Schulprojekt:James Bohn und der Schrott im All

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Schüler des Luitpold-Gymnasiums entwickeln Computerspiele und erlernen dabei nicht nur IT-Fähigkeiten - sie mischen sich auch ein in die große Weltpolitik

Von Thomas Jordan

Am Anfang stand ein handelsüblicher, brauner Umzugskarton. Er ist mit der Öffnung nach vorne gekippt, links und rechts sind zwei Löcher in die Seiten der Pappe hineingeschnitten, so dass man mit den Händen hineingreifen und die kleinen weißen Papierkügelchen herumwerfen kann, die im Innenraum liegen. Auf dem unteren Deckel steht mit schwarzem Edding "Trashman I" geschrieben, auf den oberen hat jemand zwei große Kulleraugen gemalt. Was aussieht wie ein gefräßiger Pappkamerad, ist in Wahrheit der reale, dreidimensionale Prototyp für eine Simulation. Es ist der erste Schritt auf dem Weg zur Entwicklung eines Computerspiels, das es so bisher noch nicht gab:"Unique selling point" nennt der 14-jährige Schüler Jasper Grau stolz die Idee seines Teams, ein Spiel zu entwerfen, bei dem der Benutzer in der fertigen Computersimulation vom Himmel herabfallenden Weltraumschrott mit einem kleinen Papierkorb-Symbol auf dem Bildschirm so schnell wie möglich einsammeln muss.

Ein Computerspiel, das nicht nur unterhalten will, sondern auf die reale Problematik im All umherfliegender Trümmer aufmerksam macht, die eine Gefahr für die Raumfahrt darstellen. "Serious Games" nennt man das in der Sprache der Spieleentwickler, und in dieser Verbindung von Lernen und Spielen sieht Christof Prechtl vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber die Zukunft für die Games-Branche. Schon heute sind allein im Bereich Computerspielentwicklung deutschlandweit knapp 14 000 Menschen beschäftigt, München entwickele sich dabei zu einem der Hotspots der Szene.

Der 16-jährige David Weissmann (links) und der 15-jährige Lounis Gaou zeigen ihr Computerspiel, das sie mit der Hilfe von Experten über ein halbes Schuljahr hinweg programmierten. (Foto: Catherina Hess)

Prechtl sitzt im Werk 1 auf dem Gelände der ehemaligen Kultfabrik. Zusammen mit einer Medienpädagogin, einem Spielentwickler und einem Vertreter des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft begutachtet er die Ergebnisse des Pilotprojekts "Game Group IT": Im Zuge der "Bildungsinitiative Technik - Zukunft in Bayern" des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft haben vier Schülerteams des Münchner Luitpold-Gymnasiums mit der Hilfe von Experten ein halbes Schuljahr lang immer mittwochs konzipiert, gestaltet und programmiert: Am Ende stand ihr eigenes Computerspiel. Dabei erlernten die Nachwuchsentwickler nicht nur IT-Fähigkeiten, sondern erwarben auch Projektmanagement-Kompetenzen, wie die Projektverantwortliche Andrea Filler betont.

Der schmale 14-jährige Jasper Grau, der zur Abschlusspräsentation ein dunkelblaues Cordsakko mit roséfarbenen Knöpfen trägt, ist einer von ihnen: Er steht am Pult und steuert mit einer Hand sein Weltraumspiel, während er konzentriert erläutert, dass er sich bei der halbjährigen Entwicklungsphase wie ein Betatester für das neueste Smartphone gefühlt habe. Dabei fällt auf, wie zielstrebig und professionell die Jugendlichen an diesem Vormittag im Werk 1 zu Gange sind. Auch die 16-jährige Araya Muangkhunrong, eines von drei Mädchen in der Game Group IT, ist da keine Ausnahme. Sie war für die künstlerische Seite von "Trashman" zuständig und hat dem Weltraumschrottsammler eine Optik verpasst, die an japanische Animé-Zeichnungen erinnert. In den vergangenen Monaten habe sie vor allem gelernt, wie wichtig "Kooperationskompetenz" im Team sei, sagt sie und blickt einen dabei ernst über ihre große, randlose Brille an: Nur wenn jeder seine Fähigkeiten einbringe, könne man etwas zustande bringen.

Bei dem Software-Projekt "Game Group IT" sollten Schüler spielerisch mit Technik umzugehen lernen - und sei es mit Knetmasse. (Foto: Catherina Hess)

Da steht dann an diesem Vormittag im Werksviertel schon die Frage im Raum, ob inmitten all dieser jugendlichen Professionalität der Spaß an der Arbeit nicht ein wenig auf der Strecke bleibt. So wie bei dem 15-jährigen Lounis Gaou und dem 16-jährigen David Weissmann: Die beiden haben ein Computerspiel entwickelt, bei dem der Spieler der Fantasiefigur "James Bohn" beim Ausbruch aus einem Gefängnis helfen muss. Ihnen ist damit ein echter Hingucker gelungen. Nicht nur die Optik der gedrungenen kaffeebraunen Bohne, die mit lässig über die Schulter gelegter Bazooka von Plateau zu Plateau hüpft, ist witzig und einfallsreich, auch die Steuerung funktioniert einwandfrei, so dass ein richtiger Spielfluss entsteht. Im ersten Entwurf sollte die Hauptfigur nicht an den englischen Geheimagenten erinnern, sondern vielmehr Hillary Clinton heißen - der Bauherr des Gefängnisses war ein gewisser Donald Trump. Man merkt an solchen Details, wie viel kreative Energie die eigenverantwortliche Arbeit am Computerspiel bei den Schülern des Luitpoldgymnasiums freisetzt.

Und obwohl auch die Profis an diesem Vormittag im Werksviertel den Einfallsreichtum von Lounis und David loben und sie dazu ermuntern, am Thema dranzubleiben, können sich die beiden noch nicht so richtig freuen. Zu sehr stecken ihnen die Anstrengungen der vergangenen Wochen in den Knochen. Anja Muangkhungrong ist da einen Schritt weiter: Fragt man sie danach, was sie später beruflich machen möchte, macht sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht breit: Charakterzeichnerin für Computerspiele, ja, das wäre schon was.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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