Schulsanierungen:Münchner Amtsschimmel

Schulsanierungen: Bald an der Reihe ist das Wilhelmsgymnasium, wenn endlich das Ausweichquartier steht.

Bald an der Reihe ist das Wilhelmsgymnasium, wenn endlich das Ausweichquartier steht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Viele Schulen in München sind sanierungsbedürftig, weil die Stadt sie jahrelang vor sich hinmodern ließ. Aber wenn sie mal aktiv wird, dann richtig.

Von Melanie Staudinger

Die ehemaligen Schüler des Max-Planck-Gymnasiums haben ihre Spuren hinterlassen, und das nicht nur in Form opulenter Wandbilder, die im Kunstunterricht entstanden sind. In den Klassenzimmerwänden klaffen große Kerben - genau in der Höhe, in der die Stuhllehnen aus der letzten Reihe anstoßen. In den Boden haben sich Abdrücke der Stuhlbeine eingefressen. Die Fenster sind undicht, manche lassen sich gar nicht mehr öffnen, die Farbe an Wänden und Heizkörpern blättert ab. Wer über die Tartanbahn läuft, muss fürchten, dass der Belag an den Turnschuhen kleben bleibt, weil er sich vom Boden ablöst. "Schule macht Spaß", hat ein Schüler mit schwarzem Edding neben einen Lichtschalter geschrieben - später hat einer den Slogan in roter Farbe wieder durchgestrichen.

Seit 51 Jahren lernen die Jugendlichen hier im immer gleichen Gebäude. Mittlerweile nutzen es 1100 Schüler und 100 Lehrer. Doch bis auf kleinere Schönheitsreparaturen, ein paar neue Toiletten, eine Fassadensanierung im Südtrakt und den Bau einer Mensa hat sich im vergangenen halben Jahrhundert kaum etwas verändert. "Ich will keine goldenen Wasserhähne, nur ein Gebäude, das seinen Zweck erfüllt", sagt Schulleiter Walter Scharl. Seit mehr als sieben Jahren diskutiert er mit der Stadt über eine Generalsanierung - vergeblich. Erzählen kann er aber einige Anekdoten.

Provisorische Container seit Jahrzehnten

Über jahrelang ignorierte Pinkelrinnen in der Mädchentoilette (die Schule ist ursprünglich nur für Buben gebaut worden) oder über die geplante Neugestaltung des Pausenhofs: Seit 2003 ist Scharl Direktor in Pasing, sein Vorgänger hat ihm bei Amtsantritt von einem "Entsiegelungstrupp des Bildungsreferats" berichtet, wie Scharl erzählt. Der wollte im Jahr 2000 aus der Betonfläche einen ansehnlichen Pausenbereich machen. 2010 standen die Männer wieder bei ihm vor der Tür - einen ganzen Tag lang besichtigten sie die Anlage, schmiedeten Pläne. Seitdem haben sie nichts mehr von sich hören lassen.

Schulsanierungen: Das Max-Planck-Gymnasium in Pasing bedarf dringend einer Sanierung - Kerben im Boden zeugen davon. Doch noch muss es warten.

Das Max-Planck-Gymnasium in Pasing bedarf dringend einer Sanierung - Kerben im Boden zeugen davon. Doch noch muss es warten.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die "provisorischen" Schulcontainer stehen seit mindestens 35 Jahren. Dort ist der Boden kaputt, die Klassenzimmer sind zugig, das Heizungsrohr liegt offen im Raum. Wenn jemand spricht, hallt es unangenehm. "Diese Baracken gehören abgerissen", sagt Scharl. Ebenso wie der Fachlehrsaal-Trakt. Klagen wie aus dem Max-Planck-Gymnasium sind in München keine Seltenheit. Schulleiter berichten immer wieder von Raumnot und maroden Klassenzimmern, von stinkenden Toiletten und unbenutzbaren Turnhallen. Auf Renovierungen müssen sie in vielen Fällen lange warten - obwohl die Stadt bis zum Jahr 2018 in Schulen und Kitas 1,2 Milliarden Euro stecken will. Das ist viel Geld auch für eine reiche Kommune wie München.

Schulsanierungen sind Chefsache

Der Grund für den Sanierungsstau ist im Kommunalwahlkampf eingehend thematisiert worden. Die CSU, damals in der Opposition, warf der rot-grünen Rathausmehrheit vor, zu lange zu wenig in die Schulen investiert zu haben - rechtlich ist die Stadt für alle öffentlichen Schulgebäude zuständig, auch für die Einrichtungen, die nicht sie, sondern der Freistaat betreibt.

Stadtschulrat Rainer Schweppe und Schulbürgermeisterin Christine Strobl (beide SPD) sehen sich hingegen zu Unrecht beschuldigt: Man arbeite alle Projekte Schritt für Schritt ab. Allerdings steige der Bedarf an Schulen stetig, weil viele Familien zuziehen, die Geburtenrate vergleichsweise hoch ist und die Ganztagsbetreuung mehr Platz in Anspruch nimmt als die Halbtagsschule. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat Schulsanierungen und -erweiterungen längst zur Chefsache erklärt. Für kleinere Instandsetzungen will er Schulleitern ein eigenes Budget geben; eine Task-Force kümmert sich um marode Toiletten.

Das Wilhelmsgymnasium wird endlich saniert

Einer, der die Debatten nun hinter sich hat, ist Michael Hotz: Sein Wilhelmsgymnasium ist jetzt an der Reihe. "Endlich", wie er sagt. Auch er hat lange gewartet, genau wie sein Vater, der zuvor die Schule leitete. "Von einer Sanierung sprechen wir seit 20 Jahren, konkret aber wurde es 2012", sagt Hotz. Das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, letztmals 1959 saniert, steht unter Denkmalschutz und zudem mitten in der Innenstadt. Während der Bauzeit müssen Schüler und Lehrer umziehen. Doch die Stadt tat sich schwer, ein Ausweichquartier zu finden. Jetzt sollen die Container - die heutigen sind viel besser ausgestattet als die Relikte, die am Max-Planck-Gymnasium vor sich hin modern - auf die Tivoli-Tennisanlage kommen. Aber auch dort protestieren Anwohner - und Hotz muss wieder bangen.

Schulsanierungen: Seit diesem Herbst fertig ist die Grundschule an der Bazeillesstraße.

Seit diesem Herbst fertig ist die Grundschule an der Bazeillesstraße.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

So richtig los geht der Umzug erst in den Sommerferien. Dennoch ist Hotz schwer beschäftigt. In seinem Gymnasium, das so gar nicht nach Schule, sondern nach Altbau riecht, gibt es einige Schätze, die er bewahren will. Die alte Bibliothek etwa mit den Büchern aus dem 16. Jahrhundert. Die Waschbecken, die in modernen Klassenzimmern mit digitalen Whiteboards statt Tafeln nicht mehr vorgesehen sind. Oder die alten Physikutensilien, die in Einbauschränken aus den Fünfzigerjahren lagern. Das Gebäude aber hat seine besten Zeit hinter sich: Wasserschäden im Gemäuer, eine Heizungsanlage, die im Winter streikt, dafür aber im Sommer tropische Hitze erzeugt, Risse in der Wand, abgeblätterter Putz. "Es wird wirklich Zeit, dass etwas passiert", sagt Hotz.

Schön, vielleicht sogar luxuriös

Erst in drei Jahren wird er mit seinen 600 Schülern ins neue alte Gebäude ziehen. Hat er das hinter sich, kann er sich aber auf ein schönes, vielleicht sogar luxuriös anmutendes Wilhelmsgymnasium freuen. Denn wenn die Stadt einmal eine Sanierung in Angriff nimmt, dann richtig.

Davon kann zum Beispiel die Rektorin Sonja Hofmann berichten. Ihre Grundschule an der Bazeillesstraße in Haidhausen hat zwei Jahre in einem Pavillon verbracht. "Das war sehr eng und wir mussten uns einschränken", sagt sie. Im September ging es zurück in das sanierte Haus. Goldene Wasserhähne fand dort zwar niemand vor, dafür aber goldschimmernde Türklinken an den Toiletten und ebenso glänzende Brandschutztüren, auf denen die Kinder längst ihre Handabdrücke hinterlassen haben.

Auch sonst hat sich viel verändert: Die Garderoben wurden aus Brandschutzgründen in die Klassenzimmer verlegt, fünf Tafeln durch Whiteboards ersetzt. Endlich besitzt die Schule eine Mensa. Auch die erstrahlt in goldenen Farben. Die Turnhalle bekam eine Holzverkleidung, die eine ruhige Atmosphäre schafft. Hofmann war überrascht - sie bekam mehr, als sie sich gewünscht hätte. "Wir haben lange auf die Sanierung gewartet", sagt die Rektorin. Nun aber habe die Stadt ein tolles Gebäude hingestellt. Damit das so bleibt, hat Hofmann das Motto des Monats eingeführt. Im Oktober lautet es: "Achte auf unser Schulhaus."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: