhr wegen des schulischen Angebots nicht mehr für den Verein nutzbar. Beim SVN hatte man keine Ahnung. "Wir erhielten dazu keine Information, weder von der Schule noch von der Stadt", erklärt die SVN-Verwaltung. Und den Kindern der Leichtathletikgruppe erging es in der Schule am Dietzfelbingerplatz nicht anders.

Das Schulreferat fühlt sich für das Dilemma der Vereine nicht zuständig. "Wir können es nicht zentral steuern, wann die Schule und wann die Vereine die Räume nutzen", erklärt Sprecherin Eva-Maria Volland. "Für den Stundenplan sind die Schulen zuständig."

Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass es mit der Ausweitung des schulischen Angebots auf einen Ganztagsbetrieb Konflikte gebe, doch die schulische Nutzung der Turnhallen habe Vorrang. "Sie wurden für die Schulen gebaut, nicht für die Vereine", betont Volland. Im Einzelfall müssten Schule und Verein sich die Sache miteinander anschauen und beraten, wie die vorhandenen Raumressourcen verteilt werden können.

Für Kreitl ist das jedoch die originäre Aufgabe des Schulreferats. "Es betrifft alle Vereine in München, eine Anweisung muss von der Schulreferentin an die Schulen ergehen." Das Schulreferat, das die Fachkompetenz habe, müsse erkennen, dass es falsch sei, Schulsport in die letzten Stunden zu verlegen.

Dieser gehöre in die frühen Nachmittagsstunden, um die Leistungskurve wieder anzukurbeln. Zudem könnten die Vereine für Kinder und Jugendliche keinen Sport mehr anbieten, wenn sie ausgesperrt werden.

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